Alexander Koch: ‚Alles, was die FIFA macht, ist grundsätzlich gut'

Rund um die FIFA-Weltmeisterschaften hagelte es zuletzt viel Kritik für den Fußball-Weltverband. Im Rahmen von Sport & Marke 2015 spricht Alexander Koch, Corporate Communications Manager der FIFA, im 90minuten.at-Interview über schlecht recherchiere FIFA-

 

Herr Koch, bei Ihrem Vortrag beim „Sport & Marke"-Kongress bekam man den Eindruck, dass Sie viele Kritikpunkte an der FIFA entschärfen, indem Sie die Schuld dafür der medialen Berichterstattung zuschieben. Täuscht dieser Eindruck?
Alexander Koch: Nein, das ist leider so. Die Medienberichterstattung rund um die FIFA ist weit davon entfernt, objektiv und gut recherchiert zu sein. Wir haben ein angeschlagenes Image und da ist es für Medien offensichtlich leichter alles negativ darzustellen, als positiv zu berichten. Wenn Sie mit einem gut recherchierten, positiven Bericht über die FIFA bei ihrem Chefredakteur erscheinen, wird der Sie fragen, ob Sie noch ganz richtig im Kopf sind. Solche Storys verkaufen sich einfach nicht. Ganz anders, wenn Sie einen Skandal aus einem Thema machen können, dann wird das zur großen Schlagzeile.

 

Ist das nicht eine sehr einseitige Betrachtungsweise?
Klar war das jetzt sehr allgemein formuliert, aber grundsätzlich kann man alle Dinge von zwei Seiten betrachten und bei uns wird eben konsequent die negative Seite gesehen.

 

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Wenn man etwas Negatives finden will, findet man es auch und wir haben über Jahre hinweg die Erfahrung gemacht, dass sich viele Leute dahingehend bei Berichten zur FIFA noch ein wenig mehr bemühen. < /div>< /div>< /blockquote >

 

Also alle gegen die FIFA?
Wenn man etwas Negatives finden will, findet man es auch und wir haben über Jahre hinweg die Erfahrung gemacht, dass sich viele Leute dahingehend bei Berichten zur FIFA noch ein wenig mehr bemühen. Natürlich betrifft diese Art der Berichterstattung die FIFA nicht exklusiv, auch andere Konzerne und Organisationen haben damit zu kämpfen. Nehmen wir etwa die aktuelle Berichterstattung zur Weltbank: Bei Hunderten der von ihr finanzierten Projekte sollen die Menschenrechte verletzt worden sein. Jetzt ist es aber so, dass die Projekte, die da umgesetzt wurden, für viele Staaten sehr wichtig und im Grund genommen auch dringend notwendig und richtig sind. Was man diskutieren kann, ist die Art, wie diese Projekte umgesetzt wurden, aber in den Medien werden die Projekte generell als falsch verurteilt. In meiner Sicht ist das also eine tendenziöse Betrachtungsweise, die den eigentlich positiven Charakter völlig ausblendet.

 

Können Sie trotzdem einen der vielen Kritikpunkte an der FIFA, die rund um die Weltmeisterschaft in Brasilien aufgetaucht sind, nachvollziehen?
Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik an der FIFA, aber die FIFA muss oftmals für Dinge herhalten für die sie gar nicht verantwortlich ist. Bis jetzt hat die FIFA beispielsweise kaum Einfluss auf die Auswahl der Stadienstandorte und da würde ich uns für die Zukunft sicherlich mehr Mitspracherecht wünschen. In Brasilien hätten wir hinter zwei oder drei Bauten wohl ein riesiges Fragezeichen gemacht, das wurde dort nicht optimal gelöst, da haben ganz klar politische Interessen die Standortwahl beeinflusst. Diese Vorgangsweise muss grundsätzlich aber auch nicht immer schlecht sein, bei der Weltmeisterschaft in Deutschland war es beispielsweise politischer Wille, in Leipzig und damit im Osten ein Stadion zu haben. Wir hätten den Standort damals vermutlich nicht auf dem Radar gehabt, aber wie sich jetzt zeigt, wird das Stadion auch regelmäßig bespielt und ist gut besucht.

