OÖ-Derby: Eine lange Rieder Serie und ein klarer Favorit namens LASK
Das Oberösterreich-Derby zwischen der SV Ried und dem LASK hat eine lange Tradition. Vor dem Aufeinandertreffen am Sonntag könnten die Vorzeichen aber kaum deutlicher sein.
+ + 90minuten.at Exklusiv - Von Gerald Emprechtinger + +
Der 13. März 1999 ist ein signifikantes Datum in den Geschichtsbüchern des Oberösterreich-Derbys zwischen Ried und LASK. Denn vor ziemlich genau 22 Jahren konnten die Linzer zum letzten Mal ein Bundesligaspiel in Ried für sich entscheiden. Christian Stumpf und Brendan Augustine sorgten damals für eine 0-2 Führung, Alexander Jank konnte in der Nachspielzeit nur mehr zum Endstand von 1-2 verkürzen.
Seither gewannen die Innviertler 10 der 12 Heimspiele in der Bundesliga. Auch in der 2. Liga konnten die Linzer in der Zwischenzeit kein Spiel mehr in Ried gewinnen, lediglich im ÖFB-Cup gewann der LASK im März 2002 ebenfalls mit 2-1 in Ried - auch damals traf “Büffel” Christian Stumpf doppelt. In der aktuellen Heimstätte der SV Ried, der josko Arena, welche im November 2003 eröffnet wurde, gewann der LASK somit noch keine Partie.
Das Ende einer langen Serie droht
Am kommenden Sonntag stehen die Vorzeichen für ein Ende dieser vier Jahrzehnte umspannenden Serie vermutlich so groß wie nie zuvor. Dürfen sich die Linzer in dieser Saison noch realistische Chancen auf den Meistertitel ausrechnen, so heißt die Realität für den oberösterreichischen Rivalen im Gegensatz dazu beinharter Abstiegskampf. In der Jahrestabelle von 2021, welche man durchaus auch als Formtabelle verwenden kann, liegt der LASK auf dem 3. Platz, die SV Ried ist Tabellenletzter.
Für die Ergebnisse, welche in diese Jahrestabelle einfließen, ist bei der SV Ried seit Anfang Jänner 2021 der neue Cheftrainer Miron Muslic verantwortlich. Nach über zwei Monaten und acht Spielen wartet der Nachfolger von Aufstiegstrainer Gerald Baumgartner noch immer auf seinen ersten Sieg. Mit nur drei Unentschieden aus acht Spielen liegt sein Punkteschnitt bei mageren 0,375 Punkten pro Spiel. Zum Vergleich: in der jüngeren Vereinsgeschichte weist nur Helgi Kolviðsson mit einem Punkt aus fünf Spielen (0,2 Punkte/Spiel) eine schlechtere Bilanz auf. Der glücklose Isländer wurde 2016 nach nur fünf Saisonspielen beurlaubt und durch das altbekannte Duo Paul Gludovatz und Gerhard Schweitzer ersetzt.
Für die längste sieglose Serie der Rieder in der Bundesliga zeichnet sich übrigens Alfred Tatar verantwortlich. Unter der Ägide des Sky-Experten blieb man in der Saison 2001/2002 zwischen 28. Juli 2001 und 13. Oktober 2001 für elf Spiele ohne Sieg. Co-Trainer von Tatar war damals übrigens ebenfalls ein bestimmter Gerhard Schweitzer. In der Pressekonferenz nach dem 0-4 gegen den Wolfsberger AC in der 20. Runde wurden Muslic bereits ziemlich kritische Fragen von der oberösterreichischen Presse gestellt. So stellte Georg Leblhuber von der 'OÖ Krone' bereits die Frage, “ob er noch der richtige Trainer für Ried sei”. Muslic bejahte dies, allerdings wirkte es bei weitem nicht mehr so entschlossen wie seine Aussagen bei seiner Antritts-PK am 4. Jänner 2021. Dort hatte der gebürtige Bosnier noch gesagt, dass er „keine Angst hat, dass es nicht klappt“.
Ohne Tore keine Siege
Was bei der SV Ried unter Muslic noch überhaupt nicht klappt, ist das Toreschießen. Mit nur drei Toren in acht Spielen hat seine Mannschaft um 100% weniger Tore erzielt als Abstiegskonkurrent Altach, der Mannschaft mit den zweitwenigsten Toren in diesem Zeitraum. Auch die beiden Offensivzugänge im Winter, Patrick Schmidt (Leihe aus Barnsley) und Patrick Möschl (zuletzt vereinslos), konnten bis dato nichts an dieser Situation ändern.
