Oscar Garcia: 'Es ist schwierig besser zu sein'
Red Bull Salzburg-Trainer Oscar Garcia scheint genau zu wissen, was er will. Allerdings sieht das nach außen hin nicht immer so aus: Taktikexperimente im Sommer, knackig-grantige Ansagen im Spätsommer, Wortgeplänkel mit Sportchef Christoph Freund. 90minut
90minuten.at: Holen wir etwas aus. Sie haben im Sommer taktisch experimentiert, weg vom 4-2-2-2 mit hohem Pressing. Warum haben Sie mit den Umstellungen ausgerechnet vor den Quali-Spielen angefangen?
Oscar Garcia: Es kommt immer auf die Spieler drauf an, die zur Verfügung stehen. Letzte Saison spielten wir ein System, mit dem wir die meisten Spiele gewonnen und zwei Titel geholt haben. Zu Beginn der Saison sagte ich, dass wir mit den vorhandenen Spielern verschiedene taktische Systeme spielen können. Das haben wir gemacht. Aber das taktische Grundsystem ist nur für den Beginn einer Partie. Während des Spiels ändert sich viel, es gibt verschiedene Situationen, in denen verschiedene Reaktionen notwendig sind. Das wichtigste ist, dass man weiß, was man mit und ohne Ball macht. Das ist entscheidender als das System.
Also was am Papier steht, ob es 4-4-2 oder 3-5-2 ist, ist nicht so wichtig?
Man sollte schon mit einer konkreten Grundformation starten und organisiert sein. Aber es gibt nicht dieses eine System, mit dem du alle Spiele gewinnst. Wenn dem so wäre, würden ja alle dieses System spielen.
Sie haben vor allem in der Defensive etwas verändert. Der Klub hat vor allem unter Schmidt/Hütter fast immer nur sofort schnell nach vorne gespielt. War das der Hintergrund hinter den Adaptierungen im Sommer?
Nein, ich wollte einen anderen Ansatz und mehr Optionen während des Spiels. Gute Teams können viele verschiedene Sachen während des Spiels machen. Wenn man sich Leverkusen jetzt ansieht, dann spielen sie auch nicht mehr das System, wie es Roger Schmidt mit Red Bull Salzburg gespielt hat. Es kommt eben immer auf die Spieler drauf an. Aber man braucht eine Grundidee. Und je mehr Optionen man hat, desto besser ist man.
Je länger die Saison nun dauerte, desto sicherer wurde die Mannschaft mit den Abläufen im Spiel, der Balance zwischen hohem Pressing und Defensive. Wollten Sie das so?
Es ist wie beim Hausbau. In den ersten Monaten kann man dort nicht wohnen. Erst nach drei oder vier Monaten wird es bewohnbar Das ist bei einer Fußballmannschaft auch so. Das ist hier in Salzburg noch mehr der Fall, weil alle sechs Monate einige Spieler gehen. Man muss das immer wieder aufbauen. Ich denke zudem nicht, dass irgendein Klub im August bei hundert Prozent sein kann. Das ist ein Prozess.
Wie wollen Sie das nun ändern? Was können Sie als Trainer nun im zweiten Jahr machen, dass das Team im August – Meistertitel hypothetisch vorausgesetzt – die Champions League-Qualifikation übersteht?
Es ist schwierig besser zu sein, denn uns haben nur wenige Minuten gefehlt. Wir wollen unser bestes geben, um wieder den Titel zu gewinnen, um die Option auf die Königsklasse zu haben. Jetzt denken wir nicht dran, wie es dann sein wird. Wir müssen kurzfristig denken. Wenn die Meisterschaft vorbei ist, schauen wir weiter. Es ist nie einfach, wenn die Spieler gehen, um die man eine Mannschaft baut. Aber das ist die Klubphilosophie. Es ist ja auch normal, dass man fantastische Spieler nicht lange hier halten kann. Aber wir wissen, wer wir sind und was wir tun.
Christoph Freund weiß vielleicht besser, wer wann gehen will oder wird. Können Sie da nicht jetzt schon versuchen herauszufinden, welche Spieler im Sommer gehen?
Das ist ja auch für ihn schwierig. Und wir wussten natürlich auch, dass Upamecano nicht lange hier bleiben würde. Wir erwarteten ein Jahr, jetzt hat er vielleicht drei Monate gespielt. So etwas ist schwer zu kontrollieren. Christoph Freund und ich haben eine gute Kommunikationsbasis, wir sprechen jeden Tag miteinander.
Das sagte Christoph Freund uns gegenüber auch. Aber im Sommer konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Kommunikation nicht so gut ist.
Ich hatte immer eine gute Beziehung zu ihm. Aber als Trainer willst du alle Spieler möglichst lange , um ein gutes Team zu haben. Ich habe dann aber verstanden, wie das bei Red Bull Salzburg ist und dass es manchmal etwas schwierig ist. Wir sind in Österreich, wir entwickeln Spieler.
