LASK-Trainer Sageder: "Wir sind die Jäger" [Exklusiv-Interview]

LASK-Trainer Sageder: "Wir sind die Jäger" [Exklusiv-Interview]

Seit Sommer ist Thomas Sageder LASK-Trainer. Er ist schon rein fußballerisch anders als Vorgänger Didi Kühbauer. Wie der Coach sein erstes halbes Jahr bewertet, welche Ziele er verfolgt und welche Dinge manchmal wichtiger als Fußball sind, erklärt er im 90minuten.at-Exklusiv-Interview.

Oft war es so, dass wir in der Führungsebene den Weg klar gesehen haben und die Unruhe eher von außen kam. Auch aus den Sozialen Medien wurde versucht, Negatives in den Verein zu tragen.

Thomas Sageder

Für mich ist es aber immer wichtig, dass wir uns komplett weiter entwickeln und uns nicht nur auf beispielsweise Pressing reduzieren zu lassen.

Thomas Sageder

Druck habe ich, seit ich im Fußball arbeite und das gehört dazu. Ich will Spiele gewinnen und habe hier genauso viel Druck wie damals, als ich beim SV Wallern gearbeitet habe.

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Wenn ich mit Trainerkollegen gesprochen habe, gab es immer zwei Lager. Die mit Kindern haben es sehr gut nachvollziehen können, die ohne meinten: Wie kann man sich so eine Chance entgehen lassen.

Thomas Sageder

+ + 90minuten.at PLUS - Von Georg Sohler + +

 

Cup-Halbfinale, Dritter Platz in der Meisterschaft. Das erreichte Didi Kühbauer 2022/23. Die Verantwortlichen des LASK entschieden sich aber dazu, Thomas Sageder zu holen. Der 40 Jahre alte Oberösterreicher war bereits am Weg nach oben. 2013 bis 2015 war er Co-Trainer bei der SV Ried, betreute danach den SV Wallern und war von Dezember 2017 bis März 2019 Cheftrainer von Blau-Weiß Linz. Sageder, der nie Profifußballer war, erhielt durch Oliver Glasner die Chance, beim VfL Wolfsburg Co-Trainer zu sein. Er hätte auch zu Eintracht Frankfurt mitgehen können - entschied sich aber für eine Rückkehr nach Österreich.

Der Schritt hat sich privat und beruflich bezahlt gemacht. Seit Sommer 2023 betreut er den LASK. Fußballerisch ist man noch nicht dort, wo man hin will, auf der Habenseite steht schon einiges. Etwa phasenweise gute Auftritte in einer attraktiven und schwierigen Europa League-Gruppe. In der Bundesliga ist man in erweiterter Schlagdistanz zum Führungsduo. So konnte Cup-Gegner Red Bull Salzburg diese Saison bezwungen werden. 90minuten.at hat Thomas Sageder zum Interview gebeten, um zu erfahren, woran er arbeitet und wovon er träumt.

 

90minuten.at: Herr Sageder, am Freitag steht das Duell mit Red Bull Salzburg um das Cuphalbfinale an. Seit 2018/19 waren die Athletiker mit Ausnahme von 21/22 stets im Halbfinale, 20/21 sogar im Finale. In drei dieser erwähnten fünf Spielzeiten war gegen Salzburg Schluss. Was spricht dafür, dass das nun anders sein wird?

Thomas Sageder: Wir haben schon bewiesen, dass wir sie schlagen können und haben eine richtig gute Vorbereitung absolviert, es gibt eine gute Energie in der Mannschaft. Besonders hervorheben möchte ich den Teamgeist, jeder ist für den anderen da. Ein Push kann sein, dass wir zuhause spielen. Wenn wir es schaffen, unsere Fans mitzunehmen, kann die Raiffeisen Arena ein richtiger Hexenkessel werden. Ich erinnere an das Spiel gegen St. Gilloise, da war die Stimmung schon richtig, richtig gut.

 

90minuten.at: Der Meistertitel geht in den letzten Jahren verlässlich nach Salzburg. Zwischenzeitlich schien es, als ob der LASK die Bullen über 32 Runden challengen kann – warum hat Sturm aus Ihrer Sicht da gegenwärtig bessere Karten?

Sageder: Das ist eine gute Frage, die ich so nicht beantworten kann, vor allem, weil ich ja erst den Zeitraum, seit ich im Sommer Cheftrainer wurde, deutlich wahrgenommen habe. Man sieht aber generell, dass in den letzten Jahren bei vielen Vereinen einiges Gutes passiert und der LASK sich ebenfalls auf einem guten Weg befindet. Unser Ansinnen ist, dass wir den Abstand auf die beiden Klubs verkürzen. Wir sind die Jäger.

