Daniel Gramann: 'Wir sind in Österreich vielleicht zu bequem'
Der Innenverteidiger Daniel Gramann war Teil des U20-WM-Kaders von 2007, der in Kanada sensationell Vierter wurde. Er spielte bei Altach, ehe ihn Verletzungen zurückwarfen. Heute kickt er in der Regionalliga Ost beim 1. SC Sollenau und spricht im Intervie
Der Innenverteidiger Daniel Gramann war Teil des U20-WM-Kaders von 2007, der in Kanada sensationell Vierter wurde. Er spielte bei Altach, ehe ihn Verletzungen zurückwarfen. Heute kickt er in der Regionalliga Ost beim 1. SC Sollenau und spricht im Interview mit 90minuten.at offen darüber, wieso seine Karriere diesen Verlauf nahm, dass er noch einmal in den Profibereich will und wie wichtig es für Kicker ist, auch abseits des Vereinstrainings an sich zu arbeiten. Im Fitnessbereich liegen laut Gramann zwischen Österreich und Deutschland "Welten".
Das Interview führte Georg Sander /Foto: Steindy (Wikicommons/Wikimedia)
90minuten.at: Die Saison der Regionalliga Ost geht gerade los. Wo landet der 1. SC Sollenau? Was ist drinnen?
Daniel Gramann: Wir wollen zumindest ins vordere Drittel und besser sein als letzte Saison, da waren wir achter. Ich glaube aber, dass es sehr eng werden wird. Wenn man in einen Lauf reinkommt, kann man auch an die ersten drei, vier Plätze ran schnuppern.
Wer wird Ihrer Meinung nach ganz vorne dabei sein?
Der Wiener Sporklub wird ganz vorn dabei sein, auch wenn sie das erste Spiel verloren haben. Und den SC/ESV Parndorf habe ich auch auf der Rechnung.
Sie haben gerade das Spiel des WSK gegen die Amateure aus Mattersburg angesprochen. Sie spielen bei einer „normalen" Einsermannschaft. Wie sehen Sie den Umstand, dass Spieler von oben in der Regionalliga mitspielen?
Mich persönlich stört das nicht, aber ich verstehe Leute, die sich darüber aufregen. Wenn die in der einen Woche nur mit den Amateuren spielen und eine Woche später gegen einen direkten Konkurrenten mit drei, vier Profis, verstehe ich die Aufregung. Da gehört meiner Meinung nach eine Regelung her, nachdem es die nicht gibt, sehe ich keinen Sinn, mich darüber aufzuregen. Mir ist es egal, wir müssen sowieso gegen jeden unsere Punkte holen. Es muss aber auch nicht unbedingt ein Vorteil für die Amateure sein, wenn Spieler aus der Kampfmannschaft mitspielen.
Wie sehr hat man, und Sie kommen ja aus dem Profibereich, das Gefühl, dass die dritte Liga wirklich eine Amateurliga ist?
Das weiß ich nicht so genau, vor allem wie das andere Vereine machen. Tatsache aber ist, dass es eine Amateurliga ist. Die oberen Vereine könnten sicher ohne Probleme in der Heute für Morgen-Ersten Liga mitspielen, die sind sicher nicht schwächer als Hartberg oder die Vienna.
Ist es eigentlich ein Muss, einen gewissen Stamm an Profis zu haben, um den Aufstieg mitzuspielen?
Wenn man wirklich rauf will, muss man schon drauf schauen, dass man vielleicht schon in der Regionalliga einen größeren Stamm von Profis aufbaut. Oben geht es mehr zur Sache als in der Regionalliga, es ist schneller, die Gegner sind körperlich stärker und da muss man die Intensität schon in der Regionalliga erhöhen. Auch wenn die Gegner schwächer sind. Das muss sukzessive passieren, denn in den drei Wochen nach Gewinn der Relegation geht das natürlich nicht.
Sie sind „runter" gekommen, waren 2007 bei der U20-WM dabei, später bei Altach und Austria Kärnten in der Bundesliga tätig. Wieso hat die Karriere diesen Verlauf genommen?
