Warum das Aus von Robert Ibertsberger bei der SV Ried nicht überraschend kommt [Exklusiv]
Für große Teile der österreichischen Fußballszene überraschend, gab die SV Ried am gestrigen Tage die Trennung von Cheftrainer Robert Ibertsberger nach nur elf Spielen bekannt. Doch für Insider kommt diese Trennung nicht unbedingt überraschend.
Alles in allem waren die ersten sechs Auftritte der SVR unter Robert Ibertsberger also alles andere als schlecht.
Der 2:0 Auswärtssieg in Pasching war jedoch primär den taktischen Fehlgriffen des gegnerischen Trainers Wieland zu verdanken, der mit seiner Aufstellung sowie Formation der Taktik der Rieder genau in die Karten spielte.
Drei Spieltage vor Saisonende hätte eine solche mögliche Entscheidung auch einen Klaus Roitinger-Gedenk-Charakter gehabt.
Zählt man diese Gründe und den Negativtrend der kollektiven und individuellen Leistungen zusammen, so ist die überraschende Entscheidung des Vorstands doch einigermaßen verständlich.
+ + 90minuten.at Exklusiv - Von Gerald Emprechtinger + +
Am 6. Dezember 2021 wurde der Salzburger als Nachfolger von Interimstrainer Christian Heinle vorgestellt. Der Seekirchner war zuvor bereits von 2010 bis 2017 als Nachwuchsleiter im Innviertel aktiv gewesen, was ein Mitgrund für seine Verpflichtung gewesen war. Vergangene Woche sagte SVR-Sportvorstand Wolfgang Fiala in einem exklusiven Interview mit 90minuten.at noch folgendes: “Wir haben in der Vergangenheit mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg versucht, Cheftrainer zu holen, welche eine Rieder Vergangenheit haben aber trotzdem den Weg wieder zurück schaffen - wie zuletzt auch Robert Ibertsberger.”
Dieser übernahm die SV Ried im Jänner des heurigen Jahres in einer (überraschend) guten Ausgangslage auf dem sechsten Tabellenplatz. Vor der Winterpause betrug der Vorsprung auf das Schlusslicht Altach elf Punkte, gegenüber den ersten Verfolgern um die Qualifikation für die Meistergruppe (Austria, Hartberg) betrug der Vorsprung drei Punkte. Das erste Spiel im Frühjahr war das ÖFB-Cup-Viertelfinale gegen Austria Klagenfurt. Im vermutlich besten Saisonspiel hatten die Kärntner nicht den Hauch einer Chance und die SVR zog hochverdient nach einem 2:0 Sieg ins Halbfinale ein. Im nachfolgenden Auftaktspiel der Bundesliga-Frühjahrssaison in Wolfsberg zeigte man ebenfalls eine beherzte Leistung, lediglich ein gravierender Eigenfehler von Satin sowie ein nicht gegebener Handelfmeter ließen das mit Abstand auswärtsschwächste Team der Bundesliga mit einer 1:2 Niederlage zurück ins Innviertel fahren.
Im ersten Heimspiel des Grunddurchgangs im Jahr 2022 wurde die WSG Tirol in der 1. Halbzeit überrollt, der Pausenstand von 3:0 schmeichelte den Tirolern an diesem Abend sogar noch. Am Ende rettete man nach zwei Gegentreffern in der Nachspielzeit jedoch nur ein knappes 3:2 über die Zeit. Komisch muteten nach diesem Spiel zwei grundverschiedene Interviews von Spielmacher Stefan Nutz sowie von Ibertsberger an. Während der Trainer behauptete, Nutz aufgrund von Müdigkeit ausgewechselt zu haben, behauptete der Spieler das Gegenteil und drückte Unverständnis für seine frühe Auswechslung aus. Im Schlüsselspiel des Restprogramms des Grunddurchgangs ging es erneut nach Kärnten, zum zweiten Mal binnen drei Wochen musste man gegen Klagenfurt antreten. In einem kampfbetonten Spiel trennte man sich mit 1:1 vom Team aus der Landeshauptstadt. Damit kam es zu einem echten Finale gegen Sturm Graz, mit einem Sieg hätte man sich fix und ungeachtet anderer Ergebnisse für die Meistergruppe qualifizieren können.
Wenige Minuten fehlten zum Klassenerhalt und dann...
