Wiener Mädchenliga: Lässt der Verband eine Chance liegen? [Reportage]
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Wiener Mädchenliga: Lässt der Verband eine Chance liegen? [Reportage]

Ehrenamtlich auf die Beine gestellt, vom Verband nur zögerlich gefördert: Wird in Wien eine große Chance verschlafen?

Vereine haben zum Teil Angst gehabt, in den gemischten Ligen abgeschossen zu werden

Niki Staritz

Im Verein kommt es gut an, bei den Mädchen noch besser.

Niki Staritz

Wir brauchen einfach eine Initialzündung, brauchen solche Projekte.

Karl Frank

Das Projekt ist so neu, mit den Details bin ich nicht beschäftigt.

Robert Sedlacek

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"Wir bringen innerhalb der Vereine keine Mannschaften für alle Jahrgänge zusammen. Das Ziel wäre es, dass reine Mädchenteams ungefähr jahrgangsgleich gegeneinander spielen können. Da hatte die Anna eine Idee", erklärt Karl Frank, Obmann des Frauenausschusses des Wiener Fußballverbandes. Mit Anna ist Anna Ressmann gemeint, Franks Stellvertreterin, die vor kurzem die "Wiener Mädchenliga" ins Leben gerufen hat. 15 Vereine spielen in den nächsten Monaten in U10, U12 und U14 gegeneinander – darunter etablierte Teams wie Landhaus, Vienna und Torpedo 03, aber auch neue Neueinsteigerinnen wie die Wiener Viktoria oder der FC Mariahilf.

Frank führt im Gespräch mit 90minuten.at weiter aus: Viele Mädchen würden schon bei Vereinen mittrainieren, diese hätten aber nicht genug Spielerinnen in einer Altersklasse, um ein Team zu stellen. "Sie trainieren über ein oder zwei Jahre, der geregelte Spielbetrieb fehlt aber. Den bräuchte es, um die Mädchen bei der Stange zu halten". Damit wären die Spielerinnen später auch leichter in bestehende Teams integrierbar, Anfängerinnen sind durch den Mangel an Matchpraxis sonst oft überfordert. Die Liga richtet sich damit auch explizit an Spielerinnen mit wenig Erfahrung.

Bisher – und weiterhin – war es für Mädchen möglich, bis zur U13 in gemischten Teams mitzuspielen, auch reine Mädchenteams gibt es – laut Niki Staritz von Torpedo 03 stagniert die Anzahl aber eher. "Vereine haben zum Teil Angst gehabt, in den gemischten Ligen abgeschossen zu werden", meint sie. Das würde sich mit der Zeit zwar legen, aber viel Aufwand erfordern.

 

"Eltern haben unsere zehnjährige Torfrau beleidigt"

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Aufwand, nicht nur im spielerischen Bereich – auch am Selbstvertrauen muss gearbeitet werden. Daran haben auch Eltern und Trainer ihren Anteil. In der Vergangenheit habe man regelmäßig negative Erfahrungen gemacht, erklärt Staritz. Das sei auch, aber nur gelegentlich von den Gegenspielern gekommen: "Unmittelbar nach unserem Einstieg haben wir oft und hoch verloren, zum Teil haben Eltern unsere zehnjährige Torfrau beleidigt. Wir bauen die Mädchen die ganze Woche auf und am Wochenende wird alles wieder runtergedrückt", sagt sie weiter.

Ausbaufähige Öffentlichkeitsarbeit

Das Projekt Mädchenliga wurde ehrenamtlich aufgezogen, im Breitensport nicht ungewöhnlich. In diesem Fall wird den Freiwilligen aber einiges an zusätzlicher Arbeit aufgebürdet. Die Öffentlichkeitsarbeit wird zu großen Teilen den Organisatori:innen überlassen – obwohl die Reichweite grundsätzlich vorhanden und über die verbandseigenen Kanäle leicht abrufbar wäre. Die neue Liga wurde erst nach dem ersten "Spieltag" auf der Facebook-Seite des WFV beworben, auf der Website findet sich keine eigene Meldung zu dem Thema.

