Damir Canadi: ‚Ich muss immer öfters die Frage beantworten, ob ich zur Austria gehe'

Sechs Punkte hat der SCR Altach derzeit Vorsprung auf einen Nicht-Europacup-Platz, sollten Red Bull Salzburg oder der WAC den Cup gewinnen, sind es sogar 12. Warum der Erfolgslauf Altach-Trainer Damir Canadi eigentlich nicht so überrascht, was im Ländle n

 

90minuten.at: Nach 30 Runden liegt Altach auf Platz drei. Ralf Rangnick zollte Ihnen vor Kurzem Respekt für diese Arbeit, stellt aber auch gleichzeitig fest, dass die großen Vereine sich nicht von einem Aufsteiger vorführen lassen dürfen. Wie stehen Sie dazu?
Damir Canadi: Ich bin in der Sendung gesessen und Herr Rangnick kann zunächst einmal sagen, was er will. Das ist seine Entscheidung. Ich glaube aber nicht, dass er damit Altach attackiert hat. Er ist lange genug dabei und selber ein Fachmann und muss das verantworten. Ich will das nicht weiter kommentieren.

 

Dass Aufsteiger in der ersten Saison in der Bundesliga groß aufspielen ist in Österreich nicht wirklich überraschend. Wurde der SCR Altach von den Gegnern ausreichend vor den jeweiligen Spielen analysiert oder konnten Sie Rapid, Salzburg, Austria & Co aus Ihrer Sicht überraschen?
Diese Frage müssen die Großklubs beantworten. Wir sind mit unseren Zielen in die Saison gegangen. Was dabei rauskommt, ist nicht unsere Sache. Wir wollen uns in den nächsten drei bis fünf Jahren in der Bundesliga als fixer Bestandteil etablieren. Das ist wichtig für den Verein, das Rheintal und Vorarlberg. Diese Ziele ändern sich nicht.

 

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Taktische Varianten zeichnen uns aus und sind auch wohl der Grund, warum wir so erfolgreich sind. < /div>< /div>< /blockquote >

 

Wie groß ist die Herausforderung an den Trainer, nach einem Jahr in der zweiten Liga, in dem man Meister wurde und dominant auftrat, nun defensiver zu spielen?
Man muss sich anpassen, denn hier ist die Qualität eine andere. Salzburg oder Ried spielen sehr dominant, das werden wir mit Hannes Aigner in der Spitze nicht so machen. Welche Spielart wir dann wählen, hängt vom Gegner ab, da sind wir eben sehr flexibel und es ist auch nicht mehr so dominant wie in der zweiten Liga. Für uns ist unser Plan die beste Variante. Wir haben einen ausgeglichenen Kader, sind flexibel und kompakt. Das sind unsere Grundparameter. Wir haben eben begrenzte Mittel und haben versucht, eine Mannschaft zusammen zu stellen, die auch in der Bundesliga bestehen kann. Es sind allesamt Spieler, die bei ihren bisherigen Vereinen nicht gespielt haben oder wo ein „Eutzerl" gefehlt hat, wie Prokopic oder Pöllhuber. Sie passen aber als Menschen sehr gut zu uns und können sich hier beweisen. Für die zweite Leistungsstufe waren sie sehr gute Spieler. Altach muss aber eben anders funktionieren, alleine vom Budget her. Eine Möglichkeit, die wir haben, sind sicherlich taktische Varianten, die uns auszeichnen und wohl auch der Grund sind, warum wir so erfolgreich sind. Das haben aber schon genug andere Vereine auch vor exerziert. Es ist ja nicht so, als ob das Altach erfunden hätte.

