BW-Linz-Trainer Scheiblehner: "Nur so können wir einen Abstieg verkraften"
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BW-Linz-Trainer Scheiblehner: "Nur so können wir einen Abstieg verkraften"

Blau-Weiß Linz bleibt in der Bundesliga, das muss man auch. Warum das so ist und ob Spieler und Staff immer wussten, was die Erwartung an sie war und ist, verrät Trainer Gerald Scheiblehner im 90minunten.at-Exklusiv-Interview.

Man ist all-in gegangen und hat mit aller Gewalt versucht aufzusteigen. Das wussten wir im sportlichen Bereich zunächst gar nicht.

Gerald Scheiblehner

Wenn wir mit Spielern reden, ist es so, dass sie oft sagen: Ich rede noch mit beispielsweise Hartberg und Altach, dann schauen wir weiter.

Gerald Scheiblehner

+ + 90minuten.at PLUS - Das Gespräch führte Georg Sohler + +

 

90minuten.at: Blau-Weiß Linz bleibt in der Bundesliga. Was ist da in Ihnen vorgegangen?

Gerald Scheiblehner: Es war eine große Erleichterung und eine große Freude. Wir haben viel aufgebaut und die Burschen und das Trainerteam haben sich das absolut verdient. Für den Klub ist es überlebenswichtig. Nur, wenn der Verein drei Jahre in der Liga bleibt, kann er einen Abstieg verkraften. Wenn man davor runter muss, würde das viel zerstören, was aufgebaut wurde. Das betrifft auch die Mitarbeiter:innen im Büro, Christoph Peschek hat ja eine neue Struktur mit mehr Personal aufgebaut. In der 2. Liga wäre das in dem Ausmaß nicht möglich gewesen.

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90minuten.at: Jetzt fangen wir aber bei Ihrem Start 2021 an. Der Klub hatte schwierige Zeiten hinter sich, wurde Meister, konnte aber nicht aufsteigen. Was für einen Verein haben Sie da vorgefunden?

Scheiblehner: Es war für mich persönlich schon ein Glück, dass es zu diesem Job gekommen ist, weil Ronald Brunmayr Meister geworden ist und Oliver Glasner nach Frankfurt folgte. Somit war es eher überraschend. Es war früher schon ein Thema, dass ich den Verein übernehme, aber das war noch nicht passend für mich. In den Gesprächen wurde mir vermittelt, dass es einen Zweijahresplan gibt, an dessen Ende der Aufstieg stehen würde. Und das war eine riesige Herausforderung, weil 14 Spieler gegangen sind, Schubert und Dobras sogar ins Ausland. Sportdirektor Tino Wawra und ich mussten die Mannschaft umbauen. Das war eigentlich ganz witzig, weil ich ja einmal sein Trainer war. Die, die wir geholt haben, bekamen bei uns oft eine zweite Chance, weil sie sich woanders nicht durchgesetzt haben oder verletzt waren. So hatten wir dann ein Jahr Zeit, eine Mannschaft aufzubauen.

 

90minuten.at: Ist es mit solchen Spielern, die sich aus verschiedenen Gründen schwerer getan haben, leichter einen Mehrjahresplan zu entwickeln und umzusetzen?

Scheiblehner: Es ist deswegen leichter, weil allen eine hohe Anerkennung entgegengebracht wurde. Viele kamen von Vereinen, wo das nicht so war. So war von Anfang an eine gute Stimmung da. Für Tino und mich war es aufgrund des geringen Budgets schwierig. Wir hatten weder hohe Zuschauer:inneneinnahmen, noch große Sponsoren. Linz AG ist schon lange Hauptsponsor, aber darüber hinaus gab es wenig.. Die fehlende Perspektive war natürlich ein Problem, aber wir hatten ja Zeit, um mit daran zu arbeiten und alles vorzubereiten.

 

90minuten.at: Und am Ende stand es Spitz auf Kopf.

Scheiblehner: Wir sind auf Anhieb Dritter geworden im ersten Jahr. Die Erwartungshaltung war mit der Verpflichtung von Ronivaldo so, dass man gemeint hat, dass wir 2022/23 absoluter Titelfavorit sind. Das hat dem SKN St. Pölten und dem GAK in die Karten gespielt. Die Favoritenrolle haben wir letztlich gerne angenommen, weil man sich meiner Meinung nach große Ziele setzen muss. Der Start war aber sehr holprig und es hat uns ausgezeichnet, dass wir als Verein ruhig geblieben sind. Es wurde analysiert, was nicht gut läuft. Da geht es nicht nur darum, dass man es erkennt, sondern auch sieht, was man ändern kann, damit es besser läuft. Die Mannschaft hat das intelligent gemacht und ist auch kritikfähig. So kann man sich dann viel erarbeiten.

90minuten.at: Hätte der Verein einen Nicht-Aufstieg verkraftet?

