Bundesliga und neuer Modus: Fix zsamm! [Exklusiv]
Derzeit läuft in Österreich die vierte Saison mit dem neuen Ligamodus. Nachdem es anfangs durchaus skeptische Stimmen sowie da und dort ein wenig nervöse Klubverantwortliche gegeben hat, scheint sich das Format mittlerweile durchwegs etabliert zu haben.
Die Ligareform erschwert es durch die frühe Teilung zusätzlich für viele Vereine nachhaltig zu agieren und junge Talente zu fördern.
Für unser Geschäft ist es jetzt nicht irrelevant, aber es hat sich durch den neuen Ligamodus nichts Entscheidendes geändert.
In der ersten und einzigen komplett coronafreien Saison seit der Reform hat man aber sehen können, dass der Spannungsbogen mehr Leute ins Stadion bringt.
+ + 90minuten.at exklusiv von Jürgen Pucher + +
In der Saison 2018/19 war alles neu, in der höchsten Spielklasse Fußballösterreichs. Aus der Zehnerliga wurde eine 12er-Liga und, dem nicht genug, verpassten sich die heimischen Profiklubs auch gleich einen neuen Modus. Nach 22 Runden wird die Tabelle geteilt, die Punkte halbiert und es geht die verbleibenden zehn Runden in zwei Sechsergruppen weiter. Unten Abstiegskampf und Fight um die letzte Europacupchance. Oben geht es um die Schale und die guten Startplätze in Europa. Soweit, so bekannt. Aktuell läuft die vierte Spielzeit im neuen Modus und es ist an der Zeit, eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Gleich vorweg: Sollte eines der Ziele gewesen sein, den Kampf um den Titel mit der Reform spannender zu machen, ist das bis dato nicht geglückt. Am Gewinner der Meisterschaft hat sich, wie in den all den Jahren davor zurück bis 2013, nichts geändert. Seit Red Bull 2005 die Salzburger Austria gekapert hat, gab es überhaupt nur vier Mal einen anderen Meister.
Teilung macht Zwischenhoch
Neben der in Stein gemeißelten Tatsache, dass Red Bull Salzburg Meister wird, wenn nicht ein außergewöhnliches Ereignis eintritt, hat die Ligareform aber natürlich schon einiges an der Dynamik der Meisterschaft geändert. Die Liga erlebt rund um die 22. Runde eine ordentliche Zuspitzung, die sich medial gut verwerten lässt. Kurzfristig gibt es auch einen Zuschauerboom, vor allem, wenn wie in der laufenden Saison noch sehr viele Mannschaften um die verbleibenden Plätze in der oberen Tabellenhälfte rittern. Spannend sind diese Entscheidungsspiele dann außerdem noch und die Liga erlebt ein Zwischenhoch im ansonsten meist faden März. Naturgemäß stimmt der Chef der Bundesliga, Christian Ebenbauer, hier auf 90minuten.at-Anfrage ein: „Das aktuelle Format sehe ich durchwegs positiv. Es bietet deutlich mehr Spannung und eine höhere Anzahl an Spielen mit Entscheidungscharakter. Dieses ständig hohe Niveau hilft den Klubs auch international, wo die Ligareform auch ein Aspekt auf dem Weg zum Rekordhoch in der Fünfjahreswertung war.“ Auch Spielerberater und Ligakenner Max Hagmayr ist nach und nach ein Fan des neuen Formats geworden: „Am Anfang war ich sehr skeptisch, mittlerweile finde ich es aber sehr spannend. Um Red Bull wirklich einzufangen, wird es ohnehin mehr brauchen, als nur den Ligamodus zu verändern. Aber selbst hier hat sich gezeigt: Durch die Teilung kommen die anderen wieder näher heran und der LASK war ja einmal schon wirklich knapp dran.“
Zu Beginn der Reform war allerdings nicht alles eitel Wonne. Es entstand ein wenig Hektik und Planlosigkeit. Vor den Augen vieler Verantwortlicher schwebte die Karotte des ominösen „Strichs“ vor der Nase. Man musste nach 22 Runden unbedingt oben sein, alles andere folgte danach. Mittel- oder gar langfristige Planungen wurden oftmals hintangestellt. In der ersten Saison mit dem neuen Modus etwa haben bis zu Teilung schon acht von 12 Klubs den Trainer ausgewechselt. Ein, zum ohnehin schon recht unmittelbaren Geschäft Fußball, zusätzlicher Stressmomente war da. Die Trennung der Spreu vom Weizen mitten in der Saison wirkte als Verstärker dieser Unmittelbarkeit. Besonders anschaulich hat der SK Sturm in der Saison 2018/19 gezeigt, wie falsch man angesichts des drohenden Abrutschens in die untere Hälfte abbiegen konnte. Roman Mählich wurde als „Feuerwehrmann“ geholt, um irgendwie Platz sechs zu erreichen. Das gelang nicht mit einem grässlich anzusehenden Ergebnisfußball, sondern nur mit Glück. In der Meisterrunde ging Sturm dann mit diesem Gekicke sang- und klanglos unter.