Muslic - früher auch als Co-Trainer, Cheftrainer der zweiten Mannschaft sowie AKA-Trainer im Amt und daher mit den Vereinsstrukturen bestens bekannt - hat bei seinem Amtsantritt eine intakte Mannschaft übernommen. Das letzte Spiel vor der Winterpause gewann die SV Ried nach frühem Rückstand mit 3-1 bei der WSG Tirol - damals unter Interimstrainer Gerhard Schweitzer.
Zu diesem Zeitpunkt betrug der Vorsprung in der Tabelle fünf Punkte auf Altach und sechs Punkte auf die Admira. Der Rückstand zur Meistergruppe lag bei nur vier Punkten. Mittlerweile ist der Vorsprung auf diese beiden Teams auf einen bzw. drei Punkte geschmolzen, die Qualifikation für die Meistergruppe ist schon lange nicht mehr möglich. Nach der Halbierung der Punkte, welche nach dem 22. Spieltag durchgeführt wird, geht die SV Ried also nach derzeitigem Stand in einer Art Dreier-Pattsituation in die Qualifikationsrunde.
Kaderplanung mit Quantität statt Qualität
Bei einer Suche nach den Gründen für den schlechten Lauf der SV Ried gibt es mehrere zentrale Faktoren. Bei einem Blick auf den Kader sticht sofort die inhomogene Kaderzusammenstellung hervor. Als Beispiel dafür kann man die Position des rechten Verteidigers nennen. Die nominellen Rechtsverteidiger Manuel Kerhe und Balakiyem Takougnadi müssen sich derzeit mit Plätzen auf Bank bzw. Tribüne abfinden, doch auch für “Notlösung” Luca Meisl ist es nicht seine natürliche Position und durch Stellungsfehler, wie etwa beim 0-1 gegen den WAC, erzeugt er mehr Not als Lösung.
Die zentral-defensiven Neuzugänge Daniel Offenbacher, Murat Satin und Markus Lackner konnten bis dato zu keinem Zeitpunkt überzeugen oder die Mannschaft verstärken und finden sich derzeit ebenfalls meistens nur auf der Tribüne wieder.
Sadam Sulley, im September von Ex-Trainer Baumgartner noch als “Wunschstürmer” bezeichnet, hat noch kein Saisontor erzielt und fällt regelmäßig verletzt aus. Seth Paintsil ist bei Muslic aufgrund mangelhafter Trainingsleistungen in Ungnade gefallen und hat im Frühjahr noch keine Einsatzminute erhalten. Auch Manuel Haas kommt kaum zu Einsätzen. Marcel Canadi hat den Sprung von der 2. Liga in die Bundesliga in punkto Spielgeschwindigkeit (noch) nicht wirklich geschafft.
Bis auf Samuel Sahin-Radlinger im Tor und Michael Lercher auf der Position des Linksverteidigers hat somit kein einziger Neuzugang aus dem Sommer die Startelf verstärkt. Wenn von 14 Neuzugängen nur zwei einschlagen, dann ist dies ist für die sportliche Entwicklung eines Aufsteigers nicht wirklich förderlich.
Denn spielte der Aufsteiger in die Bundesliga früher in der Premierensaison meistens im oberen Drittel der Tabelle mit, so haben sich die Vorzeichen seit der Ligareform drastisch geändert. So stiegen die Meister aus 2018 (Wacker Innsbruck) und 2019 (WSG Tirol) sportlich umgehend wieder ab - die WSG spielt heuer nur aufgrund des Zwangsabstiegs von Mattersburg weiterhin erstklassig.
Späte Kaderplanung durch Aufstiegskrimi
Eine Mitschuld an der inhomogenen Kaderplanung ist der dramatischen Entscheidung in der 2. Liga zuzurechnen. Die SV Ried konnte effektiv Anfang August mit der Kaderplanung für die Saison 2020/2021 beginnen – das Aufstiegsrennen gegen Austria Klagenfurt wurde nämlich erst am letzten Spieltag (31. Juli) durch das 9-0 gegen den FAC entschieden.
Finanzielle Mittel für echte Verstärkungen waren aufgrund der vorherrschenden Parameter rund um Corona und den drei ungeplanten Jahren in der 2. Liga nur begrenzt vorhanden. Doch mit der Transfertaktik “Quantität statt Qualität” hat man sich nicht unbedingt einen Gefallen getan. Denn bei einem 27-Mann-Kader kann man kaum verhindern, dass es auch unzufriedene Spieler gibt. Diese Unzufriedenheit mancher arrivierter Spieler könnte dem Abstiegskampf noch eine zusätzliche negative Komponente verleihen.
