Schaub, Hinterseer & Co: Deutschland-Legionäre im Kampf gegen die Tribüne [Reportage]
Nicht alle Legionäre schreiben derzeit eine Erfolgsgeschichte, in Deutschland pendeln einige zwischen Spielfeld und Tribüne.
+ + 90minuten.at PLUS – Von Daniel Sauer + +
Sie fristen oft ein Dasein am Rand der österreichischen Fußballberichterstattung: Die Legionäre in der 2. Deutschen Bundesliga. Neben einem Spieler wie Matthias Honsak, der vor kurzem sogar erstmals für das Nationalteam nominiert wurde, gibt es aber auch einige, die sich am absteigenden Ast wiederfinden. Mit Louis Schaub und Lukas Hinterseer sogar zwei, die in vor nicht allzu langer Zeit noch für den ÖFB im Einsatz waren. Für sie und einige andere lief in den letzten Monaten nur wenig nach Plan, 90minuten.at hat sich ihre Situation näher angeschaut.
Dejan Stojanovic – Von der Nummer 1 zur Nummer 3?
Im Sommer nach Regensburg gekommen, auf Anhieb zur Nummer 1 aufgestiegen – zum Rückrundenstart aber prompt bis auf die Tribüne degradiert. So passiert bei Dejan Stojanovic, zu dessen 14 Zweitligaspielen in der laufenden Saison wohl keine mehr dazukommen. Nach einer Verletzung des 29-Jährigen zum Jahresende sah sich der Verein zu einer Reaktion gezwungen, der erst 19-jährige Jonas Urbig kam aus Köln und zog in der Keeper-Hierarchie sofort am wieder fitten Stojanovic vorbei. Damit aber noch nicht genug: Nach drei Spielen auf der Bank stand der Österreicher zuletzt nicht einmal mehr im Kader. Man habe derzeit vier Torhüter im Kader und einen dementsprechend guten Konkurrenzkampf im Training, erklärte der Verein gegenüber 90minuten.at. Klar ist aber, dass die Rolle als Nummer eins derzeit vergeben ist. "Die Nummer 2 ist offen und kann sich von Spiel zu Spiel wieder ändern", so Jahn Regensburg weiter. Für Dejan Stojanovic bleibt damit einmal mehr die Rolle als Backup über – nicht zum ersten Mal in seiner Karriere.
Manuel Prietl – Kapitän mit Hoffnung nach Formtief
Gut, bei Manuel Prietl von einem Formtief zu schreiben, nachdem ihm gerade erst sein erstes Saisontor gelungen ist, mag verwirrend erscheinen. Der 31-jährige Routinier war aber zuvor beim Bundesliga-Absteiger Arminia Bielefeld nicht mehr dieselbe Stütze, wie in den letzten Jahren. Die Arminia läuft Gefahr, direkt in die 3. Liga abzurutschen - Prietl verlor in einer äußerst enttäuschenden Saison seinen Stammplatz. Gerade einmal 276 Minuten stand der Österreicher im Kalenderjahr 2023 auf dem Platz, es seien jeweils "auf den Spieltag bezogene Entscheidungen" von Trainer Daniel Scherning gewesen, lautete die Erklärung des Vereins. Scherning wurde inzwischen entlassen, unter dem neuen Trainer Uwe Koschinat war Prietl wieder als Sechser gesetzt. Sollte er mit einem Neustart zurück in die Spur finden, wäre es ein Gewinn für beide Seiten: Mit Prietl würde andernfalls ein wichtiger Führungsspieler fehlen. Er ging als Co-Kapitän in die Saison, wie der Verein auf 90minuten.at-Anfrage bestätigt, soll er diese Position auch behalten: "Manuel Prietl ist unverändert Mitglied unseres Mannschaftsrates und stellvertretender Kapitän.
