Vienna: Reinigendes Gewitter Unterhaus [Reportage]
Die Vienna musste sich in den letzten Jahren im heimischen Unterhaus herumschlagen. Wie geht das wirtschaftlich und wie kann eine Mannschaft zusammengestellt werden?
Die Situation war herausfordernd: Wir gewinnen alles, können aber nicht aufsteigen. Das war eine schwierige Phase.
Spieler bekommen bei der Vienna eine Chance sich zu entwickeln. Nur weil jemand aus dem eigenen Nachwuchs kommt, heißt es aber nicht, dass er automatisch spielt.
Der Sprung von der RLO in die 2. Liga war für uns nicht groß und die 16er-Liga ist ein passendes Format.
+ + 90minuten.at PLUS – Eine Reportage von Georg Sander + +
Die Zeit vergeht manchmal wie im Flug. Vor zehn Jahren spielte Österreichs ältester Fußballverein in der 2. Liga, im Sommer 2014 musste man in die Regionalliga Ost absteigen. Dort rangierte man von 2014/15 an bis 2016/17 im Spitzenfeld. Doch statt der Rückkehr in den bundesweiten Fußball kam der tiefe Absturz. Damaliger Hauptsponsor war Care Energy, ein Billigstromanbieter mit Sitz in Hamburg, seit 2014. Nachdem Geschäftsführer Martin Kristek gestorben war, musste der heutige Austria Wien-Vorstand Gerhard Krisch im März 2017 als Geschäftsführer der Döblinger erklären, dass man Insolvenz anmelden müsste.
Die Vienna erwirkte im Mai 2017 eine einstweilige Verfügung und konnte 2017/18 weiterhin in der Ostliga verbleiben, nach monatelangem Hin- und Her vor den Gerichten bestätigte der Oberste Gerichtshof den ursprünglichen Ausschluss und nach 18 Spieltagen wurden alle Spiel annulliert. Die Blau-Gelben spielten fortan mit der Kampfmannschaft am Ticket der 1b – in der 2. Wiener Landesliga. Seit Juli 2019 ist Thomas Loy Geschäftsführer der Vienna und gestaltete die Rückkehr maßgeblich mit, war schon ab September 2016 im Marketing beim Verein. Heutzutage verwaltet er das Geld, das die sportlichen Leiter bzw. Sportdirektoren ausgeben dürfen.
Jahre im Unterhaus
Wenige Monate nach seinem Amtsantritt musste Thomas Loy also zusehen, wie aus einem hoffnungsfrohen beinahe Zweitligisten ein Fünftligist wurde. „Wir hatten ein sehr üppiges Regionalliga-Budget, 70-80 Prozent wurden von diesem einen Hauptsponsor abgedeckt“, erinnert er sich. Als es dann Gewissheit war, dass man „runter“ in die 2. Landesliga muss, war plötzlich alles anders. Keine Träume mehr vom österreichweiten Fußball, keine „Derbys of Love“ gegen den Wiener Sportclub inklusive Bundesliga-tauglicher Kulisse. Auch die Uniqa, die im Mai 2017 für zunächst drei Jahre als Hauptsponsor eingestiegen war, wird sich die nächsten Jahre wohl anders vorgestellt haben.