Es ginge zum Beispiel um das Finden neuer Spielerinnen, wie zuvor beschrieben ein zentrales Problem im Mädchenfußball. "Eigentlich müsste sich jemand darum für ein paar Stunden pro Woche kümmern. Um zu koordinieren, in Schulen zu gehen, Events zu organisieren", so Ressmanns Wunsch. Gedacht wäre es als eine Art Verstärkung zu der sowieso geleisteten ehrenamtlichen Arbeit, sie bezieht sich dabei vor allem auf den Breitensport. Ressmann ergänzt: "Ich glaube, es gäbe genug zu tun". Dringend nötig sei es ihrer Meinung nach vor allem auch, weil Wien in diesem Bereich Rückstände aufholen müsse.

Start als Pilotprojekt

Ausgelegt ist die Wiener Mädchenliga vorerst als Pilotprojekt für das Frühjahr. "Wir fangen jetzt an zu planen, ich kann aber noch gar nicht sagen, wie es nächste Saison ist", meint Anna Ressmann selbst. Der klare Wunsch wäre, im Herbst von den aktuell stattfindenden Freundschaftsspielen in einen regulären Meisterschaftsbetrieb überzugehen. "Wir möchten das Projekt unbedingt weiterführen, auch wenn das Format noch unklar ist".

"Ich habe mir in den Kopf gesetzt, dass wir das schaffen müssen", erzählt sie. Vor ungefähr einem Jahr sind die Planungen im – ehrenamtlich tätigen – Frauenausschuss angelaufen, in Absprache mit einigen Vereinen haben Frank und Ressmann im Verband vorgefühlt. Die Rückmeldungen waren grundsätzlich positiv. Ausschlaggebend für die Entwicklung der Mädchenliga war die Arbeit im eigenen Verein, Ressmann ist beim FC Mariahilf für Frauenfußball zuständig.

Auf Unterstützung der Verbände angewiesen

Im Wesentlichen geht es bei der großen Hürde um die Frage der Registrierung von Spielerinnen. Derzeit dürfen auch um zwei Jahre ältere Mädchen mit jüngeren Jahrgängen mitspielen. Möglicherweise wäre es notwendig die Jahrgänge in der Anfangsphase noch ein Stück weiter zu fassen, um den teilnehmenden Vereinen das Antreten zu vereinfachen. In den aktuell laufenden Freundschaftsspielen sind die Anforderungen noch deutlich leichter zu bewältigen. Grund zur Unterstützung gäbe es zur Genüge, das Potenzial im Mädchenfußball ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. "Man kann davon ausgehen, dass jede Spielerin in einem neu dazugekommenen Verein ein Zugewinn für den Ligabetrieb im Mädchenfußball ist", so Staritz. Und auch Frank betont: "Wir brauchen einfach eine Initialzündung, brauchen solche Projekte".

 

Positive Resonanz zum Start

"Es haben mehr Vereine angefangen, Mädchentrainings anzubieten – bei uns haben die Älteren dann teilweise auch bei den Burschen mitgespielt. Für Anfängerinnen ist das aber nicht möglich. Freundschaftsspiele auszumachen, ist schwierig". Der neue Bewerb soll dieses Problem jetzt lösen, das erste Fazit fällt positiv aus: "Im Verein kommt es gut an, bei den Mädchen noch besser. Es ist auch in den gemischten Ligen ein Highlight, gegen andere Mädchenteams zu spielen", meint Staritz.

An Ideen für die Zukunft mangelt es ebenfalls nicht: So wäre so beispielsweise eine "Rookie-Liga" für die neueren Vereine denkbar, um die sportliche Herausforderung für alle zu wahren. Für Konkretes wäre es aber noch zu früh – damit die Liga überhaupt weiter bestehen kann, braucht es ein Entgegenkommen des Wiener Verbandes.

