Franz Wohlfahrt: ‚Der Verein weiß ja nicht, ob ich ein Vogel bin'
Franz Wohlfahrt soll die Austria aus der Krise führen. Ein Gespräch über die Überphilosophie, keine fixe Philosophie zu haben, seine 700 Handynummern und Freunderlwirtschaft. Das Gespräch führten Gerald Gossmann und Michael Fiala
Franz Wohlfahrt hängt im Stiegenhaus der Austria-Geschäftsstelle. Ein Bild zeigt ihn im Torwart-Trikot. Seit diesem Jahr sitzt Wohlfahrt nicht weit davon entfernt. Im selben Gebäude befindet sich sein Büro. Wohlfahrt, die Austria-Legende, ist zu seinem Herzensklub zurückgekehrt. Das hat viele Anhänger gefreut und viele verärgert. Traditionalisten freuen sich über ein wenig „Austria-Spirit", Kritiker sprechen von Freunderlwirtschaft. Franz Wohlfahrt weiß von beidem, will sich aber auf seine Arbeit konzentrieren. Im dunklen Langarmshirt nimmt er in einem Besprechungsraum Platz. Wohlfahrt soll die Austria in die Erfolgsspur führen. Wir wollen wissen: wie? Präsident Wolfgang Katzian sagte bei seiner Bestellung: „Wohlfahrt hat ein klares Konzept präsentiert." Bisher war von ihm selbst wenig Konkretes zu hören. Wir wollen mehr wissen. Das Gespräch beginnt.
90minuten.at: Hätten Sie sich vor einem Jahr gedacht, dass Sie heute hier sitzen, als Sportdirektor der Austria?
Franz Wohlfahrt: Vor einem Jahr? Nein. Da hatte ich andere Gedanken.
Wann haben Sie sich erstmals überlegt, dass Sie Sportdirektor der Austria werden könnten?
Das kann ich nicht mehr genau sagen. Das weiß ich nicht.
Haben Sie sich angeboten oder wurden Sie kontaktiert?
Ich wurde kontaktiert. Aber Gedanken, wie man helfen könnte, kamen natürlich auch von mir. Und die ersten Annäherungen sind letztes Jahr im Sommer entstanden.
War das eine generelle Überlegung: Ich könnte ja Sportdirektor werden. Oder ganz klar in Bezug auf die Austria?
Es war keine generelle Überlegung von mir. Da ist es wirklich prinzipiell um Austria Wien gegangen. Wobei ich auch dazu sagen muss: Ich war im Rahmen einer Spielerbeobachtung für die Nationalmannschaft in Stuttgart. Das war zufällig eine Woche nachdem sie dort den Fredi Bobic (als Sportdirektor, Anm.) entlassen haben. Der Fredi Bobic ist mein Freund. Es war sicher nicht beabsichtigt, dass der Eindruck entsteht, dass ich dort wegen seines Jobs sitze. Aber du sitzt dann in Stuttgart auf der Ehrentribüne, beobachtest das Spiel und man kann sich vorstellen, dass das relativ schnell die Runde macht. Es ist dann auch im Ehrenrat darüber gesprochen worden, aber direkt von Vereinsseite, im Präsidium des VfB Stuttgart, nicht.
Kurz darauf waren Sie bei der Austria im Gespräch.
Ich bin gefragt worden, ob ich mir das vorstellen könnte.
Noch bevor die Task Force zu arbeiten begonnen hat?
Ja, das war noch davor. Und ich habe mir überlegt, was das bedeuten könnte. Weil ich habe ja auch einen sehr interessanten Job aufgegeben. Der Job (als Tormanntrainer der Nationalmannschaft, Anm.) könnte ja noch interessanter werden, wenn die Burschen so weiter machen. Weil dann bist du bei der Europameisterschaft und bist dort ein Teil davon.
Das heißt: Die Austria hat bei Ihnen angefragt, ob Sie sich den Job vorstellen könnten und dann die Task Force einberufen, um einen Sportdirektor zu suchen?
