‚Ich kann nicht erkennen, was an der Kommunikation peinlich war‘

So wenig Fans wie noch nie kommen derzeit in die Red-Bull-Arena. Salzburg-Geschäftsführer Jochen Sauer hat einige Problemfelder erkannt. Bei einem wichtigen Thema fehlt jedoch die öffentliche Selbstreflexion. Georg Sander hat nachgehakt.

 

Die Salzburger Fußballafficionados, die mit Red Bull kein Problem haben, sind ja irgendwie zu verstehen. Da sitzt der Klub auf einem riesigen Sparschwein, der jahrelang etwas von der Champions League erzählt und schon wieder heißen die Gegner nicht Bayern München, Real Madrid oder Chelsea FC, sondern eben nur und wenigstens Krasnodar, Schalke und Nizza.

 

Ralf Rangnicks Offensivpressing und die dazu gehörige Philosophie wird von Salzburg angenommen. Doch Jahr für Jahr steht Salzburg vor dem gleichen Problem: Trotz Lippenbekenntnissen und einem Haufen Geld gehen sie alle: Mané, Kampl, Alan, Sabitzer, Keita; die offensiven Glanzpunkte. Gulacsi, Ilsanker, Hinteregger, Ramalho, Schmitz, Bernardo; nicht einmal die Defensivakteure bleiben. Mit dieser Elf wäre es wohl eher etwas mit der Champions League geworden. Und: Was sind schon acht von zehn nationalen Titeln in den letzten fünf Jahren gegen eine einzige Champions League-Teilnahme?

 

Jochen Sauer Gepa Pictures Red Bull Jochen Sauer (Foto: Gepa Pictures / Red Bull)

 

Doch Salzburg-Geschäftsführer Jochen Sauer sieht das anders. „Ob die von den Fans erhoffte Teilnahme an der Champions League positive Auswirkungen auf die Zuschauerzahlen in der Bundesliga hätte, ist mehr als fraglich“, sagt Sauer auf Anfrage von 90minuten.at und holt aus: „Als Red Bull im Jahr 2005 in Salzburg eingestiegen ist, war das etwas ganz Besonderes und eigentlich eine Sensation, weil sich Red Bull erstmals überhaupt im Fußball engagiert hat. Da wollte natürlich jeder mit dabei sein und das Neue sehen. Zudem war auch das Stadion mit einer Kapazität von 18.500 etwas kleiner. Diese automatische Verknappung des Angebotes in Kombination mit der damaligen Transferpolitik, ehemalige Stars nach Salzburg zu holen, und der Sensation des Red Bull Einstieges hat zu einem außergewöhnlichen Hype geführt und die Zuschauerzahlen zunächst in die Höhe schnellen lassen.“

 

„Stadion eigentlich zu groß“
„Durch die Euro 2008 wurde dann das Stadion um den Oberrang erweitert und in der ersten Saison 2008/09 wollten viele Fans auch die Europameisterschaftsarena sehen. Im Jahr danach gingen die Zuschauerzahlen dann schon deutlich zurück und man muss sagen, dass die Red Bull Arena für den Bundesliga-Betrieb und für die Größe der Stadt Salzburg eigentlich zu groß ist“, meint Jochen Sauer. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Kapazität von 18.500 Fans vor der Euro 2008 wurde (siehe Statistik) auch nie auch nur annähernd ausgeschöpft. Klar verlieren sich 12.000 Fans in einem knapp 30.000 Menschen fassenden Stadion mehr. Aber ein Schnitt von zum Teil unter 10.000, wie in den erfolgreichen Schmidt-Jahren sieht auch in einer kleineren Arena eher mau aus.

 



 

Sauer erkennt richtig, dass das mit den Zuschauerzahlen – Rapid ausgenommen – ein genereller Trend ist. „Es liegt zum einen an der nicht optimalen Infrastruktur etlicher Bundesliga-Stadien. Auch dass die Fans aufgrund der 10er-Liga selten neue Mannschaften zu sehen bekommen, ist ein Mitgrund.“ Freilich begrüßt man in Salzburg da die Reform, die ab 2018/19 zwei weitere Klubs in die Liga bringen wird. „Der Bundesliga würden Klubs wie der LASK oder Wacker Innsbruck sicherlich gut tun.“ Der Spannung im Allgemeinen ein neuer Modus natürlich auch.