 

Und was sagen Sie zu den anderen Kritikpunkten, etwa dass für die Weltmeisterschaft Leute zwangsumgesiedelt werden mussten?
Da sind sehr viele Kritikpunkte auf uns eingeprasselt, die wir so nicht auf uns sitzen lassen wollten. Als wir etwa von den Zwangsumsiedelungen gehört haben, haben wir mit allen Host Citys Kontakt aufgenommen und die haben uns glaubhaft und schriftlich versichert, dass die Umsiedlungen mit der Weltmeisterschaft direkt nichts zu tun hatten und auch ohne die Weltmeisterschaft stattgefunden hätten. Um das zu verifizieren, haben wir auch mit den Vereinten Nationen Kontakt aufgenommen – mit demselben Ergebnis.

 

Ein Kritikpunkt waren auch die zu hohen Ticketpreise.

Die Preise sind im Verhältnis zu anderen Sportveranstaltungen nicht hoch und teilweise sogar billiger als für normale Ligaspiele. In Brasilien haben wir zudem 120.000 Karten gratis verteilt. Aber auch das hat zu Kritik geführt.

 

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Auch der Kritikpunkt, dass es Todesopfer auf FIFA-Baustellen gegeben hätte, stimmt nicht, da es einerseits keine FIFA Baustellen gibt, weil die FIFA nicht selbst baut und andererseits es auf den sogenannten WM-Baustellen bis heute glücklicherweise keinen einzigen Todesfall gegeben hat. < /div>< /div>< /blockquote >

 

Inwiefern?
Viele Leute in Brasilien haben nicht verstanden, dass Menschen, die sowieso schon Sozialhilfe und Unterstützungen bekommen, nun auch noch gratis Tickets erhalten.

 


Kritik gibt es an der FIFA auch im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2022 in Katar, etwa was die Arbeitsbedingungen auf den Stadion-Baustellen betrifft.
Als in den Medien von 400 Todesopfern auf WM-Baustellen gesprochen wurde, gab es noch gar keine WM-Baustellen. Auch der Kritikpunkt, dass es Todesopfer auf FIFA-Baustellen gegeben hätte, stimmt nicht, da es einerseits keine FIFA Baustellen gibt, weil die FIFA nicht selbst baut und andererseits es auf den sogenannten WM-Baustellen bis heute glücklicherweise keinen einzigen Todesfall gegeben hat. Seit mittlerweile 65 Jahren bauen europäische Unternehmen in der Region und noch nie waren die Arbeitsbedingungen dort ein Thema. Jetzt hat sich das – gottseidank – geändert, jetzt reden wir darüber, weil die Bedingungen wirklich nicht gut sind, aber wie gesagt, das hat nichts direkt mit der FIFA zu tun.

 

Putzt sich die FIFA damit nicht zu sehr ab?
Ganz und gar nicht. Wir haben das Thema der Arbeitsbedingungen unmittelbar nach Bekanntwerden aufgenommen und arbeiten eng mit der Regierung in Katar zusammen, damit diese dafür sorgt, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Es gibt bereits eine Reihe von Maßnahmen und Verbesserungen und wir sind zuversichtlich, dass diese nicht nur den Arbeitern auf WM-Baustellen sondern bald allen Arbeitnehmern in Katar und vielleicht auch den Arbeitern in den angrenzenden Ländern zu Gute kommen werden. Und natürlich müssen auch wir aus den Erfahrungen lernen und werden daher für die Zukunft nun auch die Arbeitsbedingungen schon im Vorfeld der Vergabe einer Weltmeisterschaft genau unter die Lupe nehmen. Wir arbeiten da noch am genauen Wording, aber jedes Land muss in Zukunft darstellen, unter welchen Bedingungen Baumaßnahmen erfolgen und garantieren, dass dabei bestimmte internationale Bestimmungen eingehalten werden.

 

Auch bei der Stadienwahl wünscht sich die FIFA in Zukunft mehr Mitspracherecht, oder?
Genau, wir sind gerade dabei, dass in die Unterlagen für die Vergabe der Weltmeisterschaft 2026 zu implementieren. Bewerberländer müssen dann aufzeigen, wie das Stadion in den Jahren nach der Weltmeisterschaft nachhaltig genutzt werden soll und wenn das nicht dargestellt werden kann, gibt das einen negativen Punkt in der Bewertung.

