Martin Karollus: „ÖFB-Rechtsgutachten steht Auffüllung der Ligen nicht im Weg“
Im Gespräch mit 90minuten.at spricht Martin Karollus, der das ÖFB-Gutachten für den Umgang der Corona-Krise erstellt hat, über die mögliche Aufstockung der 2. Liga und Regionalliga.
Das von mir für ÖFB und ÖFBL erstattete Gutachten steht einer Lösung, wonach bei Wegfallen eines Vereins aus einer oberen Spielklasse die aufgrund des Tabellenstandes der jeweils unteren Liga am besten klassifizierten Vereine nachrücken, nicht entgegen
Für die Auffüllung der 2. Liga durch den soweit ich informiert bin einzigen Verein, der über eine Zulassung verfügt und auch aufsteigen will, spricht jedenfalls, dass damit die auch in einschlägigen Verträgen vorgesehene Klassenstärke erreicht wird
++ 90minuten.at-Exklusiv ++ Von Michael Fiala
In den vergangenen Tagen hat die Diskussion um einen möglichen Aufstieg von Rapid II in die 2. Liga sowie eine mögliche Aufstockung der Regionalliga Ost an Fahrt aufgenommen. Die zuständigen Landespräsidenten agieren in dieser Causa mehr als zurückhaltend (>> siehe Artikel Saftlos. Kraftlos. Mutlos) und nennen dabei immer wieder das von ÖFB und der österreichischen Bundesliga in Auftrag gegebene Gutachten als Grund, warum ein Aufstieg nicht möglich sei.
„Gutachten steht nicht im Weg“
Dem widerspricht jedoch nun o.Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, der das Gutachten geschrieben hat, gegenüber 90minuten.at: „Das von mir für ÖFB und ÖFBL erstattete Gutachten steht einer Lösung, wonach bei Wegfallen eines Vereins aus einer oberen Spielklasse die aufgrund des Tabellenstandes der jeweils unteren Liga am besten klassifizierten Vereine nachrücken, nicht entgegen“, so der Experte von der Johannes Kepler Universität Linz. „Meine Hauptaussage war, dass es auf Basis einer nicht komplett durchgeführten Meisterschaft keinen Zwangsabsteiger geben darf. In Ermangelung eines Absteigers kann es auch keinen Aufsteiger geben. Zudem wurde die Aufstiegsberechtigung nicht auf dem dafür vorgesehenen Weg (= komplett durchgeführter Meisterschaftsbewerb) erlangt.“
Mit der nunmehr eingetretenen Situation, dass aus einer oberen Liga "ungeplant" einzelne Vereine wegfallen und sich die Frage einer "Auffüllung" stellt, hat sich Karollus‘ Gutachten nicht befasst. „Dies ist eine Ermessensentscheidung, die jedenfalls im Fall der 2. Liga das Präsidium des ÖFB zu treffen hat.“
„Auffüllung der RLO wäre wünschenswert“
Wie 90minuten.at erfahren hat, soll das ÖFB-Präsidium im Rahmen einer Videokonferenz heute, Mittwoch, spätestens Donnerstag zunächst einen Beschluss zum Antrag der Bundesliga stellen, Rapid II für die 2. Liga zuzulassen. Im ÖFB-Präsidium sitzen 13 Personen, darunter ÖFB-Präsiden Leo Windtner, drei Vertreter der Bundesliga sowie die neun Landespräsidenten. Eine klare Mehrheit für oder gegen diesen Antrag zeichnete sich zuletzt nicht ab.
„Für die Auffüllung der 2. Liga durch den soweit ich informiert bin einzigen Verein, der über eine Zulassung verfügt und auch aufsteigen will, spricht jedenfalls, dass damit die auch in einschlägigen Verträgen vorgesehene Klassenstärke erreicht wird“, ergänzt Karollus, der aufhorchen lässt: „Ebenso wäre in der RLO eine Auffüllung auf sechzehn Vereine wünschenswert, weil eine Liga mit nur dreizehn Vereinen in einer dritthöchsten Spielklasse schon per se sonderbar wäre und vielfältige sportliche und wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen würde. Auch in den Regionalligen kann es schon um recht viel Geld gehen.“
Wer ist für Regionalliga Ost zuständig?