Scheiblehner: Blau-Weiß wäre am Leben geblieben, aber es hätte nicht sofort wieder eine Mannschaft gegeben, die um den Titel mitspielt. Man ist all-in gegangen und hat mit aller Gewalt versucht aufzusteigen. Das wussten wir im sportlichen Bereich zunächst gar nicht, das ist uns erst im Laufe der Saison gesagt worden. Es war also wichtig, die Perspektive Bundesliga nicht zu verlieren, vom Budget her wäre es nicht mehr möglich gewesen, noch ein Jahr um den Titel mitzuspielen.

 

90minuten.at: Blau-Weiß war ein 2. Liga-Topklub, dann steigt man auf und muss quasi auf einmal nachlaufen. Wie stellten Sie das Team darauf ein, dass man auf einmal nicht 50% der Spiele gewinnen wird?

Scheiblehner: Wichtig ist zunächst, dass das dem Umfeld des Trainers klar ist. Christoph Peschek war vorher acht Jahre bei Rapid, für Menschen wie ihn, die immer den absoluten Erfolg wollen ist das eine Umstellung. Christoph Schösswendter war in seiner Rolle als Sportdirektor zwar neu, kannte aber den Abstiegskampf als Spieler zum Beispiel von der Admira. Durch Gespräche wussten alle, was auf uns zukommt. Also haben wir die Mannschaft drauf eingestellt, dass wir auf uns schauen müssen und uns nicht von Nebenschauplätzen verrückt machen lassen. Es geht ja nicht nur darum, dass man mehr verliert, es gibt auf einmal viel mehr Medienarbeit. Man geht dann nicht mehr so unbemerkt durch's Leben. Manchen Spielern macht das nichts aus, andere beschäftigt das. Da ist es wichtig, den Fokus zu behalten. Das kann man alles gar nicht einfangen, auch, weil ich als Trainer noch nie in der Situation war. Ein Beispiel zu all dem: Ich wollte auswärts bei Sturm Graz Instruktionen rein rufen, aber die Spieler haben mich aufgrund der Lautstärke nicht gehört. In der 2. Liga kann man leichter coachen. Ich versuche da auch immer, ehrlich zu sein. Kommunikation ist hierbei wichtig und dass man Unterstützung anbietet. So sind wir gemeinsam gewachsen.

 

90minuten.at: War der erste Saisonsieg nach dem 1:4 in Graz der Punkt, an dem der Knopf aufgegangen war?

Scheiblehner: Wir haben schon vor dem Spiel einige Dinge geändert. Zuvor sind wir oft ins offene Messer gelaufen. Im Ballbesitz hatten wir nicht die Qualität, um die Bälle zu sichern, so sind wir durch Ballverluste oft ausgekontert worden. Somit haben wir das Spiel tiefer angelegt, mit mehr Spielern hinter dem Ball und weniger Risiko genommen. Gegen Sturm merkten wir, dass wir trotz der Niederlage mit drei Standardsituationen mithalten konnten. Man kann als Blau-Weiß in Graz schon verlieren, aber die Leistung war sehr gut, wir hätten ja fast auf 2:2 ausgleichen können. Die Stimmung war nachher positiv., In Tirol und Altach wussten wir, dass nicht nur gute Leistungen reichen, man sondern auch punkten muss. Gegen die WSG stand es schnell 2:0, da ist ein Ruck durch das Team gegangen und wir haben an die neue Herangehensweise geglaubt. Das war wie ein neuer Saisonbeginn.

 

90minuten.at: Es folgten unter anderem der Sieg in Salzburg, gegen Wolfsberg und dann gegen den LASK im Derby. Danach wurde es von den Ergebnissen her trist, von Mitte November bis Ende April gab es keinen Dreier. Wie bewerten Sie diese Phase?

Scheiblehner: Die von Ihnen erwähnten Gegner sind uns in dieser Phase mit unserem Ansatz entgegen gekommen. Die Euphorie war aber davor und danach da. Gegen andere Gegner war es so, dass die auch vorsichtiger spielen und uns vielleicht mehr respektieren. Da ist es schwierig, weil man ja gegen sie gewinnen sollte oder müsste. Das ist vom Kopf zach: Du darfst nicht verlieren, der Gegner steht extrem gut in der Defensive. Von der Qualität her sind wir in keinster Weise über irgendein Team zu stellen. Wenn ich mir den Kader von Austria Lustenau ansehe, muss man sagen, dass sie mehr Erfahrung und individuelle Qualität haben. Ein Fridrikas, Cisse, Surdanovic, Grabher Maak, Grujic, Boateng oder Schierl ergeben einen guten Kader. Jeder Punkt war ein Erfolg und außer beim 0:4 in Wien bei der Austria waren wir nie chancenlos, haben wenig Tore erhalten. Da waren kleine Fehler in der Defensive schuld, ganz vorne fehlte es an individueller Qualität. Wir haben eben keine Stürmer mit Bundesliga-Erfahrung und der Sprung von der 2. Liga ist riesig. Keiner hat erwartet, dass sie laufend treffen, die Tore haben gefehlt, nervös sind wir in der Phase aber auch nicht geworden. Man muss eben fleißig bleiben und darf auch nicht vergessen, dass unser einziger Torgarant Ronivaldo drei Monate gefehlt hat.