Ich bin die Wege gegangen, die alle gegangen sind. Aber ich weiß jetzt nicht die Anzahl (der Bewerber, Anm.) und die Namen.
Hat man Ihnen von Seiten der Austria-Führung gesagt, womit Sie gepunktet haben?
Es ging ums Anforderungsprofil, aber ich glaube, dass andere Teilnehmer dieses Anforderungsprofil auch erfüllen hätten können. Was ausschlaggebend war, hat man mir nicht gesagt. In einem demokratischen Prozess ist es entscheidend, dass mich die Mehrzahl der Entscheider gewählt hat. Nicht alle, aber die Mehrzahl.
Sie haben einmal erwähnt, schnell bemerkt zu haben, dass Sie mit der Austria-Führung auf derselben sportlichen Linie sind. Wie sieht diese Linie aus?
Für mich ist klar, dass es im Verein eine Harmonie geben muss. Und zwar: im wirtschaftlichen und im sportlichen Bereich. Wenn man sich ein violettes Herz vorstellt, dann sehe ich diese beiden Bereiche als die zwei Herzkammern. Wenn diese Abteilungen eine Disharmonie haben, dann kommt es relativ bald zum Infarkt. Diese zwei Positionen müssen harmonieren – das ist das Wichtigste. In diese zwei Herzkammern fließen dann die Eigenschaften der Menschen hinein. Ob das jetzt eine Ausbildung auf der Universität ist, Erfahrung, der Umgang mit Menschen, soziale Kompetenzen oder Fachkompetenzen. Wirtschafts-Vorstand und Sportdirektor müssen nicht immer einer Meinung sein, aber es ist wichtig, mit einer Meinung nach außen zu gehen.
Sie haben ja dem Vorstand ein Konzept für den sportlichen Bereich vorgelegt. Was haben Sie da präsentiert – unabhängig davon, dass der wirtschaftliche und der sportliche Bereich harmonieren müssen. Das ist ja im Grunde klar.
Aber das gehört ja auch zum Konzept. Wenn es eh klar ist. Ich weiß nicht ob das so klar ist?
War vorher zwischen dem wirtschaftlichen und sportlichen Bereich keine Harmonie, weil Sie es dezidiert als ihr Konzept präsentieren?
Das weiß ich nicht, ob es vorher so war. Es geht ja nicht darum was vorher war sondern um meine Vorstellungen.
Es klingt ein wenig nach einem untergeordneten Punkt. Wirtschafts-Vorstand und Sportdirektor müssen sich verstehen. Logisch.
Ja, aber ist es immer so? Ich verstehe nicht warum man etwas kritisch betrachtet, das anscheinend eh klar ist. Das verstehe ich nicht.
Unabhängig davon, dass es ein wichtiger Teil ist, gut zusammenzuarbeiten. Was ist Ihr Konzept für den sportlichen Bereich?
Das Aushängeschild jedes Profivereins ist die Profimannschaft. Kurzfristig wissen wir, dass 26 Punkte zu wenig sind. Für diese Krise im sportlichen Bereich gibt es viele Gründe. Wir wollen alles durchleuchten, wo die Gründe dafür liegen könnten. Ich weiß nicht, ob uns das in kurzer Zeit gelingt. In Wahrheit bin ich ja noch nicht einmal vier Wochen beim Verein. Es ist unwahrscheinlich, dass es uns in kurzer Zeit gelingt, alles Schlechte rauszuhauen. Es gibt viele Details, die noch zu bearbeiten sind. Das darf aber im nächsten Spiel keine Ausrede sein. Wir wissen, dass wir in allen Bereichen noch viel Potential zur Verbesserung haben – aber wir dürfen das nicht mit ins Spiel nehmen. Das ist die Aufgabe.
Das betrifft ja vor allem die Spieler, im Spiel nicht daran zu denken. Aber mit welchen Ideen haben Sie, als sportlicher Leiter, die Austria-Führung überzeugt, dass Sie der richtige Mann sind? Wenn wir von kurzfristigen Zielen weggehen – wohin soll sich die Austria entwickeln?