Benedikt Pichler – Monatelanges Warten aufs Comeback
Im Sommer 2021 kam Benedikt Pichler von der Wiener Austria nach Kiel, die erste Saison lief mit 12 Scorerpunkten in 26 schon einigermaßen gut. Der Stürmer fand sich in der Tor- und Vorlagenstatistik jeweils in der vereinsinternen Top 3. Auch der Saisonstart im vergangenen Herbst lief nach Wunsch, nach den ersten sieben Runden standen schon vier Scorerpunkte zu Buche – seitdem ist der 25-Jährige aber zum Zuschauen verdammt. Fast 200 liegt Pichlers letzter Pflichtspieleinsatz zurück, er laborierte lange an einer Schleimbeutelentzündung in der Ferse und befindet sich weiterhin im Aufbautraining, aus einem Comeback zur Rückrunde wurde nichts. Holstein Kiel bestätigt auf 90minuten.at-Anfrage: „Er macht gerade Fortschritte, ist wieder auf dem Platz. Aber es wird noch eine Zeit brauchen, bis er wieder bei 100 % ist“. Gegenüber der NDR erklärte Pichler selbst vor einigen Wochen: „Jeder Schritt, der schmerzfrei ist, ist eine Erleichterung. Oft sucht man aber auch unterbewusst danach, die Challenge ist, dass man da mit dem Kopf wegkommt“. Auf wochenlanges Arbeiten im Kraftraum folgt vorsichtige Belastung auf dem Rasen – wann Pichler wieder einsatzfähig ist, steht noch nicht fest.
Marcel Ritzmaier - Aussortiert, dann als Notnagel zurückgeholt
Das Einzige, was beim SV Sandhausen derzeit konstant bleibt, ist die äußerst unangenehme Tabellensituation. Bestes Beispiel für die chaotische Lage beim Zweitliga-Schlusslicht ist ÖFB-Legionär Marcel Ritzmaier. Der 29-jährige Mittelfeldspieler war im Vorjahr zumindest zeitweise Stammkraft, spielte ab Februar 2022 aber nur mehr eine untergeordnete Rolle. Vor wenigen Monaten folgte dann eigentlich der komplette Bruch: Medienberichten zufolge galt Ritzmaier in Sandhausen als aussortiert, er hätte den Verein verlassen können. Die Transferperiode verstrich, der Spieler blieb - und stand prompt zwei Wochen lang nicht mehr im Kader. Es folgte die nächste Kehrtwende: Nach der Verletzung eines Konkurrenten ließ Trainer Alois Schwartz anklingen: "Wir haben mit ihnen Gespräche geführt, dass sie normale Kaderspieler sind, wenn es mit einem Wechsel nicht klappt. Sie kriegen ihre Möglichkeiten, wenn man sie brauchen sollte".
Wenig später war die Ära Schwartz in Sandhausen aber zu Ende - Nachfolger Tomas Oral behielt dessen Linie zwar bei, deutete aber an, dass hinter den Kulissen nicht alles reibungslos verlaufen ist. "Wir sind nicht in einer Situation, in der es von Null losgehen kann. Es gibt gewisse Dinge, die nicht gut waren. Jeder kriegt seine faire Chance, aber sie müssen in Vorleistung gehen", erklärte er auf Ritzmaier angesprochen. Ritzmaier rutschte inzwischen zurück in den Kader, wie lange das so bleibt, ist offen.
