„Auf diese Weise macht man den Unterbau im österreichischen Fußball kaputt“

Das Format der neuen 2. Liga sorgt seit der Vorstellung für Diskussionen. Es gibt Statistiken und Daten – aber was die Fans dazu? 90minuten.at hat sich umgehört.

Eine Reportage von Georg Sander

 

Ein Sommerabend in Wien-Floridsdorf. rund 550 Schaulustige beobachten das 2. Liga-Spiel Floridsdorfer AC gegen den Kapfenberger SV. Durchaus eine traditionsreiche Begegnung. Bereits in der Staatsligasaison 1951/52 trafen diese Teams erstmals aufeinander. Dann noch einmal im Cup 1970 und 2010. Seit 2014/15 spielen beide Vereine in der zweithöchsten Spielklasse, es fühlt sich aber nicht so an. Die Haupttibüne in Jedlesee könnte in jedem Dorf Österreichs stehen, eine provisorische Stahlrohrkonstruktion steht hinter dem einen Tor. Es liegt Surschnitzerl-Duft in der Luft, das kühle Bier lässt so manchen Zuschauer Dinge sagen, die vielleicht 1951 in Büchern standen. Heute sollte das nicht mehr so sein und das Bier keine Ausrede. So oder so ähnlich hat die 2. Liga im Sommer österreichweit angefangen.

Es fühlt sich insgesamt sehr erdig an, was hier auf und neben dem Rasen geboten wird. Es ist vielleicht diese Drehscheibe, von der die Bundesliga immer wieder redet. Manche Kicker haben durchaus das Vermögen, weiter oben zu spielen. Andere eher nicht. Wer die Stadien in Floridsdorf, Kapfenberg oder Amstetten kennt, weiß, dass die höchste Spielklasse mehr als einen Aufstieg entfernt ist. An manchen Orten wie in Ried oder auf der Gugl in Linz spürt man die Nähe des Premiumprodukts wohl schon. Die Gegenwart für alle Vereine lautet aber: 2. Liga. 90minuten.at hat sich nun, einige Monate nach der Einführung der neuen Liga, bei Fans umgehört, wie sie ein paar Monate nach dem Kick-off zu dieser Liga stehen.

 

Was hat sich gebessert?

„Eigentlich hat sich nichts gebessert, aus meiner Sicht als Besucher des FAC-Platzes“, erzählt Christian, seit Jahren am Platz, Das liege aber eher am Verein, der keinerlei Ambitionen hegt, irgendwann in näherer Zukunft in die Bundesliga aufzusteigen. Das schlägt sich in den Besucherzahlen nieder. Über 1.000 waren es 2014, das hat sich halbiert. Für die SV Ried gilt das mit den Ambitionen nicht. Die Innviertler wären gerne oben. Ried-Blogger Gerald fährt sehr oft zu Heim- und Auswärtsmatches und findet das neue Format aus einem gewissen Blickwinkel har nicht so schlecht: „Die Reduktion von 36 auf 30 Spieltage macht bestimmte Spiele wieder interessanter. Es gibt heuer beispielsweise für Ried-Anhänger nur mehr eine Chance auf ein Heim- und eine Chance auf ein Auswärtsderby in Linz und nicht wie bis dato zwei.“ Das zahlt sich auch aus, die Rieder führen die Zuschauertabelle überlegen an, auch wenn der Aufstieg diese Saison mäßig realistisch ist.