Ich hoffe wir entwickeln uns positiv. Die endgültigen Konzepte kann es jetzt noch nicht geben.
Aber Sie sind ja auch deshalb als Sportdirektor genommen worden, weil Sie ein Konzept präsentiert haben.
Ja, weil ich präsentiert habe – so wie es üblich ist – dass es Zeit braucht, wenn du Mannschaften bildest. Das klingt jetzt blöd: Aber wir brauchen Zeit. Wir haben über 200 aktive Fußballspieler bei uns und mehr als 50 Betreuer. Wir haben die Amateurmannschaft, die Akademiemannschaften und sieben Nachwuchsteams. Die gehören genauso zu meinem Verantwortungsbereich. Dass es hier Verbesserungsmöglichkeiten gibt, ist schon irgendwie klar geworden. Aber ich kann keine fertigen Konzepte hinschmeißen – ohne zu wissen: Was ist eigentlich los im Verein?
Präsident Katzian hat nach Ihrer Bestellung angemerkt, dass Sie für „ballbesitzorientierten Fußball" stehen. War das eine Floskel oder ist das die Idee von Fußball, für die Sie geholt wurden?
Nein, ich würde das nicht so sehen, deshalb geholt worden zu sein. Das ist eine Floskel. Es ist ja auch okay, wenn nicht alles nach außen kommt, was wir besprochen haben. Dass ballbesitzorientierter Fußball notwendig ist, wissen wir eh. Aber ich denke, Sie sprechen die Philosophie oder das System an. Da möchte ich aber unterscheiden, zwischen einer Unternehmensphilosophie und einer Spielphilosophie – das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich muss zuerst schauen, welches Material ich zur Verfügung habe. Ich kann ja nicht hergehen und stur eine Philosophie ausgeben. Erinnert euch: Der Fehler ist schon passiert. Nicht nur hier. Da kommt der Sportdirektor und sagt: So wollen wir spielen. Und dann wurde bemerkt: Das geht gar nicht.
Wir fragen auch deshalb so intensiv nach Ihrem Konzept, weil der Präsident nach ihrer Bestellung gesagt hat: „Der Franz Wohlfahrt hat ein klares Konzept präsentiert".
Ist es nicht auch ein Konzept, dass ich sage: Ich brauche Zeit, um klare Konzepte zu erstellen. Ist das nicht auch ein Konzept?
Doch.
Na eben.
Sie waren jetzt mit der Mannschaft im Trainingslager, konnten die Spieler beobachten. Sind Sie schon ein Stück weiter in Ihren Überlegungen?
Für mich ist klar, dass wir uns nicht auf ein stures System oder eine sture Philosophie einschränken werden. Wir werden uns situativ – je nach Gegner –einstellen. Aber nicht zu hundert Prozent. Wir wollen auch noch unser Spiel spielen. Wir müssen uns auch nach der Verfügbarkeit des Personals richten. Es ist dann eine Frage der Taktik, welches System wir spielen.
Im Sommer hat die Austria beschlossen, die Spielphilosophie zu ändern. Man hat sich auf Offensiv-Pressing, ähnlich wie das Dortmund oder Salzburg machen, geeinigt und dafür einen Trainer verpflichtet. Sie sagen jetzt: es gibt keine Spielphilosophie.
Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass es keine sture Philosophie gibt sondern mehrere. Vielleicht gibt es eine Überphilosophie. Die Überphilosophie ist, dass ich keine fixe Philosophie habe. Was ist passiert, als der Trainer sich auf diese Philosophie festgelegt hat? Er ist nach sechs Runden infrage gestellt worden, weil er viermal unentschieden gespielt hat.
Das heißt: Man zieht die im Sommer propagierte Philosophie zurück?
Es wäre natürlich im modernen Fußball eine super Geschichte, wenn wir so spielen können. Aber wir brauchen schon die körperlichen Voraussetzungen dafür. Wenn wir die nicht haben, können wir das nicht spielen.
Das heißt: Man verfolgt dieses Ziel, so zu spielen, weiter, kann es aber jetzt noch nicht umsetzen?