 


Salzburgs europäisches Dilemma
Doch das ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit über die Salzburger Fans. Sauer: „Auch wenn wir natürlich mit der Zuschauerzahl im Europa League-Spiel gegen Krasnodar nicht zufrieden sein können, muss man sagen, dass es „leider“ keinen großen Unterschied zu den Besucherzahlen der Spiele der vergangenen Jahre gegen z.B. Giurgiu, Esbjerg oder Posen gibt. Gegen das polnische Team waren übrigens deutlich weniger Fans (Anm.: 5.300 am 16.12.2010) im Stadion. Selbst gegen Teams wie Paris St. Germain oder Athletic Bilbao 2011/2012 waren keine 10.000 Zuschauer im Stadion.“

 

Für Sauer geht es bis zu einem gewissen Punkt mit dem Anspruch des Publikums: „Insgesamt muss man sagen, dass das Salzburger Publikum durch die sehr erfolgreichen Jahre in der Bundesliga inzwischen sehr anspruchsvoll ist und mit enorm hoher Erwartungshaltung ins Stadion kommt. Nur erfolgreich Fußball zu spielen reicht nicht aus. Wenn wir nicht attraktiv spielen und ein Spektakel bieten, dann nützen sie sehr schnell den Raum für alternative Freizeitaktivitäten, von denen es in Salzburg jede Menge gibt.“ Das ist aber kein Salzburger Einzelfall. Denn auch in Wien konkurrieren die Fußballklubs mit beispielsweise Eishockey und einem breiten Kultur- und Freizeitangebot. Rapid schafft das, die Austria nicht.

 

Den Turnaround schaffen – aber wie?
Red Bull Salzburg hat für die Liga aber durchaus ambitionierte Ziele: „Unser Ziel ist es, die Marke von durchschnittlich 10.000 Zuschauern, und da spreche ich von verkauften Karten, dauerhaft und nachhaltig zu knacken.“ Trotz der aktuell sehr schwachen Zahlen wähnt man sich in Salzburg auf einem guten Weg: „Wir fokussieren uns bereits seit vier Jahren darauf, besonders Kinder und Jugendliche als Zielgruppe der Stadionbesucher anzusprechen. Das funktioniert bisher sehr gut. So konnten wir die Mitgliederzahl in unserem Bullidikidz-Klub seit 2012 von ca. 900 auf 7.500 erhöhen und haben den Familiensektor in der Red Bull Arena inzwischen im Durchschnitt mit rund 40 Prozent ausgelastet.“

 

Eine Konzentration auf Kinder, Jugendliche und Familien scheint aus Salzburger Sicht sehr sinnvoll zu sein. „Kinder und Jugendliche gehen eher unbelastet an die Diskussion Austria Salzburg/FC Red Bull Salzburg heran“, ist sich Jochen Sauer sicher. Denn die Kommunikation nach außen bzw. die Außendarstellung ist schon seit Heinz Hochhausers „Es gibt keine Archiv“-Sager aus 2005 zum Teil im besten Fall als unglücklich zu bewerten. Hierbei geht Sauer in die Defensive: „Dinge, die vor meiner Zeit und vor vielen Jahren in Salzburg geschehen sind, kann und will ich nicht kommentieren/beurteilen.“ Aber da gibt es genug Neues. Etwa die Transferpolitik, die zuletzt und exemplarisch anhand des Bernardo-Transfers zu Leipzig heiß diskutiert wurde.

 


Es fehlt an (öffentlicher) kritischer Selbstreflexion
„Ich kann aber nicht erkennen, was an der Kommunikation peinlich war“, meint Sauer, „beim Bernardo-Transfer galt es, die Interessen aller beteiligten Parteien – vom FC Red Bull Salzburg, von Bernardo und von RB Leipzig – wenige Tage vor Ende der Transferzeit unter einen Hut zu bringen. Dass der Transfer vor dem Rapid-Spiel verkündet wurde, war keine Frage unglücklicher Kommunikation, sondern eine Notwendigkeit aufgrund der klaren Entscheidung des Spielers.“ Oder die Meistersterndiskussion: „Jeder Klub hat Themen, bei denen es im Umfeld und bei den Fans unterschiedliche Auffassungen gibt, so wie es bei uns im Zusammenhang mit der Sterndiskussion der Fall ist.“ Zumindest in diesem Bereich dürfte es Sauer und dem Klub an (öffentlicher) Selbstreflexion fehlen, denn genau diese Themen sind vielen Salzburg-Fans in den vergangenen Wochen sauer aufgestoßen und haben die Motivation der Fans deutlich sinken lassen. (Siehe auch: "Wer möchte Fan von so einem Verein sein")

 

Die richtigen Schlüsse ziehen
„Auch wir haben aus den Abläufen des Bernardo-Transfers gelernt und unsere Schlüsse gezogen“, sagt Sauer; genauso, wie man sich auf Kinder, Jugendliche und Familien konzentrieren möchte. Ein bisschen mehr Polarisierung in den sozialen Medien könnte ein weiterer Schritt in diesem Konzept sein. Aber da kommt generell auf die Bullen wohl noch viel Arbeit zu, um sich auch nur annähernd wieder in Zuschauerschnittregionen zu bewegen, die es schon einmal gab.

 

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