Als ich nach Altach kam, war ich auf einem sehr guten Weg, war von Anfang an in der Kampfmannschaft. Dann hatte ich leider eine langwierige Zehenverletzung und das gab mir einen Knick in der Psyche. Ich bin von einer Verletzung in die nächste gestolpert und konnte zwischen 2008 und 2010 nie durchgehend trainieren. Dann fehlten die Entwicklungsschritte und ich blieb in der wichtigen Zeit stehen. Ich hinterfrage das mittlerweile nicht mehr, weil ich schon zu viele Stunden und Tage mit Nachgrübeln verbracht habe. Aber es bringt nichts mehr. Ich habe Anfang 2012 den Schritt zu Sollenau gemacht, weil ich noch einmal rauf möchte. Und Sollenau hat den Anspruch, in den nächsten zwei, drei, wenn es gut läuft auch in einem, Jahren aufzusteigen.
"Von der taktischen Aufteilung her gibt es zwischen Regionalliga und Bundesliga keinen Unterschied"
Sie waren im Nachwuchs erfolgreich, waren in der Bundesliga. Dann kommen Verletzungen, wie sie immer wieder passieren können. Gibt's da genug Unterstützung von den Vereinen, dass in die Rekonvaleszenz investiert wird?
Altach stand voll hinter mir, da gab's keine Diskussionen. Ich bin auch sehr dankbar. Im Fußball wird eben oft nur sehr kurzfristig gedacht. Der Trainer, die Mannschaft, der ganze Verein stehen unter einem enormen Druck und dann wird schnell der Coach raus geschmissen oder Spieler werden aussortiert. Das ist das größte Problem. Wenn ein Trainer in der Bundesliga auf junge Spieler setzt und das geht nicht sofort auf, weil jeder Junge eine andere Zeit braucht, um sich an das höhere Tempo zu gewöhnen, ist die Zeit oft nicht da. Es ist schon ein großer Schritt und die Trainer wollen das oftmals schon machen, aber es gibt vom Präsidenten dann schnell eine auf die Finger, wenn es nicht hinhaut.
Blickt man auf den U20-WM-Kader, gehen die Karrieren weit auseinander. Macht man sich Gedanken darüber, wieso es bei einigen nicht so klappte?
Grundsätzlich ist es schwer, Karrieren miteinander zu vergleichen, es gibt so viele Faktoren. Ein Prödl ist gleich nach der EM zu Werder Bremen gegangen und wenn du jeden Tag eine höhere Intensität als in unserer Bundesliga hast, musst du quasi besser sein. Anders geht das gar nicht. Sein Ausgangsniveau ist dann höher als das Ausgangsniveau in Österreich. Dann kommen Verletzungen dazu und manche Spieler haben im mentalen Bereich Probleme. Da ist es schwer, das Eine mit dem Anderen zu vergleichen.
Stichwort mentale Probleme: Ist es ein Problem, dass unterhalb der Bundesliga zu wenig Geld da ist, um das Umfeld richtig zu gestalten? Sollte da mehr investiert werden, um den schwierigen Umstieg von Nachwuchs- auf Erwachsenenfußball gut zu gestalten?
Das nimmt von oben runter immer weiter ab. Der Vergleich Altach, Grödig und Sollenau zeigt natürlich, dass das Umfeld kleiner wird. In Altach gab es fünf, sechs Millionen Euro Budget, Sollenau könnte davon sechs, sieben Jahre auskommen. Es geht von der finanziellen Dimension her nicht. Natürlich muss man aber schauen, dass man so viele Junge aus dem eigenen Nachwuchs rauf kriegt, aber das Problem ist, dass ein junger 15, 16-Jähriger, der wirklich aus einer Regionalligamannschaft heraussticht, Rapid, Austria und die Admira kommen. Da ist es schwer, so einen zu halten.
Müssten genau da die Vereine finanziell ansetzen?
Ja, aber das Problem ist, dass Regionalligisten nie eine Akademie bekommen werden. Und die Ausbildung dort ist im Schnitt um einiges besser, als in ländlicheren Regionen.
Wird in der Regionalliga taktisch anders gearbeitet als in der Bundesliga?
Die taktische Arbeit ist grundsätzlich gleich. Je höher man rauf kommt, desto schneller wird das Spiel und desto besser werden die Einzelspieler. Und die Fehleranfälligkeit geht rauf, je weiter es runter geht. Einer vergisst, die zwei, drei Schritte dorthin zu machen, wo er hingehört, oder er steht schlecht oder haut daneben. Das sind die Unterschiede. Von der taktischen Aufteilung her gibt es keinen Unterschied.