Louis Schaub - Nur mehr Reservist in Hannover
Auch Louis Schaub ist im Sommer umgezogen, von Köln nach Hannover - an alte Wirkungsstätte seines Vaters. Einen wirklichen Leistungssprung hat der "Abstieg" in die zweite Liga allerdings nicht gebracht, wirklich Zählbares ist beim Ex-Rapidler in 16 Spielen noch nicht herausgekommen. Schon vor der Winterpause stand Schaub mehrfach nicht mehr auf dem Platz, zum Rückrunden-Auftakt Ende Jänner nicht einmal mehr im Kader. Es sei eine harte Entscheidung gewesen, hatte Trainer Stefan Leitl damals erklärt. Eine Erkrankung und die Geburt seines zweiten Kindes hatten eine weitere Pause zur Folge, bei seiner Rückkehr auf den Platz gelang ihm Ende Februar immerhin das erste Saisontor. Vielleicht gibt es in der laufenden Saison doch noch etwas zu gewinnen. Vom Nationalteam rückt der inzwischen 28-Jährige immer weiter weg, auch den Auftakt der EM-Qualifikation muss er von zuhause verfolgen. Wie es bei Hannover weitergeht, ist inzwischen offen, ein erneuter Abschied im Sommer ist laut Medienberichten zumindest nicht ausgeschlossen. Hannover 96 steckt seit inzwischen vier Saisonen in der zweiten Liga fest, auch in dieser Saison wird sich kein Aufstieg ausgehen.
David Nemeth - Verletzt zur Unzeit
1,3 Millionen Euro ließ sich der FC St. Pauli den österreichischen Innenverteidiger David Nemeth im Sommer 2022 kosten. Der 22-Jährige kam vom Bundesligisten Mainz 05, es war der teuerste Neuzugang der Hamburger seit fünf Jahren. Nachdem ein Muskelfaseriss aus dem Sommer auskuriert war, stieg der Nachwuchs-Teamspieler sofort zum Stammspieler auf. Nach acht Zweitligaspielen kam der Rückschlag: Nemeth laboriert seit Oktober an einer Schambeinentzündung, wann er wieder auf dem Platz stehen kann, ist offen. Das bestätigt St. Pauli auch gegenüber 90minuten.at: "David Nemeth hat eine Schambeinentzündung. Dabei ist es schwer, einen Zeitplan für die Rückkehr aufzustellen, weil Prognosen kaum möglich sind".
Doppelt bitter für den Legionär: In seiner Abwesenheit legt St. Pauli unter Fabian Hürzeler, der vom Co-Trainer zum Cheftrainer befördert wurde, eine beeindruckende Erfolgsserie hin. Acht Siege infolge sind bisher gelungen, damit könnte das Team auch nocheinmal in den Aufstiegskampf einsteigen. Wann Nemeth wieder eingreifen kann, weiß auch Hürzeler nicht - auf einer Pressekonferenz erklärte er zuletzt: "David kann jetzt schon vier Mal in der Woche belasten. Er versprüht eine positive Energie und hat Lust, auf dem Platz zu stehen. Ihm geht es gut und ich habe bei ihm ein gutes Gefühl".
Lukas Hinterseer - Nächster Neuanfang droht
13 Länderspiele hat Lukas Hinterseer zwischen 2013 und 2019 für den ÖFB absolviert - gerade ein Mal mehr kam er in der Saison 2022/23 für seinen aktuellen Verein, Hansa Rostock, um Einsatz. Geplant war es eigentlich ganz anders: Hinterseer kam im vergangenen Sommer von Hannover 96 und wurde mit einem Vertrag bis 2024 ausgestattet, in einer unterdurchschnittlich produktiven Offensivabteilung wäre er mit wenigen Treffern schnell hervorgestochen. Nun liegt Hinterseers letzte torreiche Saison aber schon einige Jahre zurück, das Engagement in Rostock wirkt inzwischen eher wie ein Missverständnis. Ein Blitz-Abgang im Winter wäre zu früh gekommen, nach sechs Spielen auf der Tribüne reichte es zuletzt sogar wieder für zwei Kurzeinsätze - dass Hinterseer in Rostock noch glücklich wird, scheint aber eher unwahrscheinlich. Vielleicht sieht die Sache nach einem Abstieg der Norddeutschen aber auch ganz anders aus. Sollte der 31-Jährige den Verein im Sommer wieder verlassen, müsste er sich nach seinem fünften Arbeitgeber seit 2021 umschauen.