 

 

90minuten.at: Haken wir noch beim Europacup ein. Die Gruppe war schwierig, sechs Spiele, ein Sieg. Dennoch war da mehr drinnen, oder?

Sageder: Man kann es so zusammen fassen: Es war ersichtlich, dass wir als Mannschaft in einer Gruppe mit Liverpool, Toulouse und St. Gilloise noch nicht so weit waren. Die beiden letzten bringen natürlich Qualität mit und wir konnten nicht mehr mitnehmen. Aber in Belgien war es knapp und am letzten Spieltag hätten wir sogar noch die rechnerische Möglichkeit gehabt, international zu überwintern. Es hat zu dem Zeitpunkt eben noch nicht gereicht.

 

90minuten.at: Was hat konkret auf Platz drei gefehlt?

Sageder: Die Ergebnisse. Und wir haben gesehen, dass viele, sogenannte Kleinigkeiten sofort mit Gegentoren bestraft wurden. Man muss eben präsent sein. In Frankreich hatten wir zweimal sehr gute Möglichkeiten auf Tore, haben sie aber nicht genutzt. Das tut auf so einer Ebene weh.

 

90minuten.at: Die Fans waren zu Saisonbeginn schon unrund, von den Ergebnissen her war es ein gutes erstes halbe Jahr, dennoch war es gefühlt holprig.

Sageder: Intern haben wir das nicht so wahrgenommen. Es war uns bewusst, dass es einige Zeit dauert, bis wir es auf das Spielfeld bringen, wie wir es gerne hätte. Gerade, wenn ich neu zu einer Mannschaft komme und einen Kader übernehme. Wir sind auch noch immer nicht dort, dass ich zu hundert Prozent zufrieden bin. Oft war es so, dass wir in der Führungsebene den Weg klar gesehen haben und die Unruhe eher von außen kam. Auch aus den Sozialen Medien wurde versucht, Negatives in den Verein zu tragen.

 

90minuten.at: Ohne Tore und Assist von Robert Žulj, der bei 14 der 24 Bundesligatoren seine Beine direkt oder indirekt im Spiel hatte, hätte man aber bis zu 19 Punkte weniger. Das lässt sich zwar nicht so einfach umrechnen, aber ohne ihn stünde man schlechter da. Was macht das mit Ihnen als Trainer?

Sageder: Er ist ein super Spieler, ich habe auch im Herbst immer betont, wie wichtig er ist. Es spricht für seine Qualität und den Stellenwert. Aber auch Tobi Lawal hatte seine Hände oft im Spiel, damit wir zu null spielen. Wir haben jetzt schon öfters zu null gespielt als in der gesamten letzten Saison.

 

90minuten.at: Bleiben wir bei Žuljs Wichtigkeit. Der viertbeste LASK-Torschütze ist ein Innenverteidiger. Die Last des Toreschießens sollte doch auf mehrere Schultern verteilt werden.

Sageder: Uns war im Sommer schon bewusst, dass mit Keito Nakamura einer um gutes Geld geht, der viele Tore und Assists gemacht hat. Die jungen Spieler in der Offensive bekommen ihre Zeit und wir fangen es als Mannschaft auf. Ich gebe aber recht: Ich nehme jeden, der im Frühjahr Tore schießt.

90minuten.at: Kühbauer- und Sageder-Fußball sind unterschiedlich. Ist das Ziel nun, die Spieler rund um Žulj besser zu positionieren? Wenn nur er trifft, macht man es dem Gegner auch leichter.

Sageder: Ja, natürlich, aber das ist eigentlich logisch. Wir wollen unsere Offensivspieler in Positionen bringen, damit sie Tore schießen können. Die expected Goals-Werte stimmen ja auch. Ich wäre viel kritischer, wenn wir überhaupt nicht zu Torchancen kommen würden.

 

90minuten.at: Mit der drittbesten Defensive, das haben Sie schon angedeutet, sind Sie wohl zufrieden.

Sageder: Man kann immer besser werden und wir haben in der Vorbereitung einiges ange- und besprochen. Es ist auch unser Ziel, Stabilität gegen den Ball zu haben. Das wurde zum Großteil gut angenommen. Aber wir sind auch in diesem Punkt noch nicht ganz so weit, wie ich es will.