Die Kampfmannschaft spielte plötzlich in der 2. Landesliga, eine Chance auf den Aufstieg gab es hingegen nicht. „Bis zum letzten Spieltag haben wir fast jedes Spiel gewonnen, hatten aber keine Chance auf einen Aufstiegsplatz. Die Situation war herausfordernd: Wir gewinnen alles, können aber nicht aufsteigen. Das war eine schwierige Phase“, so Loy. Während die anderen Klubs nicht einmal eine Tribüne hatten, hatte die Vienna nach wie vor die Hohe Warte zu betreiben, der Verband schrieb sechs Euro Eintritt vor. Nicht auszudenken, wie es ohne Partner Uniqa gelaufen wäre, denn dieses Sponsoring gab „Planungssicherheit“. Und auch die Politik entpuppte sich als Glücksfall. Denn 2019 wurde das Parkpickerl in Döbling eingeführt, Parkplatz und Garage wurden für den Verein in der 4. und 5. Liga zu einer „großen Einnahmequelle“. Denn im Unterhaus macht nicht einmal ein potenter Sponsor die Geldschatulle übermäßig auf. Ein Vorteil für die Döblinger: „Das war sehr zach, aber unser Vorteil ist: Wir waren nie ein reiner Amateurverein. Wir hatten Strukturen wie ein kleiner Profiverein. Mit diesen Strukturen hätten wir auch schon früher 2. Liga spielen können.“ Corona bremste im Jahr 2020 den Durchmarsch der Döblinger, letztlich gelang aber 2021 der Aufstieg bzw. Durchmarsch von der Wiener Liga in die 2. Liga. Und natürlich: „Durch die Uniqa und das Netzwerk und mit Roland Schmid bzw. IMMOUnited kann man perfekt Partner gewinnen.“
Geld für „die Erste“
„Das Feeling war ein anderes, wir haben alle Fußballplätze Wiens kennengelernt. Für die anderen war es ein Vereinsfest. Wir waren immer der Gejagte, es war für alle wie ein Cupspiel“, erinnert sich Loy weiter. Das Ziel war nach dem Absturz in die Fünftklassigkeit immer die Rückkehr in höhere Gefilde. Klingende Namen wie Ümit Korkmaz, Marcel Toth, Markus Wostry, Andreas Lukse oder Lukas Grozurek schlossen sich über die Jahre (zum Teil zeitweilig) den Döblingern an. Doch wie finanziert man diese Spieler? „Im April/Mai stellen wir das Budget zusammen“, erzählt Loy. Das sei früher schwierig gewesen, weil „wir nie wussten, in welcher Liga wir spielen“, fügt er etwas bitter an. 50 bis 60 Prozent fließen in die Kampfmannschaft, ab 2018 war Markus Katzer Sportdirektor, seit er zu Rapid ging, ist es Andreas Ivanschitz. „Ehemalige Nationalspieler kamen dank des Netzwerks von Markus Katzer“, erklärt er, „Es gab sonst auch Anfragen von Spielern dieser Klasse, er hat dann sortiert und geschaut, welche sportlich passen.“ Die Verträge sind stark leistungsbezogen, Punkteprämien haben einen großen Anteil. Nur wegen des Namens kommen solche Kicker nicht in die 3. oder gar 4. Liga, die Spieler leben davon. Vielleicht aber, vermutet Loy, bleibe der eine oder andere Spieler lieber bei der bekannten Vienna, als woanders ein paar Netsch mehr zu verdienen.
Die Vienna setzte trotz der bekannten Namen auch auf den eigenen Nachwuchs, wie Kerim Abazovic, Cedomir Bumbic oder Noah Steiner. In der Regionalliga müssen mehrere Nachwuchsspieler am Spielbericht (Nachwuchsregel) stehen. Zwar kamen dann und wann auch Spieler aus Akademien der anderen, größeren Vereine nach Döbling, aber „im Osten war so gut wie jeder Spieler irgendwann bei Rapid oder Austria“. Der sportlichen Leitung gehe es hierbei um Leistung, nur weil einer aus dem eigenen Nachwuchs kommt, spielt er nicht automatisch, auch wenn der Österreicher-Topf natürlich eine Einnahmequelle ist. Loy meint dazu: „Spieler bekommen bei der Vienna eine Chance sich zu entwickeln, natürlich ist Leistung auch immer wichtig, nur weil jemand aus dem eigenen Nachwuchs kommt, heißt es aber nicht, dass er automatisch spielt. Aber das Ziel ist schon immer wieder Talente aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft zu bekommen oder ein Sprungbrett für Spieler zu sein, für die die Vienna ein guter Entwicklungsschritt in der Karriere ist.“
Sprungbrett und Co.