 

Konterkariert das auch das derzeit moderne, sehr aktive hohe Pressing? Ein paar Kennzahlen: Ein Tor weniger als Red Bull Salzburg kassiert, mit zwei mehr erzielten Toren gleich sechs Punkte mehr als WAC. Oder vier Tore mehr als Ried, aber 12 Punkte mehr auf dem Konto und 17 Punkte mehr als die Austria, obwohl man dort 2:5 verloren hat. Ist das gnadenlose Effizienz? Immerhin gab es auch noch drei sehr hohe Niederlagen?
Unser Plan wird nicht geändert, wir setzen eventuell die Pressingzonen anders, aber – noch einmal – wir werden den Fußball nicht neu erfinden. Das Konzept ist vorgegeben und da wollen wir das bestmögliche herausholen. Es gibt aber auch immer wieder Ausreißer. Spannend ist, dass wir in vielen Spielen zu Null gespielt haben (Anm.: 13 Ligapsiele), wenn wir aber nicht an die Leistungsgrenzen gehen, verlieren wir auch einmal vier oder fünf zu Null. Wenn ich das minimieren könnte, wir „normal" verlieren würden, wären wir noch stärker. Vielleicht ist das die Ligaerfahrung, die fehlt; dass wir dann in Rückstand gleich noch das dritte, vierte oder fünfte Gegentor bekommen. Da haben wir sicherlich noch Verbesserungspotential.

 

Wo noch?
Wir haben kaum Rahmenbedingungen, kaum Trainingsmöglichkeiten, kaum Regenerationsmöglichkeiten. Wir versuchen wirklich mit den wenigsten Mitteln das Optimale raus zu holen, damit der Fortbestand gesichert ist. Wenn ein Jahr wie heuer dabei ist, sind wir sehr dankbar. Mein Ziel ist es, Kontinuität rein zu bringen.

 

Dann kommt das verflixte zweite Jahr – zumindest war das zuletzt so: Selbst wenn der Trainer bleibt, gehen die besten Spieler, die Aufstiegseuphorie ist verflogen und so weiter...
Wir versuchen, auf Kontinuität zu setzen. Fast 90 Prozent der Spieler, mit denen wir planen, haben wir schon verlängert. Und jenen, mit denen wir nicht mehr planen, haben wir das auch schon mitgeteilt. Mit Christian Schilling haben wir schon eine Neuverpflichtung.

 


Derzeit haben Sie sechs Punkte Vorsprung auf den fünften Platz, der für den Europacup reicht, wenn Salzburg das Double holt. „Altach in der Europa-League-Qualifikation", diese Headline werden wir wohl im Mai lesen können. Wie wertvoll wäre ein Europacupstart aus sportlicher Sicht?
Recht wahrscheinlich finde ich sehr gut. Wir haben eine gute Ausgangsposition. Wir sind zuhause sehr stark und können uns eine tolle Basis legen. Wenn wir die letzten fünf Runden dabei sind, kann man drüber reden, was wir erreichen können. Wir müssen noch sechs Spiele spielen. Und wir haben großen Respekt unseren Gegnern gegenüber. Wir haben jetzt das direkte Duell mit dem WAC, die haben sechs Punkte Rückstand und wenn sie gewinnen, sind es logischerweise nur mehr drei. Gegen Rapid und Salzburg kann man, obwohl es Heimspiele sind, auch nicht sagen, dass Altach da jetzt beide Partien gewinnt. Das wäre vermessen.

 

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 Als wir aufgestiegen sind, hieß es: „Die steigen eh gleich wieder ab." Jetzt wissen alle, dass wir nicht absteigen werden. Jetzt sagen viele immerhin schon: „Na, schau wir mal nächstes Jahr." Dieses Misstrauen spürt man und wir wollen dieses Denken in Vorarlberg wegbringen.< /div>< /div>< /blockquote >

 