Das Ziel ist, dieses System zu spielen, das möglich ist. Das System zu spielen, das wir in uns haben. Wir können nicht achtzig Minuten Offensiv-Pressing spielen, wenn wir nicht die konditionellen Möglichkeiten dazu haben. Vielleicht brauchen wir auf manchen Positionen etwas Besseres.
Anders gefragt: Sie können kurzfristig nicht daran drehen, weil manche Spieler eben die Fähigkeiten haben, die sie mitbringen. Aber wollen Sie langfristig Offensiv-Pressing spielen oder war es überhastet, sich auf eine fixe Spielphilosophie festzulegen?
Ich glaube, dass wir flexibel bleiben müssen. Es gibt natürlich Grundsysteme, die wir einüben. Aber wir müssen uns an unseren Möglichkeiten orientieren. Das ist natürlich auch immer anders und kann sich schon in einer Woche ändern. Und wir müssen uns auch am Gegner orientieren. Ich weiß, dass Systeme und gewisse Grundphilosophien wichtig sind. Wie spiele ich raus, versuche ich die Außenspieler mit Flachpässen anzuspielen oder pressen die anderen recht gut, dann kann ich das halt nicht spielen.
Da geht es jetzt eher um den Matchplan. Aber wie soll die Austria Ihrer Meinung nach auftreten?
Die Austria steht im Vergleich zu Rapid für die Kunst des Fußballs. Dieses Prohaska, Sindelar-Spiel. Wir wollen solche Spieler fördern, um irgendwann so einen Spieler wieder zu haben. Das ist unsere Philosophie. Natürlich wird das aber nicht reichen, wenn die konditionellen Anforderungen nicht gegeben sind.
Ihr Trainer fordert ja immer wieder „schnelle Spieler", weil er bei Ballgewinn schnell umschalten möchte. Klingt jetzt nicht nach dem Austria-Spiel aus den Siebzigern. Gibt es Unterschiede in der Auffassung mit dem Trainer?
Die genialen Fußballer früher haben auch schnell tief gespielt. Es soll niemand zwei Minuten am Ball bleiben. Das ist auch klar.
Haben Sie bislang einen guten Draht zu Trainer Baumgartner gefunden.
Ja, das war nie ein Problem. Ich bin ein relativ extrovertierter Mensch...
Ja, Sie schon. Der Herr Baumgartner gilt eher als zurückhaltend.
Man kann aber schon motivieren, damit sich jemand öffnet. Das ist ja auch meine Aufgabe. Es sind nicht alle Menschen gleich.
Nach welchen Kriterien suchen Sie die Spieler für die Austria aus?
Die zwei Spieler, die in meiner Ära gekommen sind, waren natürlich klar überlegt. Das waren Stronati und Holzhauser. Wir denken, dass die Mannschaft jemanden braucht, der das Spiel aus der zweiten Reihe lesen kann, exzellent ist bei Standardsituationen und schon Erfahrung mitbringt. Mit 22 konnten wir Holzhauser auch gut langfristig an den Verein binden. Stronati ist 20, hatte die besten Zweikampfwerte und in kurzer Zeit einen kometenhaften Aufstieg gemacht. Bald kriegt man den nicht mehr, da haben wir frühzeitig drauf geschaut.
Hatten Sie Stronati schon länger im Fokus oder wurde er Ihnen zugetragen?
Länger im Fokus konnte ich ihn nicht haben. Er spielt erst seit Sommer in der ersten Mannschaft. Aber ehemalige Mitspieler von mir sitzen in der tschechischen Liga in den Sportdirektionen, da konnten wir persönliche Meinungen einholen.
Es ist generell ein Problem in Österreich, dass gute Spieler schwer zu halten sind. Kann man da überhaupt gegensteuern?
Wir können in allen Bereichen zulegen, um erfolgreicher zu werden. Dann kann es sein, dass die Spieler noch mehr Interesse haben, hier zu bleiben. Weil wir die Chance haben in der Champions League zu spielen. Wenn wir immer um Platz vier oder fünf Spielen, dann wird es schwierig, gute Spieler zu halten. Man darf aber das Finanzielle nicht unterschätzen. Wenn ein Spieler ein Angebot bekommt, wo er das Dreifache verdient, dann wird es schwierig.