Von der Tabelle her bessere Chancen hätte Blau Weiß Linz, die aber neulich den Aufstiegsverzicht verkündeten. Für Fan Richard ist das kein Problem: „Für Blau-Weiße ist die neue Liga eigentlich ganz gut. Unsere Umwandlung von einem quasi-Familienbetrieb zu einem Profiklub ist noch nicht völlig fertig und in der alten 10er-Liga war unsere Position dadurch schnell sportlich prekär. Mit dem fließenderen Übergang ist die Situation für Blau-Weiß komfortabler und druckloser geworden.“ Ein Grund dafür sei eben das neue Format: „Die Lockerung der Kriterien führt auch dazu, dass sich Vereine mit großer Fanbasis, aber begrenzten finanziellen Mitteln wieder ins öffentliche Bewusstsein spielen können: Vorwärts Steyr ist wieder zurück, nächste Saison kommen eventuell der GAK und der FC Dornbirn dazu. Das ist durchaus bemerkenswert.“

 

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Auf diese Weise macht man den 'erdigen und bodenständigen Unterbau' im österreichischen Fußball kaputt

Gerald, Ried-Fan

Was wurde schlechter?

Hier führt Gerald die TV-Übertragung an, die von Sky zu Laola1 und ORF ging und punkto Qualität nicht mitkommt sowie den „Wegfall der TV-Gelder. Vereine mit ambitionierten Zielen wie etwa Ried, Austria Lustenau oder Wiener Neustadt haben dadurch in dieser Saison massiv abspecken müssen. Der Millionenunterschied zwischen Bundesliga und 2. Liga wird in Zukunft einen noch deutlicheren Qualitätsunterschied zwischen den Teams beider Ligen bewirken.“ Hinzu kommen die kleineren Vereine, wie Richard anmerkt: „Klar, zuhause bringen Lafnitz, Horn und ab nächste Saison eventuell auch Ebreichsdorf durchaus gute Kulissen zusammen, aber die Auswärtsfahrtätigkeiten beschränken sich auf ein Minimum, was die Attraktivität der Liga drastisch drückt. Wenn ich als Rieder, Linzer und Lustenauer Gelegenheitsfan ein Spiel gegen Horn oder Lafnitz besuche und es gibt überhaupt keine Stimmung aus dem Auswärtssektor ist das einfach kein gutes Spektakel und ich komme vermutlich eher nicht mehr wieder.“

Die abgespeckte Präsenz führt laut den Fans auch dazu, dass man weniger über seine Vereine lese. Auch die Statistiker würden nicht so auf ihre Kosten kommen.

 

Was sollte unbedingt geändert werden?

Aus Fansicht sollten die Zweitvertretungen verschwinden, da sind sich alle einig. „Die haben in der 2. Liga nichts verloren. Weder sind diese Mannschaften attraktiv für die Anhänger anderer Vereine, noch bringen sie selber Zuschauer mit. Nicht umsonst liegen die vier genannten Teams in der Zuschauertabelle abgeschlagen am Ende“, erklärt es Gerald. Ganz klipp und klar sagt es Statistikfreund Richard: „Dass Zweitvertretungen niemanden interessieren ist die einzige Konstante, die sich auf der ganzen Welt und quer über alle Sportarten durch die Statistiken zieht.“

Noch einmal Gerald: „Auf diese Weise macht man den 'erdigen und bodenständigen Unterbau' im österreichischen Fußball kaputt, wie der Bundesligavorstand Herovits dies selber bezeichnet.“ Einen interessanten Aspekt bringt auch noch FAC-Fan Christian mit in die Diskussion: „Meiner Meinung altern dort die Zuseher aus.“ Da ist es eine Frage, ob etwa 10:30-Termine der richtige Weg sind, um die jungen Fans zurück auf die Plätze der 2. Liga zu bringen. Es sei zudem insgesamt fraglich, wie eine finanziell derart ausgedünnte Liga einen kompetitiven Aufsteiger stellen soll.

 

Alle drei Fans werden weiterhin Spiele besuchen, so wie es gegenwärtig aussieht auch in der nächsten Saison. Sie würden sich zudem wohl über das eine oder andere neue Gesicht freuen. Es wäre dann das letzte Mal für dieses Jahr. Mit einem kann diese Runde nicht aufwarten: Mit einem Duell, das erstmals vor einer halben Ewigkeit stat fand.

 

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