Dominik Voglsinger: 'In Österreich könnte man noch so richtig viel verändern'

Vor drei Jahren wurde er nach öffentlicher Kritik als Nachwuchsbetreuer der Vienna entlassen und heuerte beim DFB an. Jetzt könnte er in der Nachwuchsakademie eines Premier League-Klubs landen. Dominik Voglsinger im Gespräch mit 90minuten.at über die Mäng

Dominik Voglsinger ist gerade auf Heimatbesuch in Österreich. Die letzten zweieinhalb Jahre hat er in Deutschland verbracht, in den nächsten Wochen fliegt er nach England, um mit zwei Londoner Klubs über ein Engagement in einer von deren Nachwuchs-Akademien zu verhandeln. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte Voglsinger erstmals vor drei Jahren als Nachwuchsbetreuer des damaligen Zweitligisten Vienna. Nach einem Interview, indem Voglsinger die Nachwuchsbedingungen und fehlenden Reformwillen des Klubs kritisierte, wurde er entlassen. Die Vienna-Verantwortlichen sprachen damals von „fehlender Teamfähigkeit" Voglsingers, der kurz darauf ein Angebot des DFB erhielt. „Wenn ich nicht teamfähig wäre, hätte man mich wahrscheinlich nach drei Wochen in Deutschland wieder nach Hause geschickt", sagt er heute. In Deutschland war er beim Niedersächsischen Fußballverband (NFV) als Nachwuchstrainer-Ausbildner und beim DFB Stützpunkt in Niedersachsen als Technik-Betreuer für Nachwuchsmannschaften installiert. Auch seine Sportmanagement-Ausbildung hat er in Deutschland absolviert. Nebenbei trainierte er den deutschen Landesligisten VSK Osterholz-Scharmbeck, bei dem er aber vor zwei Monaten entlassen wurde. Vereinsmanager Markus Friedrichs deutete an, dass der große Tatendrang Voglsingers dazu geführt habe: „Wir sind ein Landesligaverein. Und wir sind alle berufstätig. Dominiks Ansprüche waren weitaus höher. Wir konnten ihm nicht das Umfeld bieten, das er haben wollte." Voglsinger hatte regelmäßig zusätzliche Trainingseinheiten angeboten. In erster Linie für jene Akteure, die wegen Schichtdienst oder anderer Verpflichtungen weniger trainieren konnten. Jetzt läuft auch sein Vertrag beim DFB aus. Laut eigenen Angaben hat er zwei Angebote aus der Premier League. Mitte April fliegt er dafür nach London. Aus Österreich gebe es keine Nachfragen. „Dabei gibt es gerade hier noch sehr viel zu verändern", sagt er und erklärt im Gespräch mit 90minuten.at, warum der österreichische Bundesliga-Fußball auf der Stelle tritt.

 

Dominik Voglsinger ...
...über die Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland: "Ich habe die letzten zwei, drei Jahre in Deutschland viel mitbekommen und war auch öfter bei Bayer Leverkusen hospitieren. Der Unterschied ist, dass dort die meisten Klubs einen Plan verfolgen, wie sie spielen wollen. Und diesen Plan ziehen sie von der Jugend an durch. Dort werden fachlich gute Trainer schon ab der U-12 fix angestellt. Diese Durchgängigkeit fehlt in Österreich, vieles läuft so nebenbei mit."


...über die Bedeutung einer Spielphilosophie (Spielidee): "Die Spielidee muss im Nachwuchsbereich vorgegeben werden. Weil in der Kampfmannschaft kommt ja öfter ein neuer Trainer, mit einem neuen Plan, einer neuen Spielstruktur. Die Spielidee, wie der Verein spielen will, muss vom Nachwuchsbereich auf die Kampfmannschaft übergehen. Von unten nach oben. Nach der Philosophie, die im Jugendbereich gespielt wird, müssen auch die Amateure und die Kampfmannschaft spielen. Den Trainer muss man demnach aussuchen, ob er die Philosophie, die im Nachwuchs gespielt wird, umsetzen kann und nicht umgekehrt. Sonst muss ja das ganze Nachwuchskonzept immer nach der Spielphilosophie des neuen Kampfmannschaft-Trainers umgestellt werden. Der Nachwuchsleiter und der sportliche Leiter des Vereins müssen sich abstimmen, wohin es die nächsten Jahre geht. Es geht ja nicht, dass jeder Trainer seine Philosophie mitbringt. Was ist, wenn der Trainer in einem halben Jahr keinen Erfolg hat, dann kommt der nächste Trainer mit einer anderen Philosophie? Das geht ja nicht. Da kommt ja nie ein Weg zustande. Wenn ich mir bei Leverkusen ein Spiel der U17 anschaue und danach ein Spiel der Kampfmannschaft, dann findest du einen Wiedererkennungswert."

