Marko Stankovic: ‚Die Teilnahme an der Champions League bezahlen wir teurer als uns lieb ist'

Bereits heute Mittag stand uns Marko Stankovic Rede und Antwort über das Duell mit dem FC Porto. Gut gespielt, aber angeschrieben hat die Austria nicht, aber: „Das ist auch für unser Selbstvertrauen gut, eine Lehre für die Zukunft." Und dann geht es von d

 

90minuten.at: Einmal drüber geschlafen – wie lautet das Resümee?
Marko Stankovic: Man kann sagen, dass wir für uns das Fazit so ziehen können, dass, wenn wir alles abrufen und unser Herz auf den Platz legen, wir mit Weltklassemannschaften durchaus mithalten können. Da muss es aber nicht zu 99 Prozent passen, sondern zu 100 – und das eine Prozent hat gefehlt, dass wir eben aus der einzigen hundertprozentigen Torchance des Gegners das Tor bekommen haben.

 

Sympathie und Respekt erarbeitet, aber nichts gewonnen – kann man es so zusammenfassen?
In meinen eigenen Worten ist es so, dass wir uns von dem nichts kaufen können. Wir haben gut gespielt, nicht nur mitgehalten, sondern den Gegner vor allem zu Beginn unter Druck gesetzt. Das ist auch für unser Selbstvertrauen gut, eine Lehre für die Zukunft. Zählbares hat nicht herausgeschaut. Im Fußball ist nur das etwas wert. Aber wir haben im Rückspiel gegen Dinamo Zagreb auch nicht dominiert. Von dem her hat sich das gestern ein bisschen ausgeglichen.

 

Die Austria hat Porto doch etwas überrascht. War die Mannschaft darüber auch verwundert?
Nein, weil wir wissen, dass die Rollenverteilung nicht so klar ist, wie von außen angenommen. Wir wissen schon, dass wir gut Fußball spielen können. Wenn wir unsere Tugenden an den Tag legen, können wir jedem Gegner weh tun. Es gibt wenige Mannschaften auf der Welt, die mit so hohem Pressing von Beginn an keine Probleme haben. Da gibt es meiner Meinung nach die Bayern, Barcelona – dann wird es schon schwer, das Pressing gleich abzuwenden. Wir haben einen Teilerfolg verbuchen können, das wichtige Tor am Anfang haben wir nicht geschossen.

 

Im Laufe der ersten Halbzeit bekam man den Eindruck, dass Porto Ernst macht, in der 55. Minute hat es geklingelt. Wie war das am Feld zu spüren?
Es ist klar, dass man da nicht 90 Minuten Dauerpressing spielen kann. Das kann man gegen keine Mannschaft machen, das geht an die Substanz. Wir haben ihnen vor allem in der ersten Halbzeit keine Hundertprozentige ermöglicht, das war eine gute taktische Leistung. Es war klar, dass sie dann mehr Spielanteile haben werden. Darum haben wir zwischendrin immer wieder versucht, zu pressen. Das ist uns an und für sich sehr gut gelungen. Am Platz hat man nicht so das Gefühl, wie von außen, dass etwas nicht mehr geht. Wir hatten unseren Matchplan, den haben wir voll eingehalten und umgesetzt. Man kann nicht verhindern, dass sie zu keiner Torchance kommen und abgesehen vom Schluss, als wir alles schon vorgehaut hatten, hatten sie nur die eine Chance. Wir hatten eben Pech mit dem Stangenschuss und zwei, drei weiteren Möglichkeiten.

 

Sie hatten den Ausgleich quasi am Kopf. Beißen Sie sich jetzt in den Hintern oder ist das nun mal so?
Bei mir ist es jetzt gerade auch nicht so extrem, wie man sich das vielleicht vorstellt. Ich fange nicht monatelang zum Grübeln an. Es war auch keine Chance, die ich aus Unvermögen nicht gemacht habe, es war eben um Zentimeter die Stange im Weg. Der Zeitpunkt wäre super gewesen: Du machst den Ausgleich, du machst ein Tor in der Champions League. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, das wäre super gewesen. Aber man sagt schade, dass der nicht reingegangen ist – es war aber nicht von der Chance abhängig. Es war eine gute, aber keine hundertprozentige.