"Ich denke, die Intensität ist in Österreich allgemein zu niedrig. Wenn man das Fitnessniveau mit Deutschland vergleicht, dann sind das Welten"
Das heißt, es ist eine Frage der Konzentration?
Man muss das differenziert sehen. Es ist wichtig, was mit dem Ball gemacht wird. Das muss in einer hohen Geschwindigkeit und Präzision gemacht werden. Das ist der Unterschied zwischen den Ligen. Die Präzision nimmt mit der Geschwindigkeit ab. Die Spieler eines Bundesligakaders sind aber auch fitter. Da kannst du öfters trainieren, bessere und mehr Reize setzen und im Amateurbereich kann man nicht so trainieren. Wie soll einer, der um sechs aufsteht und bis vier arbeitet und dann zum Training kommt genauso trainieren, wie einer, der bis zehn schläft, sich massieren lässt und dann trainiert?
Das heißt im Auto „Regionalligaklub" und im Auto „Bundesligaklub" ist nicht der Motor ein anderer, sondern nur die Wartung anders?
Wenn man jeden Tag seine Leistung auf einem höheren Niveau im Training bringen muss, steht man eben woanders wie einer, der das nicht tut. Das ist ganz normal. Aber man kann auch nicht eine Amateurmannschaft hernehmen, sie drei Jahre wie Profis trainieren und dann sind sie gleich gut. Es gibt immer Ausreißer, aber der Nachwuchs in manchen Regionen kann mit Akademien nicht mithalten. Die richtig guten gehen eh mit 15, 16 in die Akademien.
Merkt man bei den Jungen im Kader, dass Sie durch die Akademie eventuell weiter waren?
Die Jungen haben eben mit dem Umstieg vom Jugend- in den Erwachsenenfußball Probleme. Die, die mit trainieren sind in einem Jahr sicher so weit, in unserer Liga mitzuspielen.
Wie viel muss man zusätzlich an Training individuell investieren? Macht man da, Ihrem Eindruck nach, im Nachwuchs- und Erwachsenenbereich genug?
Ich würde das gar nicht differenzieren. Ich denke, die Intensität ist in Österreich allgemein zu niedrig. Wenn man das Fitnessniveau mit Deutschland vergleicht, dann sind das Welten! Fußball ist nicht nur eine Sprintsportart. In dem Bereich des Intervalltrainings ist die Intensität zu niedrig.
Betrifft das alles, was Fußball nicht betrifft, also quasi nicht die Wadeln, sondern den Oberkörper und so weiter?
Das muss der Spieler für sich selber entscheiden. Der Fußball wird sich dorthin entwickeln, dass die Spieler auf ihren Körper selber schauen müssen und mit dem Trainer die Taktik trainiert wird. Da sind wir in Österreich vielleicht zu bequem.
Was machen Sie?
Ich mache von Montag bis Donnerstag meine Trainingseinheiten. Am Nachmittag immer mit der Mannschaft, am Dienstag zwei Mal mit dem Team und an den anderen Tagen gehe ich ins Fitnesscenter und mache zwei bis drei konditionelle Einheiten dazu, am Samstag nach dem Spiel mache ich nichts und am Sonntag entscheide ich je nachdem, wie es mir nach dem Match geht.
Die Initiative außerhalb der Trainings ist auch zu wenig?
Ich glaube, ohne dem geht nicht. Das ist eine Grundvoraussetzung. Inwieweit das andere Spieler machen, weiß ich nicht. Manche in der Bundesligaliga sagen vielleicht: 'Wieso soll ich noch mehr machen?' Andere müssen mehr machen, weil sie weniger Potential haben. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Zum Schluss: War der Name Gramann (Anm.: Vater Wolfgang, ehem. ÖFB-Generalsekretär, jetzt ÖFB-Mediendirektor) dienlich oder hinderlich? Oder der berühmte Onkel Andi Herzog?
Hilfreich war es bis jetzt nicht wirklich. Man hört immer wieder Sticheleien, aber das geht beim rechten Ohr rein und beim linken raus. Wer glaubt, dass ich dadurch irgendwann Vorteile hatte, der soll es gerne weiterglauben.
Wir danken für das Gespräch!
.