 

In Österreich könnte man noch richtig viel verändern. Aber es stehen immer persönliche Befindlichkeiten im Weg.< /div>< /div>


...über Vorzeige-Beispiele in Österreich: "Bei Red Bull Salzburg sieht man diese Spielidee, diesen Plan, sehr deutlich. Dort will man früh gegen den Ball anpressen, den Ball früh erobern, um dann gegen einen taktisch unorganisierten Gegner in einer gewissen Sekundenanzahl den Gegenangriff einzuleiten. Wenn sich der Gegner schnell wieder organisiert, gibt es einen Abbruch des Angriffs, man bleibt in Ballbesitz und versucht mit flexiblen Freilaufbewegungen, schnellen Positionswechseln und einem guten Passspiel einen neuen Angriff aufzubauen. Man sieht das bei Salzburg und Leipzig ganz genau. Die haben einen Plan und den verfolgen sie. Die überlegen sich: Welcher Trainer kann unsere Spielidee weiter verfolgen und nicht umgekehrt. In Deutschland macht das die Mehrzahl der Vereine so. Ich habe das bei Bremen mitbekommen, bei Leverkusen, bei Wolfsburg. Ich will Österreich gar nicht mit Deutschland oder mit anderen Ländern vergleichen. Wir sind Österreich, wir sind ein anderes Land, wir sind ein kleineres Land. Aber dadurch haben wir auch einen Vorteil. Unsere Wege sind hier auch kürzer. Wir – unsere zwanzig Bundesligavereine – müssen einen Plan finden, wie wir Fußball spielen möchten. Auch gesamtösterreichisch gesehen. Aber bei uns macht ja jeder komplett unterschiedliche Sachen."


...über unausgeschöpftes Potential in der österreichischen Bundesliga: "Hier könnte man noch richtig viel verändern. Aber es stehen immer persönliche Befindlichkeiten im Weg. Wenn alle zusammenarbeiten, wenn sich Bundesliga und ÖFB an einen Tisch setzen und zusammen etwas entwickeln, dann ist viel möglich, kann man viel verändern. Und dafür wäre es auch höchste Zeit."

 

Ralf Rangnick will eine gewisse Art von Fußball spielen. Das heißt ja nicht, dass man dort nicht flexibel bleibt, was das System betrifft und es auch dem Gegner anpasst.< /div>< /div>

...über den Vorwurf, eine Spielphilosophie mache den Verein ausrechenbar und unflexibel: "Ralf Rangnick zum Beispiel will eine gewisse Art von Fußball spielen. Das heißt ja nicht, dass man dort nicht flexibel bleibt, was das System betrifft und es auch dem Gegner anpasst. Aber es gibt eine Art und Weise wie man Fußball spielen will. Dieser Gedanke sollte immer wieder sichtbar sein. Aber Spielphilosophie, System oder Matchplan werden oft verwechselt. Das System ist die Grundformation: 4-4-2 oder 4-2-3-1, das ich an den Gegner anpasse. Aber die Spielidee, die Spielphilosophie ist: Welchen Fußball will ich grundsätzlich spielen. Da muss sich der Verein klar sein: Was will ich haben? Die Austria beispielsweise verkörpert von ihrer Geschichte her den technisch hochwertigen Fußball, einen eleganten Fußball. Da hat man eine Marke und die muss man miteinfließen lassen in die Philosophie.

 


...über die Schwierigkeit mit weniger Budget eine Philosophie zu entwickeln: "Salzburg investiert viel Geld in den Fußball, entwickelt eine klare Strategie, baut Akademien. Jetzt müssen die anderen Vereine Lösungen finden, um mitzuhalten. Das ist natürlich auch eine Geldfrage. In Deutschland beispielsweise hat M´Gladbach aber auch nicht das höchste Budget, aber sie haben eine Linie, haben immer gute Einkäufe und eine gute Nachwuchsarbeit. Vereine mit einem geringeren Budget dürfen sich einfach weniger Fehler – zum Beispiel bei Transfers – erlauben. Das macht dann den Unterschied aus, dass man auch als kleiner Verein mithalten kann. Aber in Österreich erkennt man keinen großen Unterschied zwischen großen Vereinen und den eher kleinen Klubs, was das sportliche betrifft. Und da hat man es verpasst, sich abzusetzen. Man sieht bei den kleinen Vereinen wie Altach oder Ried, was mit einem guten Konzept möglich ist."

