Paul Wanners Entscheidung wurde ein weiteres Mal vertagt. Der hochtalentierte 18-Jährige spielt in seiner ersten echten Bundesligasaison als Profi groß auf, der 1. FC Heidenheim erweist sich aktuell als richtige Bühne zum richtigen Zeitpunkt - nach Ablauf der Leihe mit Saisonende geht es zurück zum FC Bayern.
Offen ist hingegen, wie es auf Nationalteamebene weitergeht. Der ÖFB und allen voran Ralf Rangnick würden den Sohn einer Österreicherin und eines Deutschen lieber früher als später in Rot-Weiß-Rot sehen, die Pole-Position besetzt aber nach wie vor der deutsche Verband. Wanner könnte am Freitagabend zu seinem Debüt für die U21 des DFB kommen.
Sollte er Österreichs Nationalteam tatsächlich durch die Finger gehen, würde er sich in eine Liste mit bekannten Namen einreihen. 90minuten stellt sie vor:
Platz 8: Adis Jasic
Noch bevor er für Österreichs U21 debütieren durfte, stand Außenverteidiger Adis Jasic unter Teamchef Ralf Rangnick 2022 schon auf der Abrufliste für das A-Nationalteam. Der 21-Jährige ist beim WAC seit Jahren gesetzt und zählt zu den größten Talenten, die nicht bei einem der heimischen Topklubs unter Vertrag stehen. Sollte er im Winter bei den Kärntnern bleiben, wird Jasic in der Saison 2024/25 sein 100. Bundesligaspiel absolvieren.
Eine Teamkarriere für den ÖFB ist aber so gut wie ausgeschlossen. Im Frühjahr 2023 hat Jasic seine Entscheidung bekanntgegeben, künftig für Bosnien-Herzegowina spielen zu wollen. Für seine neue Nationalmannschaft wurde er seitdem allerdings noch nicht einberufen.
Platz 7: Jonathan Schmid
Nach einer glücklosen Episode in Lustenau lässt Jonathan Schmid - inzwischen 34 Jahre alt - seine Karriere in Luxemburg ausklingen. Der in Straßburg geborene Sohn eines Österreichers war kein klassischer Spätstarter, als 21-jähriger Startelf-Debütant für einen abstiegsbedrohten SC Freiburg im Jahr 2011 aber auch nicht sofort der logische Kandidat fürs Nationalteam. Schmid konnte vorne wie hinten sowohl auf dem linken, als auch dem rechten Flügel spielen - mit Christian Fuchs, György Garics und Marko Arnautović, nicht unbedingt die größten ÖFB-Baustellen.
Wenig später war das Interesse aus Österreich dann doch groß: Mit 17 Scorerpunkten in der Saison 12/13 und ähnlichen Zahlen in den beiden Folgejahren gelang der Sprung aufs rot-weiß-rote Radar. Bereit wäre Schmid jedenfalls gewesen, Gespräche mit ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner gab es auch. Zur unüberwindbaren Hürde wurde das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht: Die Eltern des Spielers waren nicht verheiratet, es hätte deshalb einen entsprechenden Antrag vor seinem 18. Geburtstag gebraucht, um von einem vereinfachten Verfahren zu profitieren. Letztlich verliefen die Bemühungen um eine Einbürgerung im Sand, Schmid blieb Franzose.
Platz 6: Andy Hunt
In einer ersten Reaktion hielt ein ÖFB-Pressesprecher Andy Hunts Bewerbung für einen "guten Gag". Der damals 27-jährige Stürmer wäre im Jahr 1998 gerne für Österreich aufgelaufen und wurde im Jänner bei Teamchef Herbert Prohaska vorstellig. Hunt stand zu dieser Zeit in Diensten des englischen Zweitligisten West Brom, mit 11 Toren nach 25 Ligaspielen war die Bilanz der ersten Halbsaison ansprechend. Ein Vereinswechsel zu Charlton Athletic brachte den Engländer mit einer österreichischen Großmutter wenig später sogar in die Premier League.
Bei Herbert Prohaska stieß Hunt auf wenig Gegenliebe, den Vorzug hatten Ivica Vastić, Mario Haas und Toni Polster. Letzterer nahm Stellung zum Engländer: "Wenn er alle Strophen der Bundeshymne singen kann, können wir über seine Einbürgerung reden." Aufgeschlossener war Teamchef Otto Barić, der unter anderem Ronald Brunmayr und Tomislav Kocijan spielen ließ. Aus einer Einbürgerung oder einem Länderspiel-Einsatz für Österreich wurde aber trotzdem nichts: Hunt musste seine Karriere 2001 aufgrund gesundheitlicher Probleme beenden, in seinen letzten 52 Erst- und Zweitligaspielen gelangen 28 Tore.
Platz 5: Moritz Leitner
Beim gebürtigen Münchner Moritz Leitner hatte der ÖFB schon früh einen Fuß in der Tür. An der Seite von Stefan Lainer und David Alaba gab der damals 15-jährige Mittelfeldspieler 2008 sein Debüt für die rot-weiß-rote U17, damals hatte er nur die österreichische Staatsbürgerschaft. Nach dem Wechsel aus der Jugend des TSV 1860 zu Borussia Dortmund ging es dann aber schnell: Der Sohn einer Steirerin wurde 2010 unter Mithilfe des DFB eingebürgert und einige Jahre später immerhin U21-Kapitän. Mit der Aussage "Fußball spiele ich in und für Deutschland. Und so wird's auch bleiben", machte Leitner 2011 die ÖFB-Türe zu.