Eine weitere Rolle spielt das Spielkonzept von Muslic, welches mit dem vorhandenen Spielermaterial nur bedingt kompatibel ist. Unter Baumgartner war das Spiel zumeist reaktionär und die Devise war safety first.
Muslic hingegen will “aktiv und aggressiv spielen”. Man will bei Ballgewinn schnell nach vorne spielen, darunter leidet allerdings das Passspiel, weil die technischen Fähigkeiten teilweise mangelhaft sind. So enden die meisten Angriffsversuche, bevor sie überhaupt richtig angefangen haben. Beim 1-1 in Hartberg lag die Passquote bei 52%, beim 0-1 bei Rapid gar nur bei 48% - dies sind absolut horrende Werte.
Unbeachtet dessen werden die Zeiten für Miron Muslic rauer, auch wenn er sich der aktuellen Situation bewusst ist und die 0-4 Heimniederlage gegen den WAC nicht beschönigen wollte, sondern als verdiente und schlampige Niederlage bezeichnete.
So sprach der neue Rieder Geschäftsführer Rainer Wöllinger unmittelbar nach dem Spiel gegen den WAC davon, dass man selber perplex sei, der Druck jetzt da sei und die Situation kritisch sei. Ein Krisengespräch am Montag nach dem Spiel gegen den WAC hat ergeben, dass Muslic zwar deutlich angezählt ist, allerdings noch zumindest bis zum Ende des Grunddurchgangs auf der Rieder Trainerbank sitzen dürfte.
Eine vorzeitige Entlassung von Muslic wäre auch einem Schuldeingeständnis der Rieder Führungsriege rund um Wöllinger und Sportchef Wolfgang Fiala gleich gekommen - immerhin hatte man Muslic den Medien nach den Absagen von Thomas Grumser und Ronald Brunmayr als “Wunschkandidaten” präsentiert.
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Lesetipp: SVR-Insider über den gegenwärtigen Zustand der Rieder
Steht Gerhard Schweitzer einmal mehr ante portas?
Sollte die Mannschaft im OÖ-Derby am kommenden Wochenende ein Heimdebakel erleiden und/oder anschließend das letzte Spiel im Grunddurchgang in Altach verlieren, werden die Spatzen vermutlich wieder einmal den Namen Gerhard Schweitzer von den Rieder Dächern pfeifen. Der 57-jährige Fußballlehrer, dessen Name in diesem Artikel schon mehrfach gefallen ist, wird in regionalen Fachkreisen auch als “Graue Eminenz” bezeichnet.
Er hat heuer in zwei interimistischen Spielen an der Seitenlinie (4-3 gegen Rapid, 3-1 bei WSG Tirol) für sechs Punkte, sieben Tore und die beiden mit Abstand attraktivsten Saisonspiele der SV Ried gesorgt. Insofern wäre es nicht verwunderlich, wenn man ihn bei einem weiteren negativen Saisonverlauf wieder einmal zum Interimstrainer bestellen würde.
Denn ein sofortiger Abstieg wäre ein enormer Dämpfer für den Profifußball im Innviertel. Die drei (nicht geplanten) Versuche bis zum Wiederaufstieg haben viele finanzielle und personelle Ressourcen gekostet. Und wie schon eingangs erwähnt, ist das finanzielle Gefälle zwischen Bundesliga und 2. Liga seit der Ligareform riesig. Und wie schwierig ein Aufstieg in die Bundesliga ist, sieht man nicht nur am Beispiel der Rieder, sondern auch heuer am Beispiel Wacker Innsbruck.
Auswärts hui, in Pasching pfui
Ganz anders als in Ried ist die Gemütslage beim LASK. Vergangene Woche konnte man sich nach einem 1-0 beim WAC zum ersten Mal seit 1999 für das ÖFB-Cupfinale qualifizieren, wo man auf den Titelverteidiger aus Salzburg trifft. Mit einem Cupsieg könnte man den ersten Titel seit 1965 fixieren, als die Mannschaft das Double aus Meisterschaft und Cup in die Stahlstadt holte. Außerdem könnte man in punkto Cupsiegen mit dem Rivalen aus Ried gleich ziehen, die Innviertler halten durch ihre Siege in den Jahren 1998 und 2011 nämlich bei zwei Titeln.