 

Wie sehr hilft es, auch wenns nicht aufging, dass später Holland raus ging, zwei frische Stürmer kamen?
Man muss einmal sagen, dass uns unser Trainer immer fantastisch einstellt. Er gibt sich nicht mit einer knappen Niederlage zufrieden. Es wird immer betont – und das ist vollkommen richtig – dass wir gegen jeden auf Sieg spielen. Ist der Gegner dann sehr stark, ist die Wahrscheinlichkeit halt nicht sehr hoch. Aber wir gehen in jedes Spiel rein und wollen es gewinnen. Sonst brauchen wir nicht antreten. Wir haben uns und Österreich super verkauft und vertreten. Wir sind mit allem zufrieden – nur nicht mit dem Ergebnis.

 

Träumen wir einmal: Was hätte passieren müssen, dass ihr einen Punkt mitnehmt?
Wir haben leider das Tor gekriegt, aus der einzigen Hunderprozentigen. Das muss nicht immer passieren. Vielleicht, das ist nur meine Meinung, hätten wir konsequenter mit dem Ball gehen müssen. Aber so wie wir drauf sind, haben wir von den Ergebnissen eine leichte Krise. Aber vom Spielerischen her haben wir eine stark positive Tendenz. Darum gibt es auch kein negatives Gefühl in der Mannschaft.

 

Schauen wir nach vorne. Was muss gegen Zenit passieren? Man spielt auswärts, da wird man noch weniger Chancen vorfinden. Kommt es allein auf die Chancenauswertung an?
Ja. Letztes Jahr haben wir aus unmöglichen Situationen Tore gemacht. Wenn man in einem Lauf drinnen ist, dann macht man solche. Jetzt müssen wir uns die Tore noch mehr erarbeiten. Das ist unser größtes Manko derzeit: Wir brauchen zu viele Chancen für ein Tor. Das kann man aber niemandem vorwerfen. Die Chancen werden nicht aus Lockerheit und Lässigkeit vergeben, sondern weil der Ball nicht reingeht. Das muss man unverkrampft trainieren, vielleicht noch konzentrierter sein. Es arbeiten alle daran, dass das wieder passt. Ich habe da keine Bedenken.

 

In der Liga haltet ihr bei sechs Zählern Rückstand auf Salzburg. Klar, da ist die große Chance Champions League gewesen. Aber könnte es nicht sein, dass die die Leistungen in der Liga beeinträchtigt?
Das auf alle Fälle. Man ist nicht weniger motiviert, aber dieses historische Ereignis der Champions League-Teilnahme bezahlen wir teurer, als uns lieb ist. Wir spielen nicht schlechter, aber die Gegner sind aggressiver als letztes Jahr und die Champions League-Teilnehmer spornen einen vielleicht doch mehr an. Von dem her müssen wir doch schauen, dass wir im Ligaalltag – die Champions League ist ein Bonus – wieder in die Spur kommen und die drei Punkte machen. Das wollen wir schon in Graz machen, weil wir wieder in die Königsklasse wollen. Und das geht nur über die Liga. Diese Situation ist uns bewusst.

 

Wie geht ihr psychologisch damit um: Ried und Grödig nutzen eure Schwäche perfekt aus, wie wird das in den nächsten Wochen weitergehen, zwischen „Dorfplatz" und Königsklasse?
Es ist einfach so, dass man sich belügt, wenn man meint, dass es einen nicht berührt. Dann stellt er sich besser als er ist. Es ist komplett menschlich, dass man da mehr zu kämpfen hat, die richtige Spannung zu finden, als wenn man in Madrid oder Porto spielt. Da fliegst sowieso, wennst im Stadion bist. Es ist aber keine Ausrede, weil man so weit Profi sein muss, dass man das mit der Spannung hinkriegt. Wer immer die gleiche Spannung hat, vor 5.000 oder 50.000, dem gratuliere ich. Ich kann das nicht. Aber ich kann die Spannung so aufbauen, dass mir bewusst ist, was ich für eine Aufgabe habe. Wir sind immer gefordert, weil die Austria in Österreich so einen Stellenwert hat. In Grödig oder in Madrid.

Wir danken für das Gespräch!