 

90minuten.at: Ihre Vita mit Co unter Oliver Glasner und vor dem Engagement bei Red Bull zeigt eine gewisse Vorliebe für eine Art von Fußball. Werden wir „Ihren“ Fußball schon im Frühjahr sehen, so wie Sie in sich vorstellen?

Sageder: Man konnte schon im Herbst intensives bzw. Umschaltspiel sehen. Für mich ist es aber immer wichtig, dass wir uns komplett weiter entwickeln und uns nicht nur auf beispielsweise Pressing reduzieren zu lassen. Wir wollen in allen Spielphasen besser werden. Das geht manchmal schneller, dann gibt es auch kleine Rückschritte. Grundsätzlich haben wir gute Schritte gesetzt und das soll so weiter gehen.

 

90minuten.at: Beim LASK ist am Transfermarkt immer viel los, die Verpflichtung von Valon Berisha war aber ein Ausrufezeichen. Einen Spieler in dem Alter holt man ja nicht, um den Kader aufzufüllen.

Sageder: Das Ansinnen von Geschäftsführer Sport Radovan Vujadinovic und mir ist, eine gute Mischung zwischen arrivierten Spielern, die uns sportlich etwas geben können und noch kicken wollen und junge Talente zu haben.

 

90minuten.at: Berisha spielt die Michorl-Rolle. Wie kam es zu den „Bröseln“ zwischen Michorl und dem LASK?

Sageder: Das ist ein Thema, das wurde medial immer anders dargestellt. Letztlich war es eine gemeinsame Entscheidung.

 

90minuten.at: Wie ist da der Status?

Sageder: Er ist Spieler des LASK, befindet sich meines Wissens nach auf Vereinssuche.

90minuten.at: Sie sind nun die zweite Transferzeit dabei, ist das schon ihr Kader oder braucht es noch mehr?

Sageder: Die Kaderzusammenstellung ist das Hauptgeschäft von Radovan Vujanović. Ich bringe mich ein, aber letztlich ist das sein Kompetenzbereich.

 

90minuten.at: Das hört sich ein bisschen so an, als ob Transfers nicht nur aus sportlichen Gründen getätigt werden, sondern auch wirtschaftliche Argumente zählen.

Sageder: Ich bin aktuell sehr zufrieden mit den Spielern, die ich zur Verfügung habe. Es ist eine gute Einheit. Dass der Geschäftsführer Sport noch andere Interessen hat und sich freut, wenn man für Nakamura viele Millionen bekommt, das kann ich mir schon vorstellen.

 

90minuten.at: Es gibt beim LASK einen sehr präsenten, vom Präsident zum CEO mutierten, Siegmund Gruber, Radovan Vujanović ist Sport-Geschäftsführer, Dino Buric ist Sportkoordinator und mit Andreas Wieland gibt es nun einen Technischen Direktor. Mit wem sprechen Sie da eigentlich aller über den Kader?

Sageder: Mein Ansprechpartner ist Vujanović.

 

90minuten.at: Und wie sieht das Organigramm mit den Personen aktuell aus?

Sageder: Diese Frage übersteigt meinen Kompetenzbereich, das müsste man den CEO fragen.

 

90minuten.at: Siegmund Gruber ruft also nicht wegen Spielern bei Ihnen an?

Sageder: Nein.

 

90minuten.at: Wechseln wir das Thema. Sie haben den Klub in einer „prekären“ Lage übernommen: Neue Stadien waren in Wien kein Erfolgsgarant, Rapid läuft seit der Eröffnung des Allianz Stadions den eigenen Ansprüchen hinterher, der Austria droht durch die Generali Arena noch viel Schlimmeres. Ist das ein besonderer Druck, der da auf Ihnen lastet?

Sageder: Druck habe ich, seit ich im Fußball arbeite und das gehört dazu. Ich will Spiele gewinnen und habe hier genauso viel Druck wie damals, als ich beim SV Wallern gearbeitet habe. Ich habe hohe Ansprüche an mich selbst, das Spiel meiner Mannschaft. Von der Umgebung lasse ich mir weniger Druck machen.

 

90minuten.at: Also haben Sie keine Angst?

Sageder: Man muss sich darauf konzentrieren, die eigenen Spiele gut zu bestreiten. Über das andere denke ich nicht nach.

 

90minuten.at: Trainererfahrung haben Sie viel, Profi waren Sie nie.

Sageder: Ich habe Landesliga gespielt, mich aber relativ schwer verletzt bzw. bin ich wegen der Behandlung lange ausgefallen und habe in Salzburg Sport studiert. Dann habe ich nur noch Hobby-mäßig gespielt.

