Zwei Spiele, 44 Stunden, 1.000 Kilometer Autofahrt [Exklusiv]
Schiedsrichter Walter Altmann wurde für zwei Spitzenspiele innerhalb von 48 Stunden eingeteilt, muss dabei rund 12 Stunden im Auto sitzen und mehr als 1.000 Kilometer zurücklegen. Für den ÖFB ist das kein Problem.
Wie der ÖFB mit den eigenen Fehlern umgeht, ist mittlerweile skandalös und verärgert nicht nur die Fans, sondern immer öfters Bundesliga-Klubs, Funktionäre aber auch gute Teile der Schiedsrichter selbst.
Altmann pfeift also zwei Spiele auf allerhöchstem Niveau innerhalb von 44 Stunden und legt dabei mehr als 1.000 Kilometer zurück, sitzt dabei (ohne Stau oder Pausen) 12 Stunden im Auto.
Es wird bei den Besetzungen darauf geachtet, die Belastungen der Schiedsrichter bestmöglich zu steuern und Einsätze mit wenig Regenerationszeit nur gut dosiert vorzunehmen.
++ 90minuten.at exklusiv von Michael Fiala ++
Es war am Donnerstag, kurz vor 23:00 Uhr, als Walter Altmann das Cup-Halbfinale zwischen Sturm Graz und dem LASK abgepfiffen hat. Die Grazer stehen nach dem 1:0-Sieg verdienterweise im Finale und treffen dort auf Rapid. Altmann selbst hat das Spiel souverän geleitet; einen Schiri-Aufreger gab es nicht.
Das kann man schon durchaus betonen, weil all zu oft steht das österreichische Schiedsrichterwesen unter der Leitung des ÖFB in der Kritik. Wie zum Beispiel in der vergangenen Bundesliga-Runde, als dem LASK ein Tor durch den VAR Christian-Petru Ciochirca aberkannt wurde, weil es angeblich Abseits war. Die Abseitslinie, die auf den TV-Bildern zu sehen war, wurde jedoch deutlich zu weit hinten gezogen. Ein „Darstellungsfehler“, so der ÖFB. Den Gegenbeweis – also ein Bild mit der korrekten Abseitslinie - hat der ÖFB bisher nicht angetreten. Dass der „zuständige VAR-Mann Christian-Petru Ciochirca offiziell alles richtig gemacht hat, dennoch vom Cup-Spiel Rapid gegen Ried am Mittwoch kurzfristig abgezogen wurde. Sicher ein Zufall“, >>berichten die Oberösterreichischen Nachrichten.
Oder: Das Spiel Hartberg gegen Lustenau. Ob das Foul in der 48. Minute in oder außerhalb des Strafraums passiert ist, darüber kann man ja noch diskutieren. Was jedoch mehr als bemerkenswert (oder auch befremdlich) ist: Mit keinem einzigen Wort erwähnt wurde der Umstand, dass das Foul jedenfalls einen Eingriff des VAR Julian Weinberger erfordert hätte, weil der Verteidiger als letzter Mann eingegriffen hat und man es als Torraub hätte werten müssen. In der Aussendung des ÖFB wurde der VAR von jedem Fehler freigesprochen und der mögliche Torraub einfach unter den Teppich gekehrt. Sprich: Der Torraub wurde erst gar nicht erwähnt.
Wie der ÖFB mit den eigenen Fehlern umgeht, ist mittlerweile skandalös und verärgert nicht nur die Fans, sondern immer öfters Bundesliga-Klubs, Funktionäre aber auch gute Teile der Schiedsrichter selbst. Zu den eigenen Fehlern zu stehen wäre das Mindeste, was man erwarten kann.
Altmann mehr als 1.000 Kilometer auf Reisen
Doch kommen wir zurück zu Walter Altmann. Der 38-jährige Schiedsrichter, der in Österreich zu den besten seiner Zunft zählt, hat sich das Halbfinale sicherlich verdient. Es kommt ja nicht oft vor, dass die großen Stadien im Cup-Bewerb voll sind. Altmann kommt aus Wörgl. Für das Cup-Halbfinale am Donnerstag musste Altmann 401 Kilometer anreisen, GoogleMaps spuckt eine Reisezeit ohne Pausen von 4:15 Stunden aus.
Dass das Match aufgrund der medizinischen Behandlung später angepfiffen wurde, konnte man natürlich nicht wissen. Genauso gut hätte es aber auch eine Verlängerung inklusive Elfmeterschießen geben können. Man musste also damit rechnen, dass Altmann inklusive Spielnachbereitung bis (nach) Mitternacht im Einsatz ist.