Im Sommer laufen einige Spieler-Verträge aus. Ist das für Sie, als Sportdirektor, ein Vorteil, weil Sie viel ändern können, oder ein Nachteil?
Einmal so, dann wieder so. Es gibt ja auch Spieler, die ich gerne halten würde, die aber vielleicht weggehen. Aber es liegt an uns: Wenn wir als Verein gute Arbeit leisten, können wir die Spieler, die vielleicht überlegen woanders hinzugehen, überzeugen hier zu bleiben.
Präsident Katzian meinte bei Ihrer Bestellung: „Franz Wohlfahrt bringt ein internationales Netzwerk mit zur Austria." Was hat er damit gemeint?
Ich habe jetzt keine Excel-Liste mit meinen internationalen Kontakten erstellt. Aber ich habe in meinem Handy etwa 700 Nummern drinnen, wovon circa 40 privat sind – oder vielleicht 60 privat sind. Ich habe eine große Familie. Ich habe über 20 Jahre professionell Fußball gespielt, war jetzt acht Jahre Trainer. In sehr vielen Vereinen in Europa sind ehemalige Mitspieler von mir. Als Trainer, Sportdirektor oder im Marketing. Ich habe über 1000 Spiele absolviert, habe in der Deutschen Bundesliga gespielt. Ich war immer ein Mensch, der mit offenen Augen außer Haus gegangen ist und habe auch Beziehungen mit Spielern aufgebaut, die nicht mit mir in der Mannschaft gespielt haben. Mir fällt da zum Beispiel der Piplica ein, ein Bosnier, der hat bei Cottbus im Tor gespielt, ein lieber Bursch. Viele Kontakte können verdammt gut sein.
Denken Sie, dass Sie im Vergleich zu anderen Sportdirektoren sehr gut vernetzt sind?
Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, wie die anderen vernetzt sind. Ich weiß, dass ich verdammt gut vernetzt bin. Verdammt gut.
Mit Ihrer Bestellung gab es auch viele Kritiker. Es heißt: Da kommt wieder ein Ex-Austrianer, eine Legende, einer für den Prohaska in der Task Force gestimmt hat. Was entgegnen Sie den Kritikern, die von Freunderlwirtschaft sprechen?
Ich kann den Kritikern ja nur mit guter Arbeit entgegnen. Aber dafür brauche ich auch Zeit. Wobei ich jetzt nicht auf die Welt gekommen bin, um alle Kritiker zu überzeugen. Der Prozentsatz der Kritiker ist sehr gering.
Ist der Grund der Kritik für Sie nachvollziehbar?
Der Grund der Kritik kann ja auch sein, dass die Menschen sich mit ihren Informationen irgendwas zusammenstoppeln und gar nicht wissen was los ist. Aber ich akzeptiere diese Kritiken, werde aber keine Zeit dafür aufwenden.
Man hatte den Eindruck: Die Austria sucht jemanden, der den Verein gut kennt, der hier eine Legende ist. Ist das aus Ihrer Sicht wichtig?
Es gibt solche und solche Beispiele. Ich glaube nicht, dass der Ralf Rangnick Red Bull Salzburg gut gekannt hat. Aber er wird auch von allen Seiten angegriffen, weil soviel Geld da ist.
Hat man Vorteile, wenn man den Verein gut kennt?
Es hat den Vorteil, dass man nicht fremd ist. Und weil ich natürlich auch weiß, dass Austria Wien ein bisschen kompliziert ist, wenn man nicht gewinnt.
Wenn Sie jeden gut kennen, könnte das aber auch den Nachteil haben, dass Sie gelegentlich um Freundschafts-Dienste gebeten werden, oder?
Wenn ich helfen kann, dann würde ich es machen. Und wenn etwas aus meiner Sicht der Sache nicht dienlich ist, dann werde ich nicht helfen. Ich bin ja nicht nur dem Verein verantwortlich sondern mir gegenüber. Ich werde sicher nichts fördern, das der Sache nicht gut tut.
