Inseraten-Causa: „Sehen Vorwürfe gegen Milletich bestätigt“ [Exklusiv]
Die „Inseraten-Causa“ rund um ÖFB-Präsident Gerhard Milletich zeigt: Das ÖFB-Präsidium ist gespalten, der Druck auf den Burgenländer bleibt aufrecht. Und: Seine Gegner fahren auch am Tag danach schwere Geschütze auf und kündigen weitere Schritte an.
Aus meiner Sicht, soweit ich diese Informationen kenne, rechtfertigt es die Vorwürfe.
Wenn man, so wie der ÖFB, keine klare Compliance-Richtlinie hat und das Aufsichtsorgan nicht vom Führungsorgan trennt, wird es aus emotionaler Sicht immer Interpretationsspielräume bei dieser Thematik geben.
Die Causa bezüglich der medialen Vorwürfe wurde in der Präsidiumssitzung gut gelöst. Für mich ist alles geklärt. Es ist so wie es ist und es ist so zu akzeptieren (...). Für mich gibt es da momentan nichts zu überlegen."
Wenn Milletich der Meinung ist, das diese Vorwürfe nicht stimmen, muss er das (Anm. gegen News und/oder Kurier klagen) tun.
Wenn Milletich nicht in den nächsten 14 Tagen die Klage einreicht, werden wir die nächsten Schritte setzen
++ 90minuten.at PLUS – eine exklusive Recherche von Michael Fiala ++
Angesagte Revolutionen finden selten statt: Auch am Samstag, dem Tag nach der ÖFB-Präsidiumssitzung ist Gerhard Milletich im Amt. Einen Rücktritt gab es nicht, aber auch keinen Misstrauensantrag aufgrund der medial in „News“ und „Kurier“ erhobenen Vorwürfe, wonach der Burgenländer sein Amt im Fußballverband für die Akquise von Inseraten genützt haben soll.
Es dauerte auch nicht lange und wenige Stunden nach der Sitzung kamen neue Informationen an die Tagesoberfläche. Dieses Mal waren es die „Oberösterreichischen Nachrichten“, die einen Teil der Korrespondenz von Milletich in einem Artikel öffentlich machten. In einer E-Mail schrieb Milletich an einen ÖFB-Sponsor: "... wie du sicher weißt bin ich in meinem Brotberuf Verleger und gebe diverse Magazine heraus. Einige Titel sind sicher auch für euer Haus interessant. Kannst du mir bitte die oder den Zuständigen für Werbung in eurem Unternehmen nennen, damit ich direkt Kontakt aufnehmen kann ... Für deine Unterstützung im Voraus dankend sende ich liebe Grüße ..."
Wie 90minuten.at in Erfahrung bringen konnte, ging es dabei um eine Mail an Sponsor Uniqa. Milletich selbst legte diese Mail in der Sitzung vor, bezeichnete diese als „ungeschickt“.
Doch wie geht es jetzt weiter? Ist die Sache erledigt und kann sich der ÖFB den wirklich wichtigen Themen wie Aspern oder Energiekostenexplosion widmen? Oder braucht es eine Reform der Struktur und wie fest sitzt Milletich überhaupt im Sattel?
„Es rechtfertigt die Vorwürfe“
Für Oberösterreichs Fußballpräsident Gerhard Götschhofer – er hat Milletich damals vor einem Jahr nicht gewählt - ist die Sache jedenfalls nicht ausgestanden. Angesprochen auf die in den OÖ Nachrichten publizierte Mail: „Ich bin der Meinung, dass diese Nachricht, die man heute in den Oberösterreichischen Nachrichten lesen konnte und auch gestern von Präsident Gerhard Milletich selbst vorgelegt wurde, ein Beleg für die Vorwürfe sind, die man ihm medial gemacht hat. Aus meiner Sicht, soweit ich diese Informationen kenne, rechtfertigt es die Vorwürfe.“
Aus Sicht von Götschhofer müsse man dabei „bitte auch beachten, dass Milletich selbst die Unterlagen vorgelegt hat, dh. an der Echtheit dieser Mail ist meiner Meinung nach nicht zu zweifeln.“ Götschhofer habe jedoch gestern akzeptieren müssen, dass die Mehrheit im Präsidium dies derzeit anders sehe. „Es gibt unterschiedliche Meinungen im Präsidium und damit muss ich genauso leben wie andere mit meiner Meinung leben müssen.“
Götschhofer erwartet sich von Milletich nun auch nächste Schritte. „Wir hören so oft, vor allem in der Politik: ‚So sind wir nicht.‘ Gerhard Milletich hat, so habe ich es vernommen, in der Sitzung gesagt, dass er gegen die medialen Vorwürfe klagen wird. Man wird sehen, ob er diesen reinigenden Schritt auch wirklich gehen wird. Wichtig ist, dass man nicht den Eindruck erweckt, dass gewisse Themen unter den Teppich gekehrt werden.“
