Vorzeigeverein sucht neues Zuhause [Exklusiv]
Steht Torpedo 03 vor dem Aus? Der aus einer Elterninitiative entstandene Verein, den Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer für seine integrative Sozialarbeit immer wieder lobend hervorgehoben hat, muss Ende Juni seine Heimat in Atzgersdorf verlassen. Der Exodus trifft viele Amateurvereine. Denn freie Fußball-Plätze gibt es in der Zwei-Millionen-Hauptstadt Wien weiter keine.
Das wäre ewig schade. Wir müssen das unbedingt vermeiden.
Wir suchen nach einer Chance, nach einem Platz, einem neuen Zuhause, um dieses Projekt, in das wir so viel Herzblut investiert haben, weiterführen zu können.
++ 90minuten.at exklusiv von Michael Fiala ++
Es ist einer dieser vielen traurigen Geschichten, die der österreichische Fußball schreibt und die inmitten der Corona-Pandemie fernab des Scheinwerferlichts des Wiener Derbys über die Bühne gehen. Ein Amateurverein, der mit viel Herzblut, Liebe zu den Kindern und Verständnis fürs Gemeinwohl über die Jahre sukzessive aufgebaut wurde, steht vor dem Aus. In diesem Fall trifft es womöglich Torpedo 03.
Der Verein, der Werte wie Toleranz, Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration über ein Jahrzehnt im Wiener Nachwuchs vorbildlich vorgelebt hat und dafür auch immer wieder medial lobend erwähnt worden ist, kämpft derzeit um seine Existenz in der Steinergasse im 23. Wiener Gemeindebezirk.
Existenzbedrohendes Szenario
Sechs Jahre war Torpedo 03 in Atzgersdorf zu Gast bei Freunden. Nun sollen die beiden Plätze, ein moderner Kunstrasenplatz und ein gut gepflegter, aber großteils ungenützter Naturrasenplatz, auf denen der Österreichische Rugbyverband Hauptpächter ist, mehr im Zentrum des Rugbysports und anderer Sportarten stehen. Wenn das überhaupt noch möglich ist. Die Anrainersituation ist seit Jahren herausfordernd. Gebäude und Umziehkabinen in der Steinergasse sind ruinös. WC und Duschanlagen dürfen deswegen von den Kindern nicht mehr benützt werden. Freie Plätze gibt es in Wien kaum. Und über allem schwebt, wie ein Damoklesschwert, Corona, die größte Unbekannte in dem Spiel.
Für Torpedo ist die Situation in der Zwischenzeit existenzbedrohend. Der Verein, der ursprünglich im 13. Bezirk zu Hause war, hat in seiner kurzen Historie bereits zwei Platzwechsel hinter sich. Gespräche mit dem Rugbyverband über eine längerfristige Untermiete endeten ergebnislos. Die Stadt Wien hat auf Anfrage bislang dem Verein weder eine Unterstützung vor Ort noch eine Perspektive auf andere Sportflächen der Stadt geben können. Was bleibt, ist die Option einer Fusion mit einem anderen Verein oder zuzusperren und das Projekt zu Grabe zu tragen.
„Das wäre ewig schade. Wir müssen das unbedingt vermeiden“, räumt Daniel Kamleitner, Obmann von Torpedo 03, gegenüber 90minuten.at ein. 300 Kinder und Jugendliche, vom Fußball-Kindergarten bis zur Unter 18, würden mit einem Schlag auf der Straße sitzen. Aber nicht nur das: eine Philosophie, ein Erziehungs- und Ausbildungsmodell, das ob seiner Einzig- bzw. Andersartigkeit im Fußball-Milieu für Aufsehen gesorgt und überall Beifall geerntet hat, würde ein abruptes Ende finden.
Torpedo 03 entstand 2003 aus einer Elterninitative, aus einem bunt zusammen gewürfelten Haufen von engagierten und sportlichen Vätern und Müttern, die sich auf ein gemeinsames Ziel eingeschworen haben. Sie wollten ihren Kindern die Freude an der Bewegung, Miteinander auf Augenhöhe, Leidenschaft für Fußball auf liebevolle und spielerische Weise beibringen und sie so ans Leben heranführen.
Das Resultat stand nie im Vordergrund. Wichtig war und ist, ein Gefühl für den andere zu entwickeln, gemeinsam Probleme anzusprechen und zu lösen, und das gleichermaßen für beide Geschlechter. Aus den Kindern sollten nicht notwendigerweise Kicker werden, sondern in erster Linie Persönlichkeiten.
Fußball als Motor für Gemeinwohl
Bei Torpedo sieht man Fußball als Motor für das Gemeinwohl, als gesellschaftlicher Kitt. Der Verein war der beste Beweis dafür, dass Fußball tatsächlich über soziale Grenzen, Alter, Herkünfte und Geschlechter hinweg Brücken schlägt. Der Platz in Atzgersdorf war Vermittlungs- und Kompetenzzentrum für Integration und Diversität. Der aktive Beteiligungsprozess ist Obmann Kamleitner immens wichtig.
Hinzu kam der omnipräsente Gedanke von Nachhaltigkeit und der feste Vorsatz ökologische und soziale Aspekte in das Vereinsleben zu integrieren, soweit das ein Fußballverein eben zulässt.
Aus der Idee wurde rasch Wirklichkeit und so arbeitete sich der Verein von der grünen Wiese, anfangs von einer sprichwörtlichen Spielwiese mit zwei Holzsteckerln als Torpfosten, über Freundschaftsspiele und Turniere bis in die Nachwuchsligen des Wiener Fußballverbandes empor, wo letzte Saison sogar ein Meistertitel bei der Unter 18 gefeiert werden konnte. Das Projekt bekam allerorts Beifall, Zulauf und im Zuge von Flüchtlingskrisen wurde es vor allem Zuhause vieler heimatloser Kinder, die dank Torpedo Halt, Inhalt, Sicherheit, Selbstvertrauen und ein demokratisches Werteraster bekommen haben. Buben wie Mädchen. Denn in der Zwischenzeit investiert der Verein, dem Integration und Gleichberechtigung so wichtig ist, auch in drei Mädchenmannschaften um die sich Niki Staritz, Projektreferentin bei fairplay, zuständig für den Bereich Antidiskriminierung, kümmert.
Fünf vor zwölf: Neues Zuhause gesucht
Noch ist der Zug für Torpedo 03 nicht abgefahren, aber es ist fünf vor zwölf. Vor allem, weil die Nachwuchsmannschaften für nächstes Jahr bis Ende der Saison im Juni beim Verband genannt werden müssen. „Wir suchen nach einer Chance, nach einem Platz, einem neuen Zuhause, um dieses Projekt, in das wir so viel Herzblut investiert haben, weiterführen zu können“, so der Hilfeschrei von Daniel Kamleitner. Bleibt abzuwarten, ob der engagierte Fußball-Lehrer gehört wird.
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