Eine Hypothese: Sie suchen einen neuen Trainer und geben ihrem guten Bekannten, dem Andreas Ogris die Chance. Man wird Ihnen Freunderlwirtschaft vorwerfen, auch wenn Sie ihn für gut befinden.
Diese Überlegung habe ich noch nicht gehabt. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich hätte am Montag bei ServusTV (in der Sendung Sport und Talk im Hangar, Anm.) sein sollen. Das war aber aufgrund der Wetterlage nicht möglich, da rauszukommen. Die Leute vom Sender haben gesagt, dass sie mir einen Chauffeur schicken. Dann habe ich gesagt: Bevor ich mit dem Chauffeur fahre, der mir fremd ist, den ich nicht kenne, frage ich meine Frau. Da geht es um Vertrauen. Na klar vertraue ich meiner Frau mehr als dem Chauffeur. Auch, weil ich weiß, dass meine Frau sehr gut Auto fährt. Würde meine Frau nicht gut Autofahren, würde ich mir das mit dem Chauffeur überlegen. Was ich damit sagen will: Wenn die Anforderungsprofile erfüllt sind oder gleich sind, dann werde ich mir immer jemanden nehmen, dem ich vertraue. Das ist ja logisch.
Das heißt: Die Chance, dass Sie einen Vertrauten holen ist größer als einen Außenstehenden zu verpflichten?
Wir reden nicht über den Trainer, sondern über den Chauffeur und über Vertrauen an sich. Wenn man es negativ betrachten will, ist es eine Freunderlwirtschaft. In Wirklichkeit ist es professionelles Denken. Eine Freunderlwirtschaft ist es dann, wenn ich jemanden nehme, obwohl ich weiß, dass er es nicht kann. Aber keiner braucht Angst davor haben, dass ich das mache. Da schneide ich mir ja selber in den Finger.
Es könnte ja sein, dass ein Außenstehender besser wäre, dem Sie aber keine Chance geben, weil Sie ihn nicht kennen und ihm deswegen nicht vertrauen.
Wer entscheidet das, ob er es besser kann?
Sie können es nicht wissen, ob er es besser kann, weil Sie ihn nicht kennen. Weil Sie ja demjenigen die Chance geben, dem Sie vertrauen.
Wenn ich jetzt die finanzielle Möglichkeit hätte, einen Trainer wie Mourinho zu bekommen, dann kenne ich den nicht, aber ich kenne seine Arbeit. Und dann nehme ich den. Das ist ja logisch. Aber es wird schwierig den zu kriegen.
Ihr Vorgänger hat einmal gesagt, er sucht Trainer nur in Österreich. Wie sehen Sie das?
Das sehe ich nicht so.
Also auch über die Grenzen hinweg.
Sicher. Warum nicht?
Welches Ziel für die Austria geben Sie, als sportlicher Leiter, bis Meisterschaftsende aus?
Das Ziel ist der zweite Platz. Ganz klar. Der erste Platz kann nicht das Ziel sein, weil wir 12 Punkte hinten sind. Wir haben uns das Ziel trotzdem hoch gesteckt. Ich habe gelernt, dass man sich hohe Ziele stecken muss, um das Minimalziel überhaupt zu erreichen. Das Ziel „internationaler Startplatz" ist mir zu wenig.
Was würden Sie gerne von Ihrer Mannschaft im Frühjahr sehen?
Primär ist das Wichtigste, das Spiel zu gewinnen. Was ich auf alle Fälle sehen will ist, dass es ein ganz klares Signal in der Mannschaft gibt...
Welches?
...alles rauszuhauen, was sie haben. Wenn wir dann verlieren, haben wir verloren. Sie selbst sollen alles reinhauen für den Erfolg. Alles. Von Spiel zu Spiel.
Das heißt: schön spielen wie die Austria und kämpfen wie Rapid.