Im Endeffekt verpasste man nach einem 2:2 gegen die Steirer diesen Einzug nur um wenige Minuten, wobei ein übermotivierter und mit Rot bestrafter Ausflug von Torhüter Samuel Sahin-Radlinger den Knackpunkt in dieser Partie darstellte. Zwischen den beiden letzten Spielen im Grunddurchgang konnte man sich nach einem 2:1 Heimspielsieg gegen Hartberg zum insgesamt vierten Mal für das Finale im ÖFB-Cup qualifizieren. Alles in allem waren die ersten sechs Auftritte der SVR unter Robert Ibertsberger also alles andere als schlecht. Drei Siegen sowie zwei Unentschieden gegen starke Gegner stand eine einzige Niederlage gegenüber. So startete man als Tabellenführer in die Qualifikationsrunde.
Der Vorsprung auf Schlusslicht Altach betrug nach der Punktehalbierung immerhin noch respektable acht Punkte. Doch irgendwie dürfte das knappe Scheitern der Mannschaft einen viel größeren Knacks bereitet haben als zunächst angenommen. Im ersten Spiel der Qualifikationsgruppe kam man in der Südstadt gehörig unter die Räder. Die Admira ging mit 2:0 als hochverdienter Sieger vom Platz, das Ergebnis schmeichelte den Innviertlern gehörig. Doch bereits am zweiten Spieltag hatte man im Heimspiel gegen Altach die Möglichkeit, diesen Ausrutscher wieder auszumerzen und den ziemlich sicheren Klassenerhalt zu fixieren. Ein Sieg gegen die Vorarlberger hätte den Vorsprung zu diesem Punkt auf zehn Punkte ausgebaut. In einem Spiel ohne viele Höhepunkte ging man knapp vor der Halbzeitpause plangemäß durch einen Elfmeter mit 1:0 in Führung. In der 2. Halbzeit konnte man jedoch keine einzige Offensivaktion mehr herausspielen und ging am Ende nach zwei Gegentoren durch Standards sogar noch als Verlierer vom Feld. Diese Niederlage bedeutete gleichzeitig die erste Heimniederlage seit fast einem Jahr. Mit keinem Punkt aus den beiden Auftaktspielen war der Fehlstart also perfekt. Doch ausgerechnet im Derby beim LASK schaffte man den ersten Sieg in der Qualifikationsrunde, der 2:0 Auswärtssieg in Pasching war jedoch primär den taktischen Fehlgriffen des gegnerischen Trainers Wieland zu verdanken, der mit seiner Aufstellung sowie Formation der Taktik der Rieder genau in die Karten spielte.
... kam keine Trendwende
Doch, anstatt eine Trendwende einzuläuten, war die nachfolgende Leistung im dritten Heimspiel der Qualifikationsgruppe wieder ernüchternd, ein 0:0 in einem chancenarmen Duell mit den für längere Zeit torlosen Hartbergern entsprach der Leistung beider Teams. Die 2:3 Niederlage gegen die WSG Tirol am letzten Wochenende war dann in jeglicher Hinsicht verheerend. Nachdem die SV Ried ein 0:1 in ein 2:1 drehen konnte, verabsäumte man mehrfach die Entscheidung gegen einen zu diesem Zeitpunkt angeschlagenen Gegner. Nachdem der gegnerische Trainer Silberberger viel Risiko einging, kamen die Tiroler zu zwei späten Toren und sorgten für fassungslose Gesichter im Innviertel. Alle drei Gegentreffer, vor allem aber der Tiroler Siegtreffer in der Nachspielzeit waren eine Aneinanderreihung mehrerer unglücklicher Entscheidungen und individueller Fehler.
Nach Spielende waren die Rieder Spieler auch zum ersten Mal seit langer Zeit vereinzelten Unmutsbekundungen von frustrierten Anhängern auf der Fantribüne ausgesetzt. Die bis Mitte März hervorragende Saison des Aufsteigers aus der Vorsaison hatte also ein knappes Monat später den bisherigen Tiefpunkt erreicht. Mit nur vier von 15 möglichen Punkten und einem Vorsprung von nur mehr vier Punkten auf den Abstiegsplatz konnte man die Hinrunde der Qualifikationsrunde als ziemlich misslungen verbuchen. Am Osterwochenende kamen dann Gerüchte hinsichtlich einer kurzfristig anberaumten Krisensitzung des Vorstands an die Öffentlichkeit. Diese Krisensitzung des Vorstands besiegelte dann auch das Karriereende von Robert Ibertsberger in Ried. Der Zeitpunkt ist nachvollziehbar, denn es ist vermutlich der einzige noch sinnvolle Zeitpunkt im restlichen Terminplan, um noch neue Impulse an eine mental und sportlich angeschlagene Mannschaft weitergeben zu können.