Für einen Verein, insbesondere einen mit Tradition, Meistertiteln und Pipapo, sind Ambitionen wichtig, schließlich ist auch jetzt die Bundesliga das Ziel, inklusive dann nachhaltig hergerichteter Hohen Warte. Das muss bezahlt werden, mehr mediale Reichweite hilft, aber nicht immer. Das bestbesuchte 2. Liga-Spiel war gegen den GAK vor rund 2.800 Fans, das letzte Heimspiel gegen den Wiener Sportclub vergangene Saison schauten mehr als 7.200 an. Aber: Je weiter oben, desto besser können sich die Spieler präsentieren. Eine Reihe an Spielern haben den Sprung in den Profifußball geschafft, wie Keles und Kostic. Andere eben mit den Döblingern. Beim Transfer von beispielsweise Kalajdzic naschte die Vienna am Transferkuchen mit. Transfers, so Loy, sind für ein Ausbildungsland wie Österreich doch essenziell: „Mit ist das hier wichtig: Viele Talente kommen aus dem Vienna-Nachwuchs, aber spätestens ab dem Akademiealter gehen viele noch zu den großen Klubs - wenn sie nicht schon bereits früher gescoutet wurden“. Diesen Schritt mit einer Akademie könne die Vienna in der Form den Talenten noch nicht bieten und war auch die Herausforderung im Unterhaus. So war auch der Gap zwischen erster und zweiter Mannschaft eine „Challenge, da du in Wien keine 1b haben darfst, erst ab der RLO und dann von ganz unten starten musst.“ Deshalb sei es in dieser Saison auch so wichtig, dass die 1b in die 5. Liga aufsteigt.
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Einstweilen tummeln sich schon der eine oder andere Spieler im Kader, die vielleicht Ablöse bringen könnten. Etwa der Israeli Itamar Noy oder der eine oder die ehemaligen Rapid II-Spieler Nicolas Wunsch und Dalibor Velimirovic. Hier sind nochmals die Talente zu erwähnen, die schon vor dieser Saison in Döblin waren und „sicher auch in Zukunft heiße Aktien sind. Jeder österreichische Verein muss von Transfereinnahmen leben“, weiß Loy. Auf allen Ebenen sind dabei Perspektiven entscheidend, das betrifft eben das Stadion oder wie man (junge) Spieler von sich überzeugen kann. Auch die Vienna will ein Sprungbrett sein und versteht auch jeden anderen Verein, der seine Spieler beim eigenen Zweierteam möglichst weit oben positionieren will.
Regionalliga-Gedanken
Für die Vienna gibt es diese Perspektive, für andere Ostligisten nicht. Klar, die Regionalliga in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ist mit den restlichen drei Regionen in seinen Augen nicht vergleichbar. „Der Sprung von der RLO in die 2. Liga war für uns nicht groß“, meint er, „und die 16er-Liga ist ein passendes Format.“ Diese wird gerne als Drehscheibe verkauft, doch eigentlich ist es die Regionalliga, wo sich Ambitionen und Amateure treffen. Für viele Klubs, das merkt man jedes Jahr beim Einreichen der Zulassungen, ist die 3. Leistungsstufe das höchste der Gefühle. Im Unterhaus sei es zudem möglich, dass jeder „Wald- und Wiesen-Verein“ Meister werde und dann nicht aufsteigt. Es brauche, so Loy, vermutlich ein Zulassungsverfahren light für die Regionalliga, mit Mindestanforderungen an die Infrastruktur, einer definierten Anzahl von Nachwuchsteam, Trainerlizenzen und auch Jahresabschlüssen.
Denn die Regionalligen, so hört man aus der Szene immer wieder, sind auch für die Entwicklung von den Kickern wichtig, die es noch nicht mit 18, 19 in die Bundesliga-Kader des Landes schaffen. Brechen Vereine dann weg oder auseinander – ein Beispiel wäre der langjährige Ostliga-Topklub Ebreichsdorf – ist das für die Spieler nachteilig und somit für den gesamten heimischen Fußball. Für die Vienna war die Zeit im Unterhaus jedenfalls eine Art reinigendes Gewitter.
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