Auch in der Liga läuft es nach einem holprigen Start in das Frühjahr mit Heimniederlagen gegen die WSG Tirol und Rapid wieder. Vier der letzten fünf Spiele konnte man gewinnen, lediglich ein überraschendes 1-2 gegen Hartberg trübt das Bild. Generell fühlen sich die Linzer seit der Rückkehr nach Pasching offenbar nicht mehr wohl im Bezirk Linz-Land. Im Gegensatz zu den drei Heimniederlagen weist man in der Fremde nämlich noch eine weiße Weste auf, auch wenn das Zustandekommens des 1-0 in Altach in der 20. Runde doch etwas glücklich war.
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Lesetipp: So sieht ein LASK-Kenner die Entwicklung seines Vereins
Im ersten OÖ-Derby der Saison ließen die Linzer den Riedern nicht den Hauch einer Chance. Das (sehr defensive) Defensivkonzept von Gerald Baumgartner erwies sich als falsche Taktik gegen das Offensivpressing des LASK und wurde durch ein Traumtor von Thomas Goiginger nach 22 Minuten zum ersten Mal geknackt. Der Endstand von 3-0 war für die Rieder am Ende noch ziemlich schmeichelhaft - mit Fans im Rücken hätte man in der 2. Halbzeit vermutlich weniger Gänge zurückgeschalten und einen Kantersieg eingefahren.
Dass SR Altmann in dieser Partie keine einzige Gelbe Karte für die unterlegenen Rieder zeigen musste, hatte auch eine nicht zu unterschätzende Aussagekraft. Zu wenig konnte man sich vom Dauerdruck der Linzer befreien, zu groß war der Klassenunterschied auf dem Platz. Wenn man die Wachablöse im oberösterreichischen Fußball an einem Spiel ausmachen will, dann war diese Partie perfekt dazu geeignet. War die SV Ried viele Jahre lang (sportliche) Nummer 1 in Oberösterreich, so hat sich dieses Bild seit der Saison 2016/2017 um 180° gedreht. Damals musste Ried aus der Bundesliga absteigen und der LASK kehrte zeitgleich nach langer Abstinenz ins Oberhaus zurück.
Mehrere Jahrzehnte agierte der Landeshauptstadtclub deutlich unter seinem Potential, egal ob auf dem Platz oder in der Führungsriege. Seit der Übernahme durch die “Freunde des LASK” geht es allerdings fast nur bergauf, man ist nicht nur unangefochtene Nummer 1 im Bundesland, sondern hat auch den Status als absolute Topmannschaft in der Bundesliga gefestigt. Die teilweise beeindruckenden Auftritte in der Europa League haben nicht nur für viel Lob und Prestige, sondern auch dafür gesorgt, dass man die Schlüsselspieler halten konnte. Diese Schlüsselspieler im Kader des LASK sind ein großer Faktor für die seit Jahren konstant guten Leistungen des Vereins.
Egal ob Alexander Schlager im Tor, Gernot Trauner und Philipp Wiesinger in der Defensive, Peter Michorl im zentralen Mittelfeld, oder Thomas Goiginger und Reinhold Ranftl am Flügel. Sie alle spielen mittlerweile schon seit vielen Jahren zusammen und haben sich beim LASK fast durchwegs zu ÖFB-Teamspielern gemausert. Dazu kommen immer wieder kluge Transfers wie heuer die Leihe von Johannes Eggestein aus Bremen, der den Ausfall des am Kreuzband verletzten Marko Raguz größtenteils vergessen macht.
Wechselte man früher als Topspieler außerhalb Wiens noch zu Rapid, zur Austria oder ins Ausland, so scheint sich diese Entwicklung deutlich geändert zu haben. Der Weg des LASK geht scheinbar unaufhaltsam nach oben. Mit Ausnahme des öffentlich geführten Streits rund um einige “Freunde des LASK” und die Baukosten der neuen LASK-Arena herrscht bei den Linzern daher aktuell wenig überraschend eitel Wonne.
Beide können den Sieg gut brauchen
Es können also beide Klubs positive Nachrichten brauchen, die Innviertler logischerweise um einiges mehr. Und es würde auch ein Stück jüngerer österreichischer Fußballgeschichte zu Ende gehen - nämlich, dass der Landeshauptstadtklub im Innviertel seit mehr als zwei Jahrzehnten kein Ligaspiel mehr gewinnen kann.