 

Der Vorstand hat oft nicht die Qualität zwischen einem guten und einem schlechten Trainer zu unterscheiden.< /div>< /div>


...über Vorstände, die nicht zwischen guten und schlechten Trainern unterscheiden können: "Der Vorstand hat oft nicht die Qualität, zwischen einem guten und einem schlechten Trainer zu unterscheiden. Es sitzen noch immer viele Leute in Gremien, die mit dem Fußball gar nichts am Hut haben. Trainerbestellungen sind oft ein Politikum. Ich kann auch als Fußballer nicht einfach mit 34, 35 Jahren zu spielen aufhören und mich dann, ohne einen Tau von der Thematik zu haben, in eine Führungsposition setzen. Man sollte schon dementsprechend eine Ausbildung absolvieren."


...darüber, dass es keine Ausbildung für Sportdirektoren gibt: "Es gibt aber Sportmanagement-Ausbildungen. Auf Schalke. Oder auch anderswo. Ich habe meine Sportmanagement-Ausbildung in Düsseldorf gemacht. Man lernt Betriebswirtschaft, Merchandising, Marketing, Sponsoring. Wir reden ja von der Bundesliga, vom höchsten Niveau, der Fußball entwickelt sich immer weiter. Wenn man diese Ausbildung hat, ist das sicher ein Vorteil. Du musst heutzutage Ahnung vom sportlichen und vom wirtschaftlichen Bereich haben. Umso mehr Ahnung, umso mehr Qualität du hast, umso mehr kannst du einem Verein helfen. Die Leute zahlen Eintritt und haben die haben auch verdient, dass gute Arbeit abgeliefert wird."


...über die Nachwuchsarbeit in Österreich: "Ich habe noch immer einen guten Einblick in die Nachwuchsarbeit in Österreich, weil ich noch mit vielen Betreuern in Kontakt stehe. Die Nachwuchsnationalmannschaften sind auf einem guten Weg. Aber bei den Klubs sind wir im Nachwuchsbereich noch nicht dort, wo wir hinwollen. Es geht da noch viel mehr. Da muss ich einen fixen Trainer für die U-14 einstellen und nicht erst ab der U-17 oder der U-19. Wir müssen in die Nachwuchsarbeit investieren und dort Geld in die Hand nehmen, um gute Trainer zu installieren. Wir haben immer ein, zwei gute Trainer ab der U-17, aber nicht durch die Bank. Da gehören die Schwerpunkte gesetzt und durchgezogen. Und bei den Kampfmannschaften trauen sich viele Trainer noch immer nicht, junge Spieler auch einzusetzen. Weil man befürchtet zu verlieren und dass dann der eigene Stuhl wackelt. Die Trainer müssen die Spieler aber weiterentwickeln."

 

Rapid hat keine Akademie, wo die Spieler in die Schule gehen und wo sie im Fußball so gefördert werden wie zum Beispiel bei Schalke oder anderen Klubs.< /div>< /div>


...sollen junge österreichische Fußballer früh ins Ausland gehen?: "Wenn jemand die Möglichkeit hat ins Ausland zu gehen, also zum Beispiel in Deutschland in eine Akademie, dann muss er es machen. Weil einfach die Möglichkeiten, die Strukturen, viel professioneller sind. Das ist eben so. Die sind uns da um Jahre voraus. Das heißt nicht, dass jemand mit 13 Jahren weggehen soll. Aber wenn jemand mit 15, 16, 17 die Möglichkeit hat, und dieser Spieler auch sozial so weit ist, also zum Beispiel kein Heimweh hat, dann schon. Rapid hat keine Akademie, wo die Spieler in die Schule gehen und wo sie im Fußball so gefördert werden wie zum Beispiel bei Schalke oder anderen Klubs. Aber man muss auch aufpassen, wo man hin wechselt und ob dort alle Möglichkeiten gegeben sind. Auch bei Austria Wien ist alles gut und schön, aber die Dimension im Ausland ist schon etwas anderes. Ich war ja nicht nur drei Wochen in Deutschland, sondern ich habe mich die letzten drei Jahre in meiner Verbandsarbeit mit der Thematik beschäftigt. Manches kann man halt nicht wegleugnen."