 

Dadurch wird der Umfang der Bewerbung und auch der anschließenden Prüfung aber wohl deutlich größer und kostspieliger?
Natürlich, aber wir sehen den dichten Bewerbungskatalog eher positiv. Wenn wir uns etwa die Vergabe der Olympischen Spiele ansehen, dann haben sich noch im Vorfeld München und Salzburg von der Bewerbung zurückgezogen, weil sie nicht genügend Unterstützung in der Bevölkerung hatten. Unser Katalog schließt in Zukunft die Frage nach Unterstützung ein und legt auch offen was wann und wo gebaut wird. Die Transparenz wird also viel größer und daher können sich alle Bewerber sicher sein, dass sie ihre Hausaufgaben erledigt haben und sie nicht von irgendetwas unangenehm überrascht werden.

 

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Wir stellen weder ein ungesundes Produkt her, noch lassen wir T-Shirts in Kinderarbeit fertigen oder produzieren giftiges Plastikspielzeug, um es günstig unter die Leute zu bringen. Alles was wir machen, ist den Fußball auf der ganzen Welt zu unterstützen und die vielen verschiedenen Weltmeisterschaften zu organisieren. < /div>< /div>< /blockquote >

 

In der Folge ist aber wohl davon auszugehen, dass aufgrund der gestiegenen Anforderungen die Zahl der Bewerber zurückgeht?

Das ist möglich, aber parallel zur sinkenden Quantität wird die Qualität der Bewerbungen zunehmen. Wir sehen darin also durchaus eine positive Entwicklung.

 


Um noch einmal auf die mediale Berichterstattung rund um die FIFA zurückzukommen: Können Sie die Fülle negativer Berichte nachvollziehen?
Ehrlich gesagt nicht. Aus meiner Sicht ist alles, was die FIFA macht grundsätzlich gut und man kann nur kritisieren, dass wir mehr davon machen sollten. Wir stellen weder ein ungesundes Produkt her, noch lassen wir T-Shirts in Kinderarbeit fertigen oder produzieren giftiges Plastikspielzeug, um es günstig unter die Leute zu bringen. Alles was wir machen, ist den Fußball auf der ganzen Welt zu unterstützen und die vielen verschiedenen Weltmeisterschaften zu organisieren. Das ist per se positiv, auch wenn man das eine oder andere besser machen könnte und der ein oder andere Korruptionsfall zu hinterfragen ist. Wenn das Endprodukt nicht passen würde, wäre ich schon längst nicht mehr dabei.

 

All die geäußerte Kritik an der FIFA ist also vollkommen unberechtigt?
Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik, aber wie gesagt, wir haben ein gutes Produkt, das wir gut verkaufen und das auf der ganzen Welt äußerst beliebt ist. Sicherlich hätten wir das ein oder andere Fettnäpfchen vielleicht auslassen können und eine WM-Vergabe nach Katar war ein gefundenes Fressen für Medien, vor allem wenn man diese dann nachträglich auch noch zeitlich verschiebt. Aber auch daraus werden wir unsere Lehren ziehen.

 

Würden Sie sich in der öffentlichen Darstellung etwas mehr Unterstützung der Mitgliedsländer wünschen, schließlich partizipieren diese doch auch am Erfolg der FIFA?
Unterstützung fände ich sicherlich schön, ich kann aber nicht beurteilen ob es davon viel oder wenig gibt oder mehr braucht. Ich bekomme das nur in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland mit und da sehe ich die Darstellung der FIFA etwa durch DFB-Chef Wolfgang Niersbach eigentlich als recht fair. Was ich mich aber schon manchmal frage ist, wie es kommt, dass Personen die einflussreiche Führungspositionen innerhalb der FIFA Exekutive besetzen, die FIFA wie Außenstehende kritisieren, Aber wer ist die FIFA eigentlich? Die FIFA wird von ihnen, also den 25 Mitgliedern des Exekutivkomitees geführt und nicht von der Administration. Sie haben die Möglichkeit Dinge anzusprechen und zu verändern, sie haben die WM bis jetzt vergeben und sie überblicken den Reformprozess. Manche von ihnen hatten über Jahre hinweg die Chance gehabt, Dinge anzusprechen und zu ändern. Manche haben das aber nicht getan und wenn sie sich im Moment ihrer Kritik mehr der Konföderation zugehörig fühlen um dann im nächsten Moment wieder unter den FIFA-Schirm zu schlüpfen, dann finde ich das schon ein wenig eigenartig.

Danke für das Gespräch!