Das wäre ideal. Noch dazu ein bisschen Glück. Aber das Glück ist ein Vogerl und kommt auch nicht, wenn wir nicht fleißig sind. Es gibt nach diesem Interview auch noch ein Gespräch mit der Mannschaft, wo dieser Appell noch einmal an die Spieler gerichtet wird. Aber: Wir können keine Siege garantieren. Das gibt es im Fußball nicht. Aber eines muss den Spielern klar sein: Dass sie den Arsch in die Hand nehmen und Abmarsch. Das muss ich sehen, das ist Pflicht.
Es klingt immer so, wenn Sie sagen „Die Mannschaft muss kämpfen" als ob das bisher nicht der Fall gewesen wäre. Hat die Mannschaft bis jetzt zu wenig gekämpft?
Das weiß ich nicht, wie das bisher der Fall war.
Sie haben ja die Spiele bislang auch verfolgt.
Wir haben 26 Punkte. Ich habe die Spieler unter einem anderen Faktor verfolgt. Ich habe Einzelspieler beobachtet.
Aber Sie haben ja als Fachmann trotzdem ein Urteil. Man sagt ja dann nach dem Spiel vielleicht: Die haben heute nicht das Letzte gegeben.
Das sage ich deswegen nicht, weil ich auf einer anderen Position bin als Sie. Aber ich weiß, dass es Potential gibt sich zu verbessern. Bei jedem Einzelnen. Auch bei mir. Das heißt aber nicht, dass bisher alles schlecht war. Aber wir können uns weiterentwickeln.
Die Austria war vor zwei Jahren zuletzt Meister. Ist das auch wieder ein Ziel, Meister zu werden?
Das klare Ziel ist für mich das Höchstmögliche. Und das ist in Österreich die Meisterschaft. Dieses Ziel werden wir uns setzen, gegen alle Widerströme. Jeder im Verein wird sich danach auszurichten haben.
Das heißt: Es darf ab der nächsten Saison niemand bei der Austria sagen: Salzburg ist zu stark, die haben so viel Geld?
Wenn ein Spieler das sagt, werden wir ihn nicht ans Kreuz nageln. Natürlich ist da noch Überzeugungsarbeit von mir notwendig, um bei der Sommervorbereitung dieses Ziel auszugeben. Für mich ist aber klar: Das Ziel muss das Höchste sein. Sonst bin ich hier falsch am Platz. Ich muss dafür Überzeugungsarbeit leisten, um die Burschen auf die Spur zu bringen, dass sie daran glauben. Und es ist bewiesen worden, dass es machbar ist.
Der Vorschlag der Task Force, dass Sie Sportdirektor werden, wurde vom Aufsichtsrat nicht einstimmig angenommen. Denken Sie, dass es Leute im Verein gibt, die nicht hinter ihnen stehen?
Das weiß ich nicht. Wenn es so ist, werde ich alles geben, um mir das Vertrauen zu erarbeiten. Das ist mir bis jetzt noch sehr oft gelungen. Ich erinnere nur an die Situation in der Nationalmannschaft. Beim Trainerwechsel von Constantini zu Marcel Koller gab es auch einen Tormanntrainerwechsel. Das Vertrauen in meine Person war nicht da, weil er mich nicht kannte. Er hat sich dann den Otto Konrad genommen, den er eigentlich auch nicht kannte. Wir sind trotzdem Büro an Büro gesessen, weil ich weiterhin die Torhüterausbildung gemacht habe und U21-Torwart-Trainer war. Wir haben Vertrauen gefunden. Nachdem der Konrad ausgeschieden ist, ist er zu mir gekommen und hat gesagt: Bist beleidigt? Ich sagte: Nein, warum. Und er hat gesagt: Na dann mach es du wieder. Ich hätte ja nie das Angebot bekommen, wenn er bemerkt hätte, dass ich ein Vogel bin. Ich habe einen offenen Stil. Ich weiß, ich mache nicht immer alles richtig. Ich weiß auch, dass ich nicht immer so viel reden sollte, wenn ich ins Gespräch reinkomme. Aber das ist meine Art. Und mir ist auch hundertprozentig bewusst, dass es an mir genügend Potential gibt, mich zu verbessern. Und wenn es mir gelingt mich zu verbessern, dann werde ich auch den einen oder anderen Menschen, der im Aufsichtsrat oder im Verwaltungsrat sitzt, überzeugen.