Ablöse keine Überraschung
Nach dem Rückspiel gegen die WSG Tirol am kommenden Wochenende folgt bereits drei Tage später ein Heimspiel gegen die Admira, bevor man fünf Tage später im Cupfinale gegen die scheinbar übermächtigen Salzburger antreten muss. Eine Trennung nach einem verlorenen Cupfinale wäre in der Öffentlichkeit nicht argumentierbar gewesen. Und drei Spieltage vor Saisonende hätte eine solche mögliche Entscheidung auch einen Klaus Roitinger-Gedenk-Charakter gehabt. Der Jahrhunderttrainer übernahm in der Saison 2002/2003 drei Spieltage vor Saisonende von Gerhard Schweitzer, konnte den Abstieg damals aber nicht mehr verhindern. Doch woran scheiterte Ibertsberger nun in Ried? Zum einen am beinharten Modus der Bundesliga für die Teams in der Qualifikationsgruppe. Es ist kaum vorstellbar, dass man ohne eine Punktehalbierung bei 16 Punkte Vorsprung auf Altach noch zu irgendeinem Zeitpunkt in akute Abstiegsgefahr gekommen wäre. Zum anderen kann sportlich gesehen attestiert werden, dass kein einziger Spieler unter der Ägide von Ibertsberger im Vergleich zu seinem Vorgänger verbessert aufgetreten ist.
Im Gegenteil, der oftmalige Matchwinner Ante Bajic läuft seit einigen Partien seiner Form nach und auch Edeljoker Leo Mikic wirkte zuletzt auf der linken Angriffsseite verloren. Die Liefering-Leihgabe Nene Dorgeles leidet nach einem starken Debüt in Ried ebenfalls schon seit einigen Spielen an Ladehemmung. Dies ist vor allem daran festzumachen, dass die schnellen SVR-Offensivspieler gegen defensiv stehende Gegner nicht so sehr auf ihre Stärken zurückgreifen können wie gegen Gegner, die selber das Heft in die Hand nehmen. Gegen Tirol war zuletzt auch augenscheinlich, dass der gesperrte Top-Assistgeber Stefan Nutz für die SV Ried am Platz nicht ersetzbar ist. Doch auch die Defensive stand zuletzt alles andere als sicher, im Innviertel wird man hoffen, dass der am Samstag verletzt ausgewechselte Abwehrchef Tin Plavotic nicht länger ausfällt. Sogar Torhüter Samuel Sahin-Radlinger, im Herbst oftmals ein Sieggarant für die SV Ried, zeigte zuletzt einige Unsicherheiten bzw. traf die eine oder andere vermeintlich falsche Entscheidung. Davon abgesehen wurden dem Trainer auch immer wieder falsche oder ungenügende Wechsel-Entscheidungen attestiert. Die seltsam anmutenden Ungereimtheiten in Interviews wurden schon an einer früheren Stelle dieses Artikels angesprochen. Zählt man diese Gründe und den Negativtrend der kollektiven und individuellen Leistungen zusammen, so ist die in den Augen der Öffentlichkeit überraschende Entscheidung des Vorstands doch einigermaßen verständlich.
Weiter "Hire and Fire"
Allerdings wird sich das „hire & fire“ Image der SV Ried in punkto Trainerposten damit weiter manifestieren. In den letzten 10 Jahren sah man im Innviertel gleich 13 Cheftrainer (Anm. Fuchsbichler, Angerschmid, Glasner, Kolvidsson, Gludovatz, Benbennek, Chabbi, Weissenböck, Baumgartner, Muslic, Heraf, Ibertsberger, Heinle) kommen und gehen - die weiteren 5 verschiedenen Interimstrainer sind an dieser Stelle nicht einmal einberechnet. Kontinuität sieht anders aus. Mit Christian Heinle übernimmt nun für die letzten fünf Meisterschaftsspiele und das Cupfinale ein alter Bekannter. Der 37-jährige Grieskirchner soll jedoch auch darüber hinaus Cheftrainer in Ried bleiben. Durch die Teilnahme am nächsten UEFA-Pro-Lizenz-Kurs hat der aktuelle Co-Trainer die notwendige Berechtigung dazu. Heinle wird vermutlich wie im Herbst zunächst auf eine Stabilisierung der Mannschaft hinarbeiten, welche auch dringend notwendig ist.
Das schwierige Restprogramm mit drei Auswärtsspielen sowie den Heimspielen gegen die formstarke Admira und das Derby gegen den LASK sprechen derzeit nicht für einen großartigen Punktezuwachs auf das Konto der Rieder. Ein möglicher Abstieg wäre für die ambitionierten Pläne im Innviertel verheerend, daher hat man an diesem Osterwochenende auch vermutlich den letzten Joker für die sportliche Wiederauferstehung in der Qualifikationsgruppe gezogen.