WFV-Präsident Sedlacek steigt auf die Bremse

Von 90minuten.at nach seiner Sicht zu möglichen Ausnahmen bei den Jahrgängen gefragt, erklärt WFV-Präsident Robert Sedlacek: "Man müsste das noch genauer strukturieren, weil sonst nicht jeder damit einverstanden ist". Das Projekt sei noch so neu, dass er zu Details aber nicht viel sagen könne - grundsätzlich findet er es aber gut. Außerdem verweist Sedlacek auf das Landesverbandsausbildungszentrum Wien - kurz "LAZ" - in dem hochprofessionell gearbeitet werde. Das eigentliche Problem löst das aber nicht.

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Wäre gefordert: WFV-Präsident Sedlacek

Auch beim Vorschlag zu einer eigens beauftragten Person, die der Verband beschäftigen könnte, winkt Sedlacek eher ab: "Wenn ich davon ausgehe, dass wir über 100 ehrenamtliche Funktionäre haben, ist das schwierig. Wenn ich das bei einer Sparte anfange, dauert es maximal drei Wochen bis alle auf einmal Geld haben wollen. Das würde die finanziellen Grenzen überschreiten". Der Frauenausschuss würde gute Arbeit leisten, ab Sommer sei generell geplant, die Präsenz im Social Media Bereich neu aufzustellen. "Da gehören automatisch die Frauen und Mädchen auch dazu", so der Verbandspräsident. 

Sedlacek verweist außerdem auf das Wiener Landesverbandsausbildungszentrum - kurz LAZ - in dem auch Mädchen trainieren können. Fehlen würde es dort an nichts, meint er. Mit den Problemen im Breitensport hat das aber nur wenig zu tun. 

 

Problem Infrastruktur

Als mitunter größte Hürde im Wiener Frauen- und Mädchenbereich gilt die Infrastruktur. Das erzählt auch Niki Staritz – ihr eigener Verein, der ASK Erlaa Torpedo 03, ist derzeit auf zwei Standorte aufgeteilt. Vor knapp einem Jahr war das Überleben alles andere als gesichert, inzwischen ist zumindest diese Frage wieder vom Tisch. Die Mädchen spielen eigentlich auf der Schmelz, dorthin könne man nach zwei Jahren Bauarbeiten hoffentlich im Mai zurückkehren. "Wir bekommen aber nicht die Trainingszeiten, die wir bräuchten, um so wachsen zu können, wie es möglich wäre", so Staritz. Konkret heißt das: Einmal in der Woche Training auf einem regulären Platz, ein zweites Mal auf einem kleinen. "Es ist ein ständiges Kämpfen um Platzzeiten und gute Infrastruktur". Staritz ist beruflich für die "fairplay Initative" tätig, die zum Punkt Infrastruktur in Wien eigens Empfehlungen formuliert: So sollen beispielsweise 20 Prozent der Platzzeiten an Frauen und Mädchen gehen, außerdem sollen neue Plätze geschaffen und Vereinen zur Verfügung gestellt werden, die sich im Mädchen- und Frauenfußball engagieren.

Auch Karl Frank meint: "Die Landesligavereine können zweimal trainieren – auf einem halben Feld um 20 Uhr. Das ist aber die dritthöchste Liga in Österreich". 

Die Baustelle Infrastruktur betrifft nicht nur den Wiener Fußballverband, sondern vor allem die Stadt Wien und große Betreiber von Sportanlagen. Selbst beim aktiven Bemühen der handelnden Personen wäre mit baldiger Besserung eher nicht zu rechnen, was aber nicht als Ausrede dienen soll. Mit der Wiener Mädchenliga hätte man jetzt ein Projekt auf dem Tisch liegen, dem man nur unter die Arme greifen müsste. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Verantwortlichen dazu bereit sind.

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