Altach investiert ins Stadion, will den Schwung der aktuell ausgerufenen Infrastruktur-Offensive nützen, um sich nachhaltig in der Bundesliga zu etablieren. Immerhin strebt die Liga einen Zuschauerschnitt von über 10.000 bis 2020 an. Welches Potenzial sehen Sie in Altach, derzeit liegt der Schnitt bei 5.219?
Wenn 2020 das Ziel ist, ist in Vorarlberg sehr viel möglich. Es ist ein tolles Land mit fußballbegeisterten Menschen. Aber sie kennen den professionellen Fußball nicht so gut. Viel spielt sich im Amateurbereich ab, man hat hier im Profibereich wenig erlebt. Hie und da gab es Bundesligafußball, wie von Austria Lustenau, Bregenz und uns, aber es waren bislang immer eher kurzfristige Geschichten. Dieses Bedürfnis müssen wir erst schaffen. Als wir aufgestiegen sind, hieß es: „Die steigen eh gleich wieder ab." Jetzt wissen alle, dass wir nicht absteigen werden. Jetzt sagen viele immerhin schon: „Na, schau wir mal nächstes Jahr." Dieses Misstrauen spürt man und wir wollen dieses Denken in Vorarlberg wegbringen. Hier liegt sehr viel brach, es gibt viele große Firmen, wie die Firmen Blum, Rauch, Pfanner oder Liebherr. Das sind große Unternehmen, aber sie sind im Fußball nicht so aktiv. Auch war ein großes Konkurrenzdenken da, zuletzt zwischen Austria Lustenau und Altach. Die Sponsoren haben sich raus genommen, haben gesagt: Wenn ich dem was gebe, muss ich dem anderen auch was geben. Unser Budget zu erhöhen würde freilich helfen, natürlich auch durch Spielerverkäufe. Mit 5,2 Millionen Euro Gesamtbudget, davon 3,5 für die Kampfmannschaft, sind wir sicherlich an der unteren Grenze. Da haben wir noch sehr viel Arbeit vor uns.

 

Können Sie den Themenkomplex „Dorfklub" erläutern? Ist das aus Ihrer Sicht was Gutes oder etwas Schlechtes?
Ob wir ein Dorfklub sind? Das ist schwierig. Altach ist ein 6.000-Einwohner-Dorf. Aber es gibt den Verein schon lange, wir sind sehr erfolgreich, man kennt uns. Das ist mein Gefühl – es gibt aber noch viel Luft nach oben. Vielleicht wird der Verein einmal „der" Vorarlberger Verein. Aber ich bin nur Trainer. Ich bin aber auch der Meinung, dass Altach nicht mit Grödig vergleichbar ist – wir wollen uns aber auch nicht mit Ried messen. Die haben das sehr gut gemacht, da kann man sich etwas abschauen, wie die das geschafft haben, ein fixer Bestandteil der Liga zu werden. Wenn man sich aber ansieht, wer bei uns im Aufsichtsrat und im Vorstand sitzt, sieht man, dass der Verein politisch und von den Sponsoren her sehr breit aufgestellt ist. Aber es gibt kein Landesstadion in Vorarlberg. Wenn wir es in den Europacup schaffen, haben wir ja nicht einmal ein Stadion, in dem wir international spielen können. Das fehlt. Wenn wir irgendwann ein Stadion hätten, in dem einmal das Nationalteam spielen könnte, wäre das für die Kids super. Das ist eine Vision. Man sieht, dass die Spieler von den Kindern heldenhaft gefeiert werden, das spürt man. Sie wollen Autogramme. Da ist eine Euphorie da.

 

Kommen wir auch zu Ihrer Person: Welche Ziele als Trainer verfolgen Sie? Wohin soll Sie Ihre Karriere führen?

Wenn man sich meinen Weg anschaut, ist der wahrscheinlich einzigartig. Ich habe bei Leopoldsdorf im Marchfeld begonnen, war dann bei Fortuna 05, dann beim SV Donau und bin übers PSV/Team für Wien in die Erste Liga zu Lustenau gekommen. Ich war in jeder Liga erfolgreich, habe auch auf meine Entwicklung geschaut. Ich war in jeder Liga rund drei Jahre. So ist es jetzt auch. Jetzt bin ich das erste Jahr in der Bundesliga und will mich als Trainer entwickeln. Wo es hingehen wird, weiß ich nicht. Ich will das höchstmögliche erreichen und alles dafür geben. Das Schönste wäre es für – wie für jeden Trainer – die Champions League zu gewinnen. Diese Ziele und Träume hat aber wohl jeder Trainer.

