Wechselfehler mit Selbstkritik [Momentum am Montag]
Ralf Rangnick vercoacht ein Remis oder einen möglichen Sieg. Der Dreifachwechsel war mutig, ging nicht auf – und er räumte das auch ein.
+ + 90minuten.at PLUS - Von Georg Sander + +
Die 62. Minute mit dem Dreifach-Wechsel ist unser Momentum am Montag.
Rund eine Stunde Fußball am Sonntagabend war gut, gefehlt hat lediglich das zweite Tor für Österreich. Ralf Rangnick sah einen komplett fertigen Christopher Trimmel, einen gelbgefährdeten Stefan Posch und einen auch nicht mehr bei hundert Prozent kickenden Marko Arnautović. Rangnick reagierte, brachte Debütant Muhammed Cham vorne und löste die Dreier-/Fünferkette auf, Stefan Lainer ersetzte Wingback Trimmel, Sabitzer auf der anderen Seite rutschte in die Mitte, Maximilian Wöber gab den Linksverteidiger, Alaba und Danso formierten sich mit den beiden eingewechselten zur Viererkette. Im Hinspiel hatte das funktioniert, nun war die Ordnung dahin und Kroatien schlug nach einem gefangenen Gregoritsch-Kopfball nach Wöber-Maßflanke doppelt zu.
Mutig in die neuen Zeiten...
„Im Nachhinein haben uns auch die Umstellungen und die Wechsel nicht wirklich weitergeholfen“, sagte Ralf Rangnick nach dem Spiel. Umgekehrt: Man kann die zwei Flanken tatsächlich auch unmittelbar nach einer derartigen Umwälzung in der Grundausrichtung besser verteidigen. Und Rangnick spekulierte wohl doch mit der Sensation. Das ist eben ein neues Mindset. Der ÖFB will Spiele gewinnen, auch wenn es gegen den aktuellen Weltmeister zu nichts reichte und der aktuelle Gegner am Sonntag eben der Vizeweltmeister war. Die Zeiten der Absicherung sind vorbei. Denn ein 1:1 hätte außer ein bisschen Schulterklopfen auch nichts anderes bedeutet als den Abstieg aus der Liga A der Nations League.
...mit schlechter Bilanz....
Logischerweise steht Rangnick jetzt mit vier Punkten aus sechs Spielen mit einer negativen Bilanz da. So manch einer sagt: Das hätte Foda auch geschafft. Der startete übrigens mit fünf Siegen in den ersten sechs Spielen, einer davon gegen Deutschland. Aber: Alles Tests, Uruguay, Slowenien, Luxemburg, Russland und eben der Lieblingsnachbar wurden besiegt. Die ersten Pflichtspiele waren dann mit zwei Siegen (Nordirland) und einem Remis (Bosnien) bei drei Niederlagen (Bosnien, Polen, Israel) schon gar nicht mehr so gut. Und überhaupt: Hat sich Fußballösterreich nicht viele Foda-Jahre die Haare gerauft, weil der Impuls von der Bank gefühlt Spielstand-unabhängig die Einwechslung von Stefan Ilsanker war?
... und zu ziehenden Lehren
Rangnick bekam einen Kaltstart in Österreich, die Aufgabe wurde okay erledigt. In der Gruppe hätte man am Ende auch mit Klatschen und null Punkten dastehen können! Der Teamchef wird seine Lehren draus ziehen, taktisch wie personell. Bei den kommenden Testspielen wird man dank mehr Trainingseinheiten wohl schon Verbesserungen sehen, vielleicht tun sich bei den individuellen Baustellen, vor allem auf den Außenbahnen, ja neue Möglichkeiten oder zumindest Ideen auf. Man wird ja auch nicht andauernd gegen die erwähnten Nations League-Kaliber bestehen müssen. Zwei Dinge sollte sich Ralf Rangnick aber beibehalten:
Einerseits den Mut, den sein Vorgänger kaum zeigte. Und andererseits das offene Ansprechen von Fehlern, ohne großartige Ausreden zu suchen. Ab März wird es in der EM-Quali dann nämlich ernst, spätestens dann ist auch für den 63-Jährigen der Welpenschutz vorbei...
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