Gewohnheit fördert Ruhe
In Graz hat das in Folge zu einem Reinigungsprozess geführt und man hat sich komplett neu aufgestellt. Trotzdem ließ Sturm-Präsident Christian Jauk noch im Herbst 2021 im 90minuten.at-Interview wissen: „Die Ligareform erschwert es durch die frühe Teilung zusätzlich für viele Vereine nachhaltig zu agieren und junge Talente zu fördern.“ Und er verlangte damals eine Evaluierung des Modus. „Wir sehen das Thema kritisch, auch wenn es den einen oder anderen Vorteil geben mag.“ Liga-Vorstandsvorsitzender Ebenbauer erklärt dazu, dass das neue Format laufend evaluiert und von den Klubs bestätigt würde. Insbesondere dem Argument zur Talenteförderung hält er entgegen, dass die Einsatzzeiten und damit die Entwicklung der jungen Spielern erfreulich sei. „23 Prozent aller Spielminuten wurden in der laufenden Saison im Grunddurchgang von U22-Spielern absolviert – das ist der Höchststand seit 2009“, hält Ebenbauer fest.
Inzwischen hat sich aber ohnehin auch in Graz der Wind gedreht. Sturm-Sportdirektor Andreas Schicker sagt im Gespräch mit 90minuten.at: „Ich bin ein Befürworter des neuen Modus. Es ist spannend und gut für das Produkt Fußball in Österreich.“ In den ersten beiden Saisonen sei alles ein wenig nervös aufgeladen gewesen, mittlerweile hätten sich aber alle daran gewöhnt und die Vereine würden trotz Teilung die Ruhe bewahren. Dazu passt auch die Aussage von Spielerberater Hagmayr, der weitters erklärt: „Für unser Geschäft ist es jetzt nicht irrelevant, aber es hat sich durch den neuen Ligamodus nichts Entscheidendes geändert. Vereine, bei denen es nicht gut gelaufen ist, haben immer verstärkt im Winter versucht etwas zu verändern. Das war vorher so, das ist jetzt so. Dazu sagen muss man außerdem, dass die Transferzeiten, auch wegen Corona, in den letzten Jahren generell ruhiger waren.“ Alles paletti also, in Fußballösterreichs Bundesliga?
TV-Vertrag schlägt Fairness
Da wäre jedenfalls noch das Thema des fairen Wettbewerbs. Fakt ist: Durch die Reform wird jenen Klubs, die in den ersten zwei Dritteln der Meisterschaft gut gearbeitet haben, etwas von ihrem Erfolg genommen. Jenen, bei denen es nicht so gut lief, bekommen durch die Punkteteilung mehr oder weniger eine zweite Chance, die Saison doch noch zum Guten zu wenden. Das mag der Spannung dienen, ein makellos fairer Wettkampf ist der neue Modus nicht. Sturm-Sportchef Schicker kann dem Argument folgen, sieht aber die Vorteile überwiegen. Der Modus sei ja am Ende wieder für alle gleich und große Verschiebungen zum Grunddurchgang würden ausbleiben. Christian Ebenbauer sieht eine Verzögerung der Entscheidung, die ja durchaus gewollt ist. „Es war in den drei Spielzeiten seit der Reform aber noch nicht der Fall, dass aufgrund der Punkteteilung eine wesentliche Entscheidung anders ausgefallen wäre“, ergänzt der Liga-Chef.
Ebenbauer sieht auch einen „kulturellen“ Grund für die Kritik am Wettbewerb. Teilungen, Punktehalbierungen und Play-Offs seien im Fußball nicht so üblich wie etwa im Eishockey oder Basketball. Ganz bewusst sei man in Österreich aber jetzt diesen Weg gegangen, weil die positiven Aspekte nicht von der Hand zu weisen seien. „Die holländische Firma Hybercube, die den Reformprozess beratend begleitet hat, hat ganz klar verdeutlicht, dass sich über kurz oder lang abseits der Top-5-Ligen keine Liga in Europa mehr ein klassisches Hin-/Retour-Modell leisten kann.“ Zum Beispiel Holland, Belgien oder Dänemark würden auch bereits auf zusätzliche Spannungselemente setzen. Nicht zuletzt wäre der für österreichische Verhältnisse gut dotierte TV-Vertrag eine Folge der Ligareform.
Spannungsbogen bringt Leute
Die wesentlichen Beteiligten scheinen also einer Meinung zu sein. Das neue Format der Liga ist nach einem leicht holprigen Start eine Erfolgsgeschichte geworden. Und auch bei den Fans stößt es wohl auf Gegenliebe. Die Zuschauerzahlen in der Runde vor der Tabellenteilung sprechen eine recht eindeutige Sprache, auch wenn bei den Vergleichszahlen generell noch Vorsicht geboten ist. Corona und die Lockdowns hätten bis dato einen validierten Vergleich nicht zugelassen. „In der ersten und einzigen komplett coronafreien Saison seit der Reform hat man aber sehen können, dass der Spannungsbogen mehr Leute ins Stadion bringt“, so Christian Ebenbauer.
Eine erneute Änderung des Modus in der Bundesliga ist also nicht in Sicht. Zwei Drittel der Profiklubs müsste für einen Wechsel sein und im Moment gibt es nicht einmal vereinzelte kritische Stimmen. Außerdem ist der aktuelle TV-Vertrag für dieses Format abgeschlossen und müsste abgeändert werden, was sicher nicht zugunsten der Klubs ausfallen würde. Für eine Aufstockung der Bundesliga auf zum Beispiel 16 Vereine fehlt es zudem an den Basics. Hierzulande würden sich wohl nicht genügend Klubs finden, die die Lizenzkriterien nachhaltig zur Gänze erfüllen könnten. So wie derzeit bei uns gekickt wird, wird es wohl auf absehbare Zeit auch bleiben.
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