Der Oberösterreicher zeigt sich zudem enttäuscht, dass sich Milletich gestern nicht für sein Verhalten entschuldigt habe. „Der Präsident hätte gestern natürlich auch die Möglichkeit gehabt, „Mea Culpa“ zu sagen. Damit wäre das Thema möglicherweise auch schneller vom Tisch. Ich habe gestern jedoch keine Entschuldigung wahrgenommen.“
Und hat der ÖFB wegen dieser Causa bisher Schaden genommen, immerhin gab es sogar einen Beitrag in der ORF-Sendung „Zeit im Bild“? Götschofer: „Allein, dass dieses Thema in der ZIB ein Thema ist, zeigt ja bereits die Dimension.“
„Führungsstruktur ist Suboptimal“
Ein anderes Thema bringt Bundesliga-Aufsichtsratsvorsitzender Philip Thonhauser auf: „Für mich setzte diese Problematik viel früher an: Wenn man, so wie der ÖFB, keine klare Compliance-Richtlinie hat und das Aufsichtsorgan nicht vom Führungsorgan trennt, wird es aus emotionaler Sicht immer Interpretationsspielräume bei dieser Thematik geben.“
Für Thonhauser ist die „Führungsstruktur und -kultur im ÖFB suboptimal. Es ist logisch, dass dadurch früher oder später moralische Fragen ans Tageslicht kommen.“ Thonhauser sieht dabei die Bundesliga als Vorbild. „Hätten wir einen reinen Aufsichtsrat, der nicht operativ tätig ist in Kombination mit vollberuflichen Vorständen, dann hätten wir dieses Thema nicht. Dass ein ÖFB-Präsident bei den Antrittsbesuchen bei Sponsoren mit dabei ist, wäre dann nicht notwendig und es gäbe zumindest hier keine Vermischung. Es kann nicht sein, dass die nach außen gerichtete Exekutive auch die nach innen gerichtete Legislative ist.“
Daher werde die aktuelle Diskussion mit Sicherheit nicht enden und weitergeführt werden, „weil es eben eine Moralfrage ist, und da kein richtig oder falsch gibt.“
„Klage ist notwendig“
Für Johann Gartner, Vertreter aus Niedderösterreich, ist gestern zumindest geklärt worden, dass es keinen strafrechtlichen Tatbestand gibt. Das stand zumindest medial aber auch nicht zur Diskussion. Gartner: „Es wurden Kopien der Korrespondenz und der Rechnungen vorgelegt, die bestätigt haben, dass es sich um langjährige Beziehungen gehandelt hat. Es war für mich wichtig, dass Milletich den zeitlichen Ablauf aufgezeigt hat.“
Angesprochen auf den Mailverkehr mit der Uniqa meint Gartner: „Die Korrespondenz mit der Uniqa, die jetzt auch durch die OÖ Nachrichten öffentlich gemacht wurde, ist natürlich nicht geschickt. Milletichs Begründung war, dass die zuständige Person bei der Uniqa gewechselt hätte und er dadurch nachgefragt hat. Warum er selbst das Mail geschrieben hat und nicht seine Tochter, wie es eigentlich damals bei der Wahl von Milletich gesagt wurde, dass sie die Geschäfte beim Verlag führt, bleibt natürlich offen.“
Klar ist für Gartner, dass die von Milletich angekündigte Klage jetzt auch umgesetzt werde. „Das ist auch schon allein für die Außendarstellung des ÖFB wichtig.“
„Alles geklärt“
Wie groß die Spannweite der Interpretation des gestrigen Tages ist, beweist Wiens Fußballpräsident Robert Sedlacek. Gegenüber 90minuten.at meint er: „Ich habe in dieser Sache nicht viel zu sagen. Die Causa bezüglich der medialen Vorwürfe wurde in der Präsidiumssitzung gut gelöst. Für mich ist alles geklärt. Es ist so wie es ist und es ist so zu akzeptieren, so wie ich die Unterlagen gesehen habe.“
Braucht es jedoch neue Regeln für den Umgang mit dieser Thematik? Sedlacek: „Für mich gibt es da momentan nichts zu überlegen.“
„Rote Linie überschritten“
Weniger entspannt sieht man die Thematik im Westen: Für den Tiroler Präsidenten Josef Geisler hat Gerhard Milletich „eindeutig eine rote Linie überschritten. Es geht hier nicht um das Strafrecht, es geht um Ethik und Moral.“ Für den Tiroler gehe es auch nicht darum, ob diese Regeln irgendwo niedergeschrieben sind oder nicht. „Das muss nicht festgeschrieben werden, ob sich jemand moralisch verhält. Dieses Vorgehen spricht gegen die Integrität, und das erwarte ich aber von einem ÖFB-Präsident, das er integer ist und gewisse Prinzipien hat. Diese sehe ich bei Milletich nicht.“