Wie haben Sie die Bestellung Kollers zum Teamchef damals aufgenommen?
Das war dasselbe wie bei mir. Kritik ist immer ein Zeichen der Unsicherheit. Wir wissen nicht genau was passiert. Aber das werden wir im Fußball immer haben. Aber nicht nur im Fußball, auch in der Politik. Es wird immer ein Fragezeichen geben: Geht das gut?
Bei der Austria reden im Hintergrund sehr viele Personen mit. Hat man es dadurch schwerer?
Ich habe diesen Eindruck bisher noch nicht gewonnen. Natürlich gibt es viele Menschen, denen der Klub sehr am Herzen liegt und die auf der Tribüne ihre Meinung äußern – impulsiv oder auch weniger impulsiv. Das ist ja überall so. Ich bitte ungern um etwas: Aber Zeit brauche ich schon. Ich möchte mit meiner Arbeit überzeugen und mit meiner Präsenz im Verein. Es sind ja nicht so viele Leute im Verein, die ich nicht kenne. Ich möchte beweisen, dass ich nicht nur Erfahrungen im Fußballbereich gemacht habe, sondern das auch umsetzen kann.
Es hat bis kurz vor Ihrer Bestellung geheißen: Die Austria sucht einen Sport-Vorstand. Sie sind jetzt Sportdirektor und unterstehen damit dem Wirtschafts-Vorstand. Wie haben Sie das aufgenommen?
In den Gesprächen mit mir ging es immer nur um die Position des Sportdirektors. Nicht, dass ich das unbedingt so wollte. Aber für meine Arbeit sehe ich dadurch keinen Unterschied. Es wurde mir dann auch gesagt: Wenn wir Vertrauen aufgebaut haben, könnte man da einen Schritt machen - zum Sport-Vorstand. Der Verein muss sich ja auch absichern. Die wissen ja nicht, ob ich ein Vogel bin. Aber das ist für mich ein Ziel, auf das ich hinarbeiten kann. Dadurch bin ich motiviert. Ich wollte immer, auch als Fußballer, dass es etwas gibt, wo ich hinarbeiten kann. Ich habe am Ende meiner Karriere das meiste Geld verdient. Wir haben als junge Spieler keine Millionen verdient und dadurch strebt man immer nach mehr.
Welche Möglichkeiten hat man als Sportdirektor den Erfolg zu beeinflussen?
Am Spielfeld hat man die Möglichkeiten vielleicht nicht. Sieg oder Niederlage werden schon in der Vorbereitung entschieden. Mannschaft zu sein heißt nicht, wie die Footballer am Mittelkreis zu stehen und sich einzuschwören. Man hat oft den Eindruck: Die tun nur so, praktizieren das aber in Wirklichkeit nicht. Das heißt: ich kann mir nicht erwarten, dass mein Mannschaftskollege mein Freund ist, wenn ich mit ihm vorher nie gesprochen habe. Wir müssen eine Mannschaft sein, bevor wir in einen Wettkampf gehen.
Also nach dem Motto: Elf Freunde sollt ihr sein?
Ja. Es ist eine alte Geschichte.
Waren die Spieler bisher keine Freunde?
Das weiß ich nicht. Ich erkläre nur die Idealvorstellung. Ich sage: Die sind sogar zu gut miteinander.
Dann haben Sie Ihr Ziel ja schon erreicht.
Sie sollen auch gar nicht zu gut miteinander sein. Sie sollen sich fordern und gefördert werden. Sie sollen auch anecken, aber immer mit Respekt. Und nicht vor zehntausend Zuschauern, sondern in der Kabine. Sie sollen sagen: Komm her, mir passt was nicht. Eine Diskussion. Das hat nichts mehr mit Hierarchie zu tun, sondern es geht um ein gemeinsames Verbessern. Das ist Team. Das ist Fußball. Um das geht es ja.
Danke für das Gespräch.