 

90minuten.at: Vielleicht schießt Ronivaldo Blau-Weiß ja noch ins Europacup-Playoff.

Scheiblehner: Das ist absolut möglich. Wenn wir beide Spiele gegen Lustenau und Austria Wien gewinnen, sind wir fix dabei, haben es in der eigenen Hand. Wir wollen versuchen, diese Chance zu nützen. Warum sollen wir nicht an dieses neue Ziel glauben?

90minuten.at: Die Kaderplanung ist dank höherer Zuschauer:inneneinnahmen, Fernsehgeld und Klassernerhalt einfacher. Wo brauchen Sie am ehesten Verstärkungen?

Scheiblehner: Wir haben klare Erkenntnisse gewonnen. Es gibt eine Spur zu wenig Geschwindigkeit im Kader, die brauchen wir für unser Umschaltspiel. Zudem braucht es zwei, drei routiniertere Spieler, für die Spiele selbst und das Training. Es braucht Ruhe am Ball, diese Erfahrung fehlt uns. Darüber hinaus benötigen wir noch einen Unterschiedsspieler, der uns auch einmal ein Spiel gewinnt. Der ist eh schwer genug zu finden, wir können aber früher als gedacht planen und haben erstmals einen Überblick, wie hoch unsere Einnahmen und Ausgaben in der Bundesliga sind. Diese Erfahrung können wir nutzen. Auch wenn uns nicht alles perfekt gelingen wird, sind wir besser vorbereitet als letztes Jahr im Sommer.

 

90minuten.at: Rund zehn Verträge laufen aus, eher ältere Spieler. Viele junge Spieler mit viel Einsatzzeit gibt es nicht. Das heißt: Man muss jünger werden, weil schneller werden wir mit dem Alter alle nicht.

Scheiblehner: (lacht) Das ist ganz selten der Fall. Wir brauchen schlicht in jedem Mannschaftsteil einen Qualitätsspieler. Das heißt nicht, dass das der beste Spieler sein muss, er muss mehr Erfahrung haben und Verantwortung übernehmen können in schwierigen Situationen. Aktuell sind alle auf Augenhöhe, kaum einer kann dem anderen Anweisungen geben. Es braucht auch am Platz Spieler, die das Coaching mitübernehmen.

 

90minuten.at: Sie haben vorhin viele Spieler von Austria Lustenau lobend erwähnt. Noch sind die nicht abgestiegen, aber ist das – hintere Plätze Bundesliga, vordere Plätze 2. Liga – der Teich, in dem Sie fischen können?

Scheiblehner: Wenn wir mit Spielern reden, ist es so, dass sie oft sagen: Ich rede noch mit beispielsweise Hartberg und Altach, dann schauen wir weiter. Es gibt eben drei, vier Vereine, die mit denselben Kickern sprechen. Wir müssen sie von unserem Weg überzeugen, um zu uns zu kommen. Ablösesummen können wenige Vereine zahlen, schon Ausbildungsentschädigungen sind schwierig zu zahlen. Darum ist es wichtig, dass wir uns länger in der Liga halten. Deshalb schauen wir auch in die Regionalligen oder holen Spieler, die vorher niemand kannte. Fally Mayulu wird bei Rapid als Spieler mit den meisten Anfragen gehandelt, den kannte keiner, bevor er zu uns kam. Matthias Seidl kam, wie auch sein Bruder Simon, aus Kuchl, Alexander Briedl von Horn. Conor Noß kam aus Gladbach, Mehmet Ibrahimi aus Leipzig. Dadurch, dass wir weniger Budget haben, muss man genauer hinschauen und sich mehr Zeit nehmen. Zudem braucht es ein, zwei Berater, mit denen man gut zusammenarbeitet. In Kombination mit einem guten Trainerteam, das die Lage einschätzen kann, kann das alles eine gute Geschichte werden.

 

90minuten.at: Länger als Sie sind aktuell übrigens nur der scheidende Thomas Silberberger, der wohl umworbene Christian Ilzer und der sehr erfahrene Peter Pacult länger Trainer bei den jeweiligen Vereinen.

Scheiblehner: Es ist ein Luxus, hier zu arbeiten. Ich bin geborener Linzer, habe schon im Nachwuchs beim SK VÖEST gespielt, lebe mit meiner Familie hier - das ist mein Verein. Und nur, wenn man über einen längeren Zeitraum arbeiten kann, kann man zeigen, was man als Trainer leisten kann. Es gehören immer zwei Seiten dazu. Ein Thomas Silberberger hat gemeinsam mit dem Verein auch schwierige Zeiten erlebt. Umgekehrt kann man im Fußball wenig planen, ich habe aber das Gefühl, dass meine Arbeit sehr geschätzt wird und der Trainer nicht nach einer Niederlage in Frage gestellt wird.