Geisler geht dabei auch auf den Podcast „Zweierkette“ mit Elisabeth Gamauf und Thomas Trukesitz ein, der am 5. Oktober erschienen ist. „Es ist bemerkenswert, wie offen Milletich dabei erzählt, dass es kein Nachteil sei, wenn er als ÖFB-Präsident agiere und sagt: Es ist mein Beruf, Inserate zu verkaufen, egal ob es ÖFB-Partner seien oder nicht“, so Geisler, der sich auch von anderen Präsidiumsmitgliedern enttäuscht zeigt. „Offenbar gibt es unterschiedliche Ansprüche an Ethik und Moral.“
Der Tiroler Präsident erwartet sich auch wie die anderen Kollegen, dass Milletich nun gegen die inhaltlichen Vorwürfe klagt. „Wenn Milletich der Meinung ist, das diese Vorwürfe nicht stimmen, muss er das tun.“
„Halte mich bei Befindlichkeiten raus“
Ein weniger entspannter wird die Lage in Kärnten beurteilt. Landespräsident Klaus Mitterdorfer meint im 90minuten.at-Gespräch: „Milletich ist in der Sitzung sehr offen mit den Vorwürfen umgegangen, er hat alles vorgelegt. Ich sehe keinen unmittelbaren Schaden für den ÖFB“, so der Kärntner, der aber ergänzt: „Natürlich hätte man gewisse Sachen geschickter machen müssen.“
Mitterdorfer wünscht sich jedoch, dass sich der ÖFB wieder den wichtigen Themen widmen kann. „Ich halte mich bei diesen persönlichen Befindlichkeiten raus, ich halte das nicht für gescheit, das auszutragen.“ Dem Kärntner ist jedoch bewusst, dass der Verband nach außen hin „kein ideales Bild“ abgebe. Ob sich dieses Bild nun wieder verbessern könne? „Ich weiß es nicht.“
„Die Causa ist nicht erledigt“
Als einer der schärfsten Milletich-Kritiker gilt schon seit letztem Jahr Salzburgs Landespräsident Herbert Hübel. Er sagt im 90minuten.at-Gespräch: „Die Causa mag für manche erledigt sein, für mich und auch andere ist es das nicht. Ich bin jetzt viele Jahre im ÖFB dabei, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Man kann nicht als ÖFB-Präsident so tun, als ob alles in Ordnung wäre und dies nur eine Kleinigkeit ist. Als höchster Vertreter des Fußballs muss man auch allerhöchste Ansprüche an sich selbst haben.“
Hübel ergänzt: „Götschhofer, Geisler und ich sind Juristen, für uns ist das ein No-Go. Umso enttäuschter sind wir über andere Präsidiumsmitglieder, die hier wegschauen. Und: Nur weil man nicht hinsieht, heißt das nicht, dass man dafür dann auch nicht die Verantwortung übernehmen muss.“
Das offengelegte Mail von Milletich zeige aus Sicht des Salzburgers, „dass die Vorwürfe der Berichterstattung bestätigt wurden.“ Dem ÖFB sei jedenfalls schon jetzt ein Imageschaden entstanden. „Ich habe auch meine Kollegen im Präsidium gefragt: Was machen wir denn, wenn ÖFB-Sponsoren deswegen abspringen. Wer steht dann dafür ein?“
Hübel erwartet sich nun von Milletich, dass er gegen diese Medienberichte vorgeht und wie angekündigt eine Klage einreichen wird, "sofern der ÖFB-Präsident meint, dass die Vorwürfe nicht stimmen. Wenn Milletich nicht in den nächsten 14 Tagen die Klage einreicht, werden wir die nächsten Schritte setzen“, stellt er unmissverständlich fest.
Muss sich das gesamte ÖFB-Präsidium erklären?
Im Rahmen der Präsidiumssitzung am Freitag kam übrigens ein weiterer Aspekt zur Diskussion. Laut der Tageszeitung „Die Presse“ soll der Ursprung der Inseraten-Causa durch Recherche eines ÖFB-Präsidiumsmitglied entstanden sein. ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer hat demnach am Freitag alle Teilnehmer gefragt, ob sie bereit wären, eine eidesstaatliche Erklärung abzugeben, dass dem nicht so sei. Die Reaktion darauf verlief unterschiedlich. Während einige Mitglieder des Präsidiums damit kein Problem hätten, so etwas zu unterschreiben, meint Tirols Landespräsident Josef Geisler: „Ich fühle mich nicht angesprochen, weil ich das nicht getan habe. Wenn sich wer angesprochen fühlt, soll er das gerne unterschreiben.“
Und Salzburgs Präsident Herbert Hübel meint dazu gegenüber 90minuten.at: „Ich sehe das entspannt, ich habe hier nichts gemacht. Aber selbst wenn es einer gemacht hat, dann kann ich nur sagen: Bravo, dass es nicht zugedeckt wurde.“