Die gleiche Distanz durfte Altmann nach dem Match am Freitag nach Wörgl zurücklegen. Bereits heute darf Altmann wieder in sein Fahrzeug steigen und nach Lustenau fahren, wo er das Bundesliga-Spiel zwischen der Austria und Altach leiten wird. Fahrzeit: 2:40 Stunden, 236 Kilometer Entfernung.
Oder in Zahlen formuliert: Altmann pfeift also zwei Spiele auf allerhöchstem Niveau innerhalb von 44 Stunden und legt dabei mehr als 1.000 Kilometer zurück, sitzt dabei (ohne Stau oder Pausen) 12 Stunden im Auto. Verantwortlich für die Einteilung der Schiedsrichter beim ÖFB ist Thomas Steiner.
Drei Tage Pause für Kicker
Fußball-Profis werden übrigens davor geschützt: Bundesliga-Spiele dürfen nach einem Europacup-Match nicht innerhalb von zwei Tagen aufgrund der offenbar notwendigen Regeneration stattfinden. Wenn also eine Mannschaft am Donnerstag Europacup spielt, kommt diese frühestens am Sonntag wieder zum Einsatz.
Abgesehen davon, dass Altmann nicht so wie die Spieler mit dem Bus oder Flieger chauffiert werden. Und abgesehen davon, dass es seit vielen Jahren eine Regelung im ÖFB gibt, die es Schiedsrichtern untersagt, im Zeitraum von 48 Stunden vor einem Bundesliga-Match im eigenen Landesverband zu pfeifen: Altmann hätte also beispielsweise ein (fiktives Match) der Tiroler Landesliga Ost zwischen Jenbach und Bruckhäusl am Donnerstag nicht pfeifen dürfen aufgrund seiner Einteilung für ein Bundesliga-Match am Samstag. Das Cup-Halbfinale am Donnerstag spät Abends und das Vorarlberg-Derby am Samstag sind aber offenbar kein Problem.
„Besonderen Situationen“
„Die Besetzung eines Schiedsrichters im genannten Zeitabstand ist möglich, wird aber tatsächlich nur in besonderen Situationen so gehandhabt. So kommt es durchaus vor, dass Schiedsrichter, die am Donnerstag in der UEFA Europa League oder Conference League im Einsatz waren, am Wochenende auch für ein Spiel in der heimischen Liga besetzt werden“, heißt es dazu vom ÖFB auf Anfrage von 90minuten.at, warum Altmann zwei Spiele innerhalb dieser kurzen Zeitspanne zugeteilt bekommt. „Durchaus“, wie es der ÖFB formuliert, ist sicher ein dehnbarer Begriff, aber laut 90minuten.at-Recherchen kommt es so gut wie nie vor, dass ein Schiedsrichter am Donnerstag Europacup pfeift und dann am Samstag gleich wieder im Einsatz ist.
Walter Altmann wurde, so der ÖFB weiters, aufgrund seiner zuletzt gezeigten ausgezeichneten Leistungen für das brisante und für beide Teams ungemein wichtige UNIQA ÖFB Cup Halbfinale zwischen dem SK Sturm Graz und dem LASK nominiert. „Weiters wurde er auch für das Vorarlberg-Derby besetzt, weil er nicht nur mit seinen Fähigkeiten als Spielleiter überzeugt hat, sondern auch mit seiner körperlichen Leistungsfähigkeit.“
„Bestmöglich zu steuern“
Und ist man beim ÖFB der Meinung, dass man von Schiedsrichtern die volle Leistungsfähigkeit erwarten kann, wenn man diese in dieser kurzen Zeitspanne pfeifen lässt? „Es wird bei den Besetzungen darauf geachtet, die Belastungen der Schiedsrichter bestmöglich zu steuern und Einsätze mit wenig Regenerationszeit nur gut dosiert vorzunehmen.“
Warum aber Walter Altmann innerhalb von zwei Tagen zwei Spitzenspiele mit rund 1.000 Kilometer eigener Fahrleistung absolvieren darf bzw. muss, lässt der ÖFB in seiner Antwort jedoch offen. Bleibt eigentlich nur eines zu hoffen: Dass der 38-jährige Tiroler die Strapazen gut verkraftet und das Spiel zwischen Lustenau und Altach genauso souverän leiten wird, wie jenes zwischen Sturm und dem LASK. Auf dem Spiel steht der Abstieg: Schließlich geht es ja „nur“ darum, welcher Klub in der kommenden Saison möglicherweise in der 2. Liga kicken wird.