 


Ein Bundesligameistertitel wäre schön in der Vita?
Ich war in jeder Liga Meister, außer mit dem FC Lustenau, der schon quasi abgestiegen war. Meine schlechteste Tabellenplatzierung war der zweite Platz. Jetzt warten wir, was mit Altach heraus kommt. Dann kann man sich Gedanken machen. Ich habe jetzt einmal zwei Jahre verlängert und für meine Entwicklung bin ich genau am richtigen Ort. Aber im Fußball kann man auch nur kurzfristig denken. Ich war damals innerhalb von zwei Tagen in Moskau (Anm.: als Teil des Betreuerteams von Rashid Rachimov bei Lokomotive Moskau). Das sind oft Sachen, die man nicht planen kann. Meine Familie steht hinter mir, das ist mir wichtig. Das ist entscheidend, alles andere wird man dann sehen.

 

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 Wenn man wo hinein springt, muss man sich mit den Mechanismen eines Vereins auch auskennen. Wenn man zuerst rein geht und dann Entscheidungen trifft, wird es schwierig.< /div>< /div>< /blockquote >

 

In den vergangenen Jahren gab es ein offensichtliches Modell der größere Klubs: Man verpflichtet Trainer, die sich mit einem kleineren Klub in der Bundesliga mit einer soliden Defensiv-Taktik gut geschlagen haben. Oft kam jedoch dann die Erkenntnis, dass man mit einem Spitzenklub anders spielen lassen muss, woran dann des Öfteren Kollegen von Ihnen gescheitert sind. Haben es sich da die Vereine bei der Trainerauswahl manchmal zu einfach gemacht. Frei nach dem Motto: „Was in St. Pölten funktioniert, muss auch in Wien funktionieren."?
Man muss sich jeden Fall speziell ansehen. Ich hatte auch schon ein tolles Angebot, das ich ausgeschlagen habe. Ich werde in Altach meine Saison zu Ende machen. Ich bin überzeugt, dass mit diesen Jungs hier noch Luft nach oben ist. Wenn mir dann irgendwann jemand sagt, dass ich der Mann bin, der diesen Verein weiter bringen kann und ich bin auch davon überzeugt, dass ich zu diesem Verein passe, mich dort weiter entwickeln kann, dann ist das im Fußball immer möglich, das so etwas passiert. Das ist derzeit aber nicht der Fall und ich denke auch nicht darüber nach. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass ich eine Ausstiegsklausel habe, wenn einmal etwas sein sollte. Ich kann offen kommunizieren.

 

Ich werde Sie jetzt nicht fragen, ob Sie im Sommer zur Austria gehen...
(lacht) Die Antwort brauche ich sowieso nicht geben. Ich muss diese Frage aber immer öfters beantworten, ob ich eventuell ein Thema bin. Das weiß ich aber nicht. Es hat noch keine Gespräche gegeben.

 

Bei Spielern sagt man immer, dass der Wechsel zum Großklub zu schnell kam. Gilt das nun auch für Trainer?
Ich komme aus dem Wiener Raum und kenne mich dort aus. Jetzt hatte ich das Glück, hier in Altach ein bisschen etwas anderes kennen zu lernen. Wenn man wo hinein springt, muss man sich mit den Mechanismen eines Vereins auch auskennen. Wenn man zuerst rein geht und dann Entscheidungen trifft, wird es schwierig. Aber für mich muss das jeder Trainer selbst entscheiden. Ich bin einer, der sich mit Lösungen beschäftigt und ich persönlich frage mich nie, ob ich das schaffe oder nicht. Wenn ich von etwas überzeugt bin, entscheide ich das dann auch so. Wie das bei anderen Trainern ist, weiß ich nicht.

Wir danken für das Gespräch!