Haben Sie sich mit dieser Rolle nun arrangiert – einer Rolle, die vielleicht etwas anders ist als erwartet?
Die Rolle als Trainer bei Red Bull Salzburg war vor zwei Jahren anders und ich weiß jetzt, dass das Hauptziel ist, junge Spieler zu entwickeln. Aber wir wollen auch konkurrenzfähig sein und um alle Titel mitspielen.
Im Sommer wirkten Sie – Stichwort Liefering A und B – etwas angefressen.
Ich denke, alle haben mich verstanden. Wenn du gegen Ende des Transferfensters einen Spieler verlierst, kannst du nicht glücklich sein. So waren meine Gefühle. Aber ich war nicht böse, als Naby Keita ging, weil ich wusste, dass das passieren kann. Aber am letzten Tag ist es eben schwierig.
Aber wussten Sie nicht, wo Sie unterschreiben?
Ja, natürlich. Aber sagen Sie mir, welche Spieler am letzten Tag des Transferfensters gingen, in den letzten Jahren. Darum erkläre ich ja das mit Naby. Ich wusste, dass wir ihn nicht ewig halten können, genau so bei Upamecano. Naby war zwei, drei Jahre da, Upamecano nur ein paar Monate. Jetzt weiß ich, dass das so passieren kann. Es war ja auch für Christoph Freund hart.
Auch Ihr Verzicht auf die neuen Spieler wie Rzatkowski oder Stangl wirkte, als ob Sie das extra machen.
Munas Dabbur hat viel gespielt, andere haben zuvor nicht so gespielt, wie wir uns das vorgestellt haben. In der zweiten Hälfte haben sie dann mehr Einsatzzeit bekommen. Und es ist ja nicht einfach, weil wir viele Spieler haben, die schon länger da sind und die wissen, wie ich spielen lassen will. Für die Neuen ist es immer schwieriger.
Verstehen Sie aber, dass Fans, Beobachter und Journalisten denken, Sie hätten das absichtlich so gemacht?
Ich kann das schon nachvollziehen. Als Fan will ich die Neuen ja sehen. Vielleicht ist es mir auch langweilig, immer die selben zu sehen. Aber diese Probleme haben unsere Fans nicht, weil wir es sehr viele Transfers gibt.
Es gibt immer wieder auch Transfergerüchte um Sie. Wie gehen Sie damit um?
Das ist gut für mich, weil es zeigt, dass ich einen guten Job mache. Es ist gut für den Verein, weil es zeigt, dass er einen guten Coach und der Klub Erfolg hat. Es ist wie bei den Spielern. Wenn man sieht, dass unsere Spieler von großen Klubs beobachtet werden, heißt das, dass die Scoutingabteilung einen großartigen Job macht und auch der Betreuerstab gut arbeitet, diese zu entwickeln. Schlecht wäre es, wenn mich oder die Spieler keiner haben wollen würde.
Wie groß muss denn die Liga sein, dass Sie schwach werden?
Es geht nicht um die Liga. Malaga ist in einer der besten Liga der Welt und ich bin hier. Ich würde nicht wegen der Liga wechseln, sondern achte auf mein Gefühl, wo ich meinen Job machen kann, wo ich mich wohl fühle. Ich werde nicht mein ganzes Leben hier sein; das wäre nicht gut für mich und auch nicht für den Klub.
Warum wäre es nicht gut?
Sagen Sie mir einen Trainer, der sehr lange bei einem Klub war!
Alec Ferguson, Arsene Wenger.
Das sind wohl die einzigen. Drei, vier, fünf Jahre mit demselben Trainer sind schwierig. Entweder du wechselt 70 Prozent des Kaders oder den Trainer. Mehr als drei Jahre mit einem Coach halte ich für nicht einfach und nicht gut.
Kamen Sie auch deshalb nach Salzburg, weil Sie sich hier Meriten verdienen können?
Um ehrlich zu sein dachte ich nicht an die Champions League, als ich hier unterschrieben habe. Ich hatte auch Angebote aus Spanien vorliegen. Ich hatte schon ein halbes Jahr, bevor ich herkam, die Möglichkeit, nach Salzburg zu kommen; das klappte aus verschiedenen Gründen nicht. Aber ich hatte es im Kopf und wusste ein bisschen etwas über Red Bull Salzburg; ich wusste, Soriano spielt hier und man verfolgt halt den Weg von spanischen Legionären. Ich habe vor zwei, drei Jahren auch einige Spiele gesehen, weil ich wusste, dass sie etwas Neues, Anderes ausprobieren. Ich hatte es im Hinterkopf, dass ich hier coachen könnte. Aber es war nicht wegen der Champions League.