Spannend ist zudem die Frage, wer für eine etwaige Entscheidung bezüglich einer Aufstockung der Regionalliga Ost zuständig ist. Eigentlich sind es die jeweiligen Landespräsidenten. Im Gutachten wird aber auch erwähnt, dass es in besonders unvorhergesehenen Fällen das ÖFB-Präsidium sein kann. Der Ball, wer diese Entscheidung treffen soll, wurde von den drei Landespräsidenten Sedlacek, Gartner und MIlletich zuletzt immer wieder dem ÖFB zugespielt. Karollus meint dazu: „Wer für Entscheidungen im Bereich der Landesverbände bzw. der Regionalligen zuständig ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen und könnte auch von der bisherigen Übung in vergleichbaren Fällen abhängen. Einen vollständig vergleichbaren Fall wird es aber nicht geben, weil diesmal der oder die nachrückenden Vereine aufgrund einer "Rumpftabelle" ermittelt werden müssten.“
Für Kollraus ist "das ÖFB-Präsidium jedenfalls dann zuständig, wenn es keine Einigung aller potenziell betroffenen Vereine gibt, d.h. zumindest für die Festlegung von Entscheidungskriterien oder für eine generelle Ermächtigung der betroffenen Verbände zur Entscheidung (Kompetenzdelegation). Von anderen Fällen der Auffüllung von Ligen unterscheidet sich der vorliegende Fall dadurch, dass es keine valide Endtabelle gibt. Dass eine Orientierung an der "Rumpftabelle" dann, wenn es nichts anderes gibt und eine Entscheidung erforderlich ist, auch dem Geist meines Gutachtens entspricht, ergibt sich aus meinen Ausführungen zur Vergabe der europäischen Startplätze für den Fall, dass auch die TBL nicht zu Ende gespielt wird."
Der Rechtsexperte ergänzt: „Insofern ist die nunmehr eingetretene Situation auch jedenfalls anders als bisherige Anlassfälle, in denen ein Verein aus einer Liga ausgeschieden ist und man einfach aufgrund einer vorhandenen Endtabelle den nachrückenden Verein ermitteln konnte.“
Wie könnte eine Entscheidung herbeigeführt werden?
Eine Auffüllung der Regionalliga Ost birgt aber auch rechtliche Herausforderungen, wie Karollus im Gespräch mit 90minuten.at ergänzt: „Ein Problem dürfte aber darin bestehen, dass es nur in Wien einen hinreichend eindeutig Erstplatzierten geben dürfte, während dies im Burgenland und in Niederösterreich viel knapper ist. In Niederösterreich soll allerdings angeblich einer der beiden in Betracht kommenden Vereine bereits sein Nichtinteresse an einem Aufstieg kundgetan haben. Dies wäre gegebenenfalls zur Erlangung von Rechtssicherheit durch eine rechtsverbindliche Erklärung zu dokumentieren. Für das Burgenland wäre - wohl vorrangig vom BFV - zu entscheiden, ob der erste Platz in der "Endtabelle" zum Zeitpunkt des Abbruchs mehr zählt oder der Herbstmeistertitel.“
Das Problem setze sich dann weiter nach unten fort, zum Beispiel ob ein Verein aus der 2. Landesliga in die 1.. Landesliga nachrückt. „Auch hier wären rechtsverbindliche Erklärungen bzw. eine Übereinkunft der betroffenen Vereine jedenfalls hilfreich, um eine Klagsflut zu vermeiden.“ Noch größer seien die Probleme dann, wenn aus der oberen Liga nur ein Verein wegfällt, es aber darunter zwei Ligen gibt, aus denen im Normalfall jeweils der Meister aufsteigt. Dies wäre aber im Fall der Regionalliga Ost nicht so, da die drei offenen Plätze von den drei darunterliegenden Ligen aufgefüllt werden könnten.
Rapid II ist klare Sache
Karollus‘ Fazit: „Summa summarum: Aus rein sportlicher Sicht würde ich jedenfalls die Auffüllung der oberen Ligen befürworten, also auch der RLO und in weiterer Folge der Wiener Stadtliga bzw. der NÖ und Bgld. Liga etc. Dagegen könnte aber allenfalls, wenn nicht Verzichtserklärungen aller betroffenen Vereine vorliegen, die fehlende Rechtssicherheit sprechen.“
Klar ist die Lage für den Experten jedoch bei der Frage nach Rapid II: „Für das Nachrücken der Rapid Amateure in die 2. Liga stellen sich hingegen keine Fragen der Rechtssicherheit, wenn es überhaupt nur noch einen Kandidaten gibt; zudem spielen hier auch wirtschaftliche Gründe für die "Auffüllung" auf die vorgesehene Spielstärke eine noch größere Rolle.“