Auch auf Vereinsebene lief es zunächst gut: Das Talent kam zu Einsätzen unter Jürgen Klopp, wurde Meister und Pokalsieger. Für die große Karriere hat es trotzdem nicht gereicht: Leitner hatte zuerst mit Verletzungen, dann mit mangelnder Spielpraxis zu kämpfen. In seiner wohl besten Saison als Profi gelang 2019 der Premier League Aufstieg mit Norwich City, seit 2022 ist der heute 31-Jährige vereinslos.
Platz 4: Ashley Barnes
Es hätte sportlich wohl gut gepasst. Nach dem Karriereende von Marc Janko im Jahr 2019 war Österreich im Sturm dünn aufgestellt, als Reaktion wurde Lukas Hinterseer reaktiviert, Christoph Monschein kam zum Debüt. Zur selben Zeit war Ashley Barnes in der Form seines Lebens: Im Kalenderjahr 2019 traf der robust gebaute Engländer in der Premier League über 34 Spiele 15 Mal.
Barnes wurde beim ÖFB schon ein Jahrzehnt früher vorstellig und kam ohne Staatsbürgerschaft, aber dank einer Sondergenehmigung bei einem U20-Freundschaftsspiel testweise zum Einsatz. Das Management des damals unerfahrenen 18-Jährigen hatte sich beim Verband gemeldet, eine österreichische Großmutter verbindet Spieler und Land. Später geisterte Ashley Barnes immer wieder durch österreichische Medien: Er selbst gab an, für den ÖFB spielen zu wollen. Der ÖFB bekundete Interesse an eine Einbürgerung. Am Ende legte sich die Politik im Frühjahr 2019 quer, damit war die Akte geschlossen. Nutznießer war Michael Gregoritsch, der sich wenig später als Stammkraft festspielen konnte.
Platz 3: Sandi Lovrić
Sandi Lovrić kam als 16-Jähriger zu seinem Debüt für Sturm Graz, der Mittelfeldspieler galt lange als großes Talent. 10 Jahre später spielt er - nach einer Zwischenstation beim FC Lugano - für Udinese Calcio in der Serie A. Lovrić hat alle ÖFB-Nachwuchsteams zwischen U16 und U21 durchlaufen, unter Franco Foda, mit dem er schon in Graz zusammengearbeitet hat, wurde er aber nie für die A-Nationalmannschaft nominiert.
So wurde der slowenische Verband auf ihn aufmerksam, seine Eltern stammen aus Österreichs Nachbarland. Gegenüber Medien erklärte ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel zum Nationenwechsel damals: "Ich finde es persönlich schade". Über die letzten vier Jahre hat der heute 26-Jährige 36 Länderspiele für Slowenien absolviert und war Teil des letzten EM-Kaders.
Platz 2: Alan
Es wäre spektakulär gewesen, keine Frage. Losgetreten hat der gebürtige Brasilianer Alan die Geschichte vor elf Jahren selbst, im Interview mit der Sportwoche deutete er an: "Vielleicht spiele ich ja irgendwann für Österreich. Ich fühle mich sehr heimisch hier". ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner zeigte sich interessiert, was durchaus nachvollziehbar ist: Als Sturmpartner von Jonathan Soriano gelangen dem damals 24-Jährigen über die Saison 2013/14 beeindruckende 57 Scorerpunkte in 46 Spielen. Marcel Koller hätte sich wohl über die Offensiv-Verstärkung gefreut.
Der ÖFB brachte das Projekt engagiert auf den Weg, nach fünf Jahren mit Hauptwohnsitz in Österreich wären die Staatsbürgerschaft samt Nationenwechsel ab Ende 2015 greifbar gewesen. Bezahlt gemacht haben sich die Bemühungen nicht: Alan ging im Jänner des Entscheidungsjahres für 11 Millionen Euro nach China und wurde dort später zum Nationalspieler. Ruttensteiner zeigte sich enttäuscht: "Es ist schade, weil wir sehr viel aufgewendet und daran gearbeitet haben."
Platz 1: Steffen Hofmann
Auch am langjährigen Rapid-Kapitän Steffen Hofmann hat sich der ÖFB die Zähne ausgebissen. Er hätte - mit Blick auf die Euro 2008 - gerne für Österreich gespielt, Teamchef Hans Krankl hätte ihn gerne nominiert. Mit wechselhafter Intensität lieferten sich DFB und Österreichs Verband bis Mitte 2005 ein Duell um den damals 24-Jährigen, theoretisch ging der Zuschlag dann an den ÖFB.
Die Bundesregierung hätte einer Einbürgerung zugestimmt, Hofmann einen Antrag gestellt - den Strich durch die Rechnung machte die FIFA. Drei Spiele für Deutschland bei der U17-WM 1997 waren nach damaliger Ansicht des Weltverbandes zu viel, auch eine Altersgrenze war bereits überschritten. Die Fehleinschätzung der Situation seitens des ÖFB bezeichnete Generalsekretär Alfred Ludwig später als "größten Fehler seiner Karriere". Inzwischen wurden die Regeln für Verbandswechsel deutlich erleichtert.