‚Sohn einer Hure': Sanktionen gegen Schmähgesänge kommen

Lautstarke, diskriminierende Schmährufe sollen im Stadion bald der Vergangenheit angehören. So will es die Bundesliga. Gelingen soll dies über eine Ausweitung der Sanktionen. Von Georg Sander

 

Ein lauer Herbstnachmittag im Wiener Prater, Ende September. Im Meisterschaftsspiel Rapid Wien gegen Red Bull Salzburg bricht die 83. Minute an. Es steht 0:0, Rapid ist in der zweiten Halbzeit vom Sieg weit entfernt, einem Unentschieden dankbar. Der vierte Offizielle hält die Tafel zur Auswechslung an der Seitenlinie hoch. Neben ihm steht Massimo Bruno, Salzburgs Millioneneinkauf. Er wird wenige Sekunden später das 1:0 für Red Bull schießen. Vom Feld muss nun Ex-Rapidler Marcel Sabitzer. Aus den Blöcken C und D des Happel-Ovals hört man: „Marcel Sabitzer Sohn einer Hure". Stadionsprecher Andy Marek verzichtet auf die Aufforderung, solche Gesänge zu unterlassen.

 

Rapid: "Nicht förderlich für das Image"

„Diese Art von Schmährufen sind für das Image des Vereins nicht förderlich", heißt es in einem Statement von Rapid-Pressesprecher Peter Klinglmüller gegenüber 90minuten.at. „Das ist mehr als unbefriedigend und schadet dem Produkt", sagt dazu Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer. Schenkt man dem Kurier-Kollegen Stephan Blumenschein Glauben, so schmerzte der Gesang Mutter Sabitzer sehr, wie er auf Twitter weiß. Image-Schaden, Produktbeschädigung und am schlimmsten persönlichen Kränkung. Das rufen solche diskriminierenden Gesänge hervor. Aber würde dieser unter Fans weit verbreitete und „beliebte" Gesang finanzielle Sanktionen rechtfertigen, wie beispielsweise bei offenem Rassismus?

 

Es ist noch nicht allzu viel Wasser die Donau entlang geflossen, da war das Klima in den Stadien rauer. Gerade bei Wiener Derbys flogen Rassismus und Antisemitismus zwischen Hütteldorfer und Favoritner Anhängern hin und her. Gerade Legionäre wurden oftmals von Fanblocks lautstark diskriminiert. In dieser Ausprägung hört man das im Jahr 2014 nicht mehr. Das registriert die Bundesliga laut Vorstand Ebenbauer: „Wir sind, was Rassismus und Extremismus betrifft, recht gut aufgestellt. Es gibt wenig bis gar keine Vorfälle." Da können Boulevardmedien die Wahrheit noch so sehr verdrehen, spät aber doch reagierte beispielsweise der FK Austria Wien. Aber „40 Austria-Nazis stürmen türkisches Kulturzentrum" (28.10.2013, oe24.at) ist dann nicht mehr die Wahrheit. Seit Ende Jänner 2013 waren die „Fans" von „Unsterblich" kein offizieller Fanclub, rund 20 Personen erhielten Hausverbot.

 


Rassismus und Antisemitismus nicht mehr geduldet

Es scheint sich durchgesetzt zu haben, dass Rassismus und Antisemitismus nicht mehr geduldet werden. „Jetzt treten vermehrt Unmutsäußerungen gegen Einzelne oder Familienmitglieder auf", meint Ebenbauer. Im ersten Schritt soll aber der Dialog gesucht werden. „Wir setzen auf Kommunikation und Aufklärung", gibt Rapids Peter Klinglmüller zu Protokoll. „Leider sind Schmährufe dieser Art bei Spielern, die zu einem direkten „Rivalen" wechseln, überall auf der Welt möglich und kommen auch vor", wird von Klinglmüller weiter ausgeführt. „Man darf nicht verlangen oder glauben, dass der SK Rapid hier ein Patentrezept findet, dies von heute auf morgen abzustellen."

 

Freilich muss auch die Realität anerkannt werden, zwischen Altach und Mattersburg. „Im Normalfall ist die Unterstützung der eigenen Mannschaft ohnehin ausgesprochen gut", so Klinglmüller, „dass es aber bei Fußballspielen immer wieder auch zu Äußerungen gegen andere Klubs, Spieler oder Schiedsrichter kommt und kommen wird, ist auch Fakt." Der Fußballplatz, das wird in Diskussionen immer wieder betont, ist eben nicht die Oper und Fußball lebt von Emotionen. Als Positivbeispiel, das führt Ebenbauer an, fungiert zumeist der Wiener SK. Dort sind Schmähungen aller Art weitgehend verpönt. Aber: „Man kann schon 'Hebtsas euch für Malmö auf' sagen." Der Schlüsselpunkt – und irgendwie ein Ratschlag des Bundesliga-Vorstandes – ist: Sarkasmus, Ironie und Witz.

 

Sanktionen werden kommen

Doch die Rute steht im Fenster. „Im Paragraf 6 der Stadionverbotsrichtlinien der Österreichischen Fußball-Bundesliga ist unter Punkt s) angeführt, dass rassistisches bzw. diskriminierendes Verhalten Stadionverbot für einen Zeitraum von 6 Monaten bis 10 Jahren nach sich ziehen kann. Für Fehlverhalten seiner Fans wird darüber hinaus auch in Österreich der Klub mit Strafen belegt", führt wiederum Peter Klinglmüller an. Das wird vermutlich ausgeweitet werden, eben auf Schmähgesänge. „Seit Sommer haben wir die Spielbeobachter aufgefordert im Spielbericht vermehrt auf so etwas zu achten", stellt Ebenbauer klar, „Es ist traurig, aber ich bin mir sicher, dass spätestens mit nächstem Sommer eine Bestimmungsänderung kommen wird."

 

Über den Fans und deren Fanarbeit hängt also vermutlich ab Sommer auch für die individuellen Beschimpfungen das Damoklesschwert von Strafen. Die Vereine sollen über die Stadionanlage mitwirken. Was soll dann alles geahndet werden? Ebenbauer: „Wir vergleich mit allgemeinem Recht: ACAB wird nicht verurteilt. Die Frage ist: Wie weit kann man gehen, was ist Karikatur oder Satire? Es wird sich über die Einzelfälle eine Linie herauskristallisieren."