Michael Wimmer: Der Last-Minute-Wunschkandidat [Exklusiv]
Austria Wien hat einen neuen Cheftrainer - der Nachfolger von Manfred Schmid leitet schon heute seine erste Trainingseinheit.
Am Ende des Tages wird er zu 99 Prozent nicht mehr für die Austria auflaufen
Ich glaube, jeder Trainerjob ist ein Pulverfass. Wenn ich mir unsicher wäre, würde ich nicht da sitzen.
+ + 90minuten.at PLUS - Aus Favoriten berichtet Daniel Sauer + +
Zwanzig Kandidaten zu Beginn, dann wurden es immer und immer weniger, bis am Ende die "Wunschlösung" Michael Wimmer übrig blieb. Der von Sportdirektor Manuel Ortlechner skizzierte Ablauf der Trainersuche klingt unkompliziert. "Manchmal dauert’s länger, dass man zusammenfindet, aber am Ende sind wir sehr zufrieden" – immerhin. Wenn alles nach Plan läuft, sitzt für die nächsten zweieinhalb Jahre Michael Wimmer – 42 Jahre, aus Bayern – auf der Trainerbank in Wien Favoriten. Ersten Kontakt zwischen ihm und dem Verein gab es kurz vor Weihnachten, eine Einigung dann zwischen den Feiertagen. Viel Erfahrung bringt Wimmer nicht mit: Eine knapp zweimonatige Periode als Interims-Cheftrainer des VfB Stuttgart, zuvor war er als Co-Trainer tätig.
Dafür aber „mega Bock“ auf die anstehende Herausforderung, wie Wimmer in seiner Antritts-Pressekonferenz zu verstehen gab. Fragen beantwortete er mit Ruhe und Gelassenheit, angesichts der negativen Stimmung um den Verein auch kein schlechter Ansatz. Überhaupt ging es eher weniger um den neuen Trainer. Der ist zwar da, grundsätzlich aber für das Geschehen auf dem Platz verantwortlich, das bei der Austria aktuell eine untergeordnete Rolle spielt.
Austria Neu: Frecher Fußball?
Fragen nach der neuen Spielphilosophie – letztendlich ja ein wichtiger Faktor bei der Trennung von Manfred Schmid – wurden vorrangig mit Schlagwörtern beantwortet: Mutiger, frecher und aktiver Fußball soll es werden. Man möchte die richtigen Momente finden, um anzugreifen. "Lieber unbekümmert, als schüchtern und zurückhaltend", so ein erster Erklärungsversuch von Wimmer.
Seine Ziele teilt er in Etappen: Nach einem ersten Kennenlernen der Mannschaft und dem Gewöhnen an die Spielweise soll der Sprung in die Meisterrunde gelingen, dann werden die Ziele neu definiert. Am Kader gäbe es jedenfalls nichts auszusetzen. "Keine Wünsche", meint er zu einer Frage nach möglichen Neuzugängen.
Ausfälle und Abgänge
Ein Transfer dürfte sich bei der Austria jedenfalls schon anbahnen: Verteidiger Billy Koumetio – seit Sommer vom FC Liverpool ausgeliehen – soll nach England zurückkehren. "Sie würden ihn gerne zurückholen. Das Recht haben sie", so Ortlechner. Beim Trainingsauftakt am Dienstagnachmittag wird er jedenfalls nicht mehr dabei sein - ebenso wenig wie ein großer Teil der Defensivabteilung, die Gründe dafür sind aber unterschiedlich gelagert. Angesichts der guten Leistungen des Eigenbauspielers Matteo Meisl ist eine Nachbesetzung nicht unbedingt geplant.
Mit Lukas Mühl, Marvin Martins und Lucas Galvão fallen drei Spieler kurzfristig aus, bei den Kickern der Kategorie "langzeitverletzt" ist nicht mit einer baldigen Rückkehr zu rechnen. Die Personalie Marko Raguž bleibt außerdem weiter ein Thema. Eine Behandlung beim ehemaligen ÖFB-Physiotherapeuten Mike Steverding wurde beendet, jetzt hofft man auf Hilfe aus dem Umfeld des ehemaligen Arztes des FC Bayern Dr. Müller-Wohlfahrt. Eine Rückkehr soll "hoffentlich im Laufe des Frühjahres" möglich sein.
Auch im Trainerteam gibt es Veränderungen: Ahmet Koc kommt als Wimmers Co-Trainer zum Verein, dafür müssen Cem Sekerlioglu und Athletiktrainer Andreas Biritz die Austria verlassen. Nachbesetzt wird vorerst jedenfalls nur intern.
Pulverfass Austria Wien
Aber auch abseits der anhaltenden Verletzungsprobleme kam bisher wenig Euphorie um den neuen Trainer auf. Einzig die Vereinsverantwortlichen waren beim Mediengespräch um Optimismus bemüht. Manuel Ortlechner betonte mehrfach, den Austria-Fans die Angst nehmen zu wollen. Man werde sich nicht zur Kopie eines anderen Vereins entwickeln, sondern vielmehr der eigenen Tradition gerecht werden. "Die Kugel nach vorne schießen und dem Ball nachjagen, das ist nicht Austria Wien".
Derzeit sieht Ortlechner den Verein in einem „Neuerfindungsprozess, auch mit Blick auf die wirtschaftliche Seite. Unseren Weg mit jungen Spielern wollen wir weitergehen, wir wollen sie weiter durchschleusen und ihnen das Leben innerhalb des Vereins erleichtern. Dafür brauchen wir die einheitliche Spielidee". "Das große Ziel ist, permanent in europäischen Bewerben aufzuschlagen".
Wiederholte Fragen nach dem "Pulverfass Austria Wien", der Lizenz und der angespannten wirtschaftlichen Situation blockte der Sportdirektor ab: "Es ist schwierig für den Michael, an seinem ersten Arbeitstag Fragen wirtschaftlicher Natur zu beantworten. Ich würde diese Themen gerne von ihm fernhalten". Der stellte nur soviel klar: "Natürlich bekommt man das mit. Ich glaube, jeder Trainerjob ist auch ein Pulverfass. Wenn ich mir unsicher wäre, würde ich nicht da sitzen". Auch Jürgen Werner, der sich gut gelaunt im Publikum aufhielt, sprang Ortlechner in diesem Punkt zur Seite.
Ungewaschene Schmutzwäsche
Wie auch bereits in der vorweihnachtlichen Pressekonferenz von Jürgen Werner und Vorstand Gerhard Krisch angedeutet, sollen die näheren Umstände der Trennung von Ex-Trainer Manfred Schmid von der Öffentlichkeit ferngehalten werden. Die Differenzen seien sportlicher Natur gewesen, man habe sich freundschaftlich verabschiedet.
Leicht bizarr wirkt deshalb die erneute Erklärung Ortlechners: „Wir haben beim Gespräch am 5. Dezember ausgemacht, dass hier keine Schmutzwäsche gewaschen wird. Das war der Grund, warum ich ein Monat öffentlich von der Bildfläche verschwunden bin". Ob gewaschen oder nicht, Schmutzwäsche dürfte es also jedenfalls geben.