Warum kein Überraschungsmeister? [Momentum am Montag]
Die "kleinen" Vereine sind in der Bundesligasaison 2023/24 so nahe an der Spitze, wie selten zuvor. Der Sprung zu den Topteams ist nicht so groß, wie man denken könnte.
++ 90minuten.at PLUS – Von Daniel Sauer + +
Die Erfolgsläufe von Austria Klagenfurt und TSV Hartberg im Rennen um die Liga-Spitzenplätze sind unser Momentum am Montag.
Unverschämt wäre es - zumindest nach Peter Pacults Meinung - das zu fordern, worum es in den nächsten Zeilen geht. Gefordert wird freilich nichts, aber nachdenken kann man und muss es vielleicht bald auch. Eigentlich wäre es ja sehr einfach: Sollte RB Salzburg - aktuell nicht konstant in Bestverfassung - nach zehn Meistertiteln in Folge stolpern, wäre Sturm Graz als etablierte Nummer zwei im Land als würdiger "Thronfolger" gesetzt. Aber warum sollte es im so oft verrückten Fußball nicht auch in Österreich einmal anders laufen, als erwartet?
Hartberg inmitten der Spitzenteams
Eine erste gute Anlaufstelle, um solche Szenarien durchzuchecken, sind Statistiken. Für die Offensive zum Beispiel: Die besten Chancen aus dem Spiel erarbeitet sich Salzburg, dahinter folgt der SK Rapid. Auf Platz drei liegt in dieser Kategorie aber nicht etwa der LASK (Platz 4) oder Sturm Graz (Platz 8), sondern der TSV Hartberg. Das alleine macht klarerweise noch bei weitem keinen Meisterschaftskandidaten, vor allem weil Standardsituationen in dieser Wertung nicht eingerechnet sind und die Steirer nur deswegen erfolgreich sind, weil sie ihre Chancen sehr effizient nutzen. Mit 20 Toren stellt der Verein die geteilt drittbeste Offensive. Ob der aus der Regionalliga gepflückte Maximilian Entrup auch in den kommenden Monaten wie am Fließband trifft, wird sich erst zeigen. Davon, wie schwer sich gute offensive Statistiken in Tore umlegen lassen, kann zum Beispiel Zoran Barišić ein Lied singen. Aus dem Nichts kommt der Erfolg aber jedenfalls nicht und das verspricht für die Zukunft viel.
Anders als sein Trainerkollege in Klagenfurt hält sich Hartberg-Trainer Markus Schopp in seinen Ambitionen nicht zurück: "Es kann Großes entstehen", erklärte er vor einigen Wochen. Nach dem jüngsten 4:0-Sieg gegen die Austria Lustenau sah er seine Mannschaft auf einem guten Weg, aber gleichzeitig viel Luft nach oben. Acht Punkte fehlen aktuell auf die Tabellenspitze, nach einem Duell mit Aufsteiger Blau-Weiß Linz warten mit Rapid und Salzburg zwei Bewährungsproben, nach denen klarer sein sollte, wohin die Reise gehen kann.
Klagenfurt bleibt extrem effizient
Von einem Einstieg ins Titelrennen will Peter Pacult wirklich gar nichts wissen. "In welcher Sportart?", lautete die Reaktion auf eine Frage in diese Richtung. Er sei froh über eingefahrene Punkte gegen den Abstieg. Aber auch die guten Resultate des SK Austria Klagenfurt lassen sich erklären: 80 zugelassene Schüsse auf das eigene Tor sind - gleichauf mit Hartberg - der zweitbeste Wert der Liga. Während die Steirer unglücklicherweise aus wenigen Chancen viele Tore zulassen, hält das Kärntner Bollwerk einigermaßen gut. Der Großteil der 13 Gegentore fiel in Spielen gegen die Großklubs Rapid, Salzburg, Austria und LASK (9 Tore) - trotzdem setzte es erst eine Niederlage. Gegen Teams auf Augenhöhe läuft es auch gut, das Resultat ist der aktuell sechste Tabellenplatz und nur sechs Punkte Rückstand auf Sturm Graz. Dank der noch ausstehenden Punkteteilung fehlt Klagenfurt also theoretisch gerade einmal ein Sieg auf den Tabellenführer.
Auf wackeligen, aber sehr treffsicheren Beinen steht derzeit die Offensive um Sinan Karweina. Klagenfurt hat doppelt so viele Tore auf dem Konto, als man angesichts der erspielten Chancen erwarten konnte - ob sich diese Bilanz halten lässt, wird sich noch zeigen. Um den Abstieg wird man sich in der laufenden Spielzeit jedenfalls keine Sorgen mehr machen müssen. Zu den tief gestapelten Zielen von Pacult passt auch die angestrebte Verpflichtung von Jerome Boateng nicht wirklich, auch wenn der Deutsche aufgrund eines laufenden Gerichtsverfahrens Probleme bei der Vereinssuche hat.
Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich
Klar ist, dass ein Szenario, in dem der Meister 2023/24 weder Sturm Graz noch RB Salzburg heißt, unwahrscheinlich ist. Ganz aus der Luft gegriffen ist es aber nicht: Zum einen liegt erstmals seit der Ligareform nach der 12. Runde ein anderer Verein als Salzburg an der Spitze, zum anderen war auch der Vorsprung des Ersten auf den Zweiten in diesem Zeitraum erst einmal kleiner. Eine ungewöhnliche Saison ist es damit aktuell jedenfalls. Und: Noch nie war ein "kleiner" Verein nach der Hinrunde so nah an der Spitze, wie in der laufenden Spielzeit. Sollten die dünnen Kader von Hartberg und Klagenfurt einigermaßen verletzungsfrei durch die Saison kommen, kann man zumindest noch für einige Wochen träumen.