Österreich produziert Spieler für größere Ligen, zumeist für die deutsche Bundesliga. Salzburg ist nicht alleine in der Situation, dass die besten schnell weg gekauft werden. Das betrifft Klubs bis Ajax Amsterdam hinauf. Ist der internationale Fußball nun einfach so? Dass Österreich die Ausbildungsliga für Deutschland ist und so weiter?
Die meisten Dinge drehen sich um Geld. Man kann nicht mit englischen, deutschen oder spanischen Teams mithalten. Es ist ja auch für die Spieler interessant, in den besten Ligen zu spielen, sie wollen auf höchstem Level spielen.
Israel, wo Sie auch gearbeitet haben, oder Österreich werden weiterhin diese untergeordnete Rolle spielen?
Man kann mit einem Klub ein paar Jahre auf hohen Niveau und vielleicht auch ein paar Mal in der Champions League spielen. Aber ich denke nicht, dass das jedes Jahr so sein wird. Die besten Spieler gehen immer, da ist es schwierig, Kontinuität herzustellen. Für mich ist es schwer vorzustellen, dass ein Team aus Israel oder Österreich jedes Jahr in der Champions League mit dabei ist. Nicht unmöglich, aber schwer vorzustellen. Unsere Challenge ist es, uns das erste Mal zu qualifizieren. Man muss das Schritt für Schritt machen. Aber mein Plan ist es, sich auf das nächste Spiel vorzubereiten. Es kann in den nächsten Monaten viel passieren.
Sieben Spieler könnten gehen, ok, das meine ich jetzt sarkastisch!
Warum nicht, das würde ja heißen, dass wir gut arbeiten.
Kommen wir noch zum Thema Glück/Pech. Man kann ja ehrlich sagen, dass die international erhaltenen Tore zum Teil sehr Slapstick waren.
Sie haben schon recht, dass diese Tore so passiert sind. Das kann gegen jedes Team passieren. Aber nicht jeder Gegner hat diese Qualität wie Krasnodar oder Schalke oder Zagreb.
Wie stehen Sie zu Glück und Pech?
Ich glaube nicht an Glück oder Pech. Ich glaube an meine Arbeit und die der Spieler. Wenn wir uns nicht qualifizieren, dann deshalb, weil die anderen ein Tor mehr geschossen haben als wir. Natürlich braucht man auch ein bisschen Glück, aber darum geht es nicht. Zum Beispiel: Wenn Zagreb ihre Chancen rein macht, verlieren wir 3:0. Es geht nicht um Glück oder Pech, es geht darum, im richtigen Moment den richtigen Spieler in der richtigen Situation zu haben. Ein Spiel kann man mit Glück und Pech erklären, aber nicht alle.
Gut, ein Fehler gegen Zagreb ist etwas anderes als gegen Wolfsberg oder St. Pölten.
Ich habe vor allen großen Respekt und will generell keine Chancen zulassen. Aber auch höchstem Level ist es so, dass die Spieler des Gegners qualitativ so gut sind, dass sie eben treffen.
Von welchen Spielern erwarten Sie sich nun im Frühjahr mehr Entwicklung? Ich denke da an Munas Dabbur zum Beispiel.
Für mich sollten alle Spieler mehr tun, weil das will ich: Dass sie jeden Tag besser werden. Für mich ist ein Spieler, der denkt, dass er gut genug ist, nicht gut. Wenn er das tut, dann gibt es keinen Fortschritt. Der Grund, warum ein Spieler scheitert, ist eben, wenn er denkt, dass er schon gut genug ist. Das ist eine der Hauptdinge, die ich tun will: Bessere Arbeit machen. Ich will bessere Trainings abliefern, bessere Spieler machen, bessere Partien machen. Diese Mentalität will ich auch bei meinen Spielern haben.
Können Sie das konkretisieren? Wo kann man sich verbessern?
Wir haben natürlich einige individuelle Statistiken, wo man sich verbessern kann. Ich bin schon einmal glücklich, weil wir besser als letztes Jahr sind . Das erwarte ich mir auch von nächstem Jahr. Das ist meine Philosophie. Mit dieser Einstellung reift man als Trainer und als Spieler. Seit ich hierher gekommen bin haben Christoph Freund und ich Spieler für 50 Millionen Euro verkauft. Das sind außergewöhnliche e Summen für Spieler aus der österreichischen Bundesliga und die spielen jetzt in den besten Ligen der Welt. Da können wir stolz drauf sein. Sicherlich wären die Chancen in die Champions League zu kommen mit all diesen Spielern höher. Aber wir wissen eben, wer wir sind, für welchen Klub wir arbeiten und welche Philosophie dieser hat.
Wir danken für das Gespräch!
Weiterlesen: Die Mission Champions League beginnt bereits jetzt