90minuten.at: Fehlt Ihnen diese Erfahrung?

Sageder: Diese Frage stellen mir eigentlich nur Journalisten. Ich bin seit 16 Jahren Trainer und mich hat das noch nie ein Fußballer gefragt. Ein Cheftrainer hat sehr viele Aufgaben, da kann man von der Erfahrung, Profi gewesen zu sein, profitieren, es ist aber kein Muss. Es gibt mittlerweile viele Beispiele. Aber ich versuche schon in meinem Trainerteam Personen zu haben, die diese Erfahrung haben.

 

90minuten.at: Zum Abschluss noch zu Ihnen persönlich. Bereits 2017 schien es, dass Sie es unter die Cheftrainer schaffen, waren BW Linz-Coach. Dann rief natürlich Oliver Glasner zum VfL Wolfsburg. Eine leichte Entscheidung?

Sageder: Für mich war das eine Riesenchance, in der deutschen Bundesliga als Co-Trainer zu arbeiten. Es hat mich sehr gefreut, dass er mir so vertraut hat. Ich habe nicht lange überlegen müssen.

 

90minuten.at: Ein Fortschritt nach Deutschland als Co oder Rückschritt vom Chef zum Co?

Sageder: Jede Funktion hat seine Anforderung. Was ich als Co-Trainer sehr gern mochte, ist, dass man sich sehr klar auf einen abgesteckten Bereich konzentrieren kann. Man überlegt sich, wie das Training abgehalten wird, welche Übungen zu absolvieren sind. Ein Trainer hat auch andere Dinge zu tun, wie eben Medientermine, die sozialen Themen einer Mannschaft haben für die Co-Trainer nicht ganz so denselben Stellenwert. Beides hat seinen Reiz und ich mache beides gern.

 

90minuten.at: Aus Deutschland ging es zurück nach Österreich, in die Akademie zu Red Bull. Das hatte persönliche Gründe.

Sageder: Die Geschichte habe ich schon öfters erzählt.

 

90minuten.at: Wenn ich an die offenen und ehrlichen Worte von Jürgen Klopp denke, der seinen Rücktritt damit begründete, dass er keine Energie mehr hätte, finde ich, dass man gar nicht oft genug betonen kann, wie wichtig es ist, dass Fußball nicht alles ist.

Sageder: Wenn ich mit Trainerkollegen gesprochen habe, gab es immer zwei Lager. Die mit Kindern haben es sehr gut nachvollziehen können, die ohne meinten: Wie kann man sich so eine Chance entgehen lassen. Ich hatte das Angebot von Frankfurt am Tisch liegen, im zweiten Jahr in Wolfsburg waren gerade viele Corona-Einschränkungen, das Reisen nach Österreich war nicht möglich. Meine Kinder waren sehr klein und ich konnte sie länger nicht sehen. Als Familienvater habe ich beschlossen, dass ich nicht will, dass meine Kinder quasi ohne Vater aufwachsen. Darum bin ich zurückgekommen. Als ich daheim war, hat Red Bull angerufen und sie wollten mich. Ich bin dafür sehr dankbar. Darüber hinaus konnte ich meine Prolizenz fertig machen. 

 

90minuten.at: Der große Vorteil ist: Auch dank Oliver Glasner und einigen anderen weiß man ja, dass Trainer, die hierzulande gut sind, auch im Ausland funktionieren. Ein Ziel für Sie?

Sageder: Ja, aber Sie werden mir das nicht glauben: Zwar endet mein Vertrag im Sommer 2025, aber ich bastle noch nicht am nächsten Schritt. Ich bin gern hier und fühle mich wohl. Ich habedas Gefühl, dass der Verein mit mir etwas vorhat und sich in einer Entwicklung befindet, von der ich ein Teil sein will. Wenn ich mit so manchem Kollegen rede, können die es gar nicht erwarten, den nächsten Schritt zu nehmen und sie wollen ins Ausland. Ich mache mir da gar keinen Stress.

 

90minuten.at: Was macht, abschließend, das nächste halbe Jahr zu einem erfolgreichen für Sie?

Sageder: Gerade vor kurzem habe ich meiner Mannschaft gesagt: Wir denken gar nicht so sehr in Zielformulierungen, sondern in Träumen. Der LASK hat seit fast 60 Jahren keinen Titel gewonnen. Wir träumen davon, uns irgendwann einen Titel zu verdienen. Jedes Spiel im nächsten halben Jahr wollen wir so angehen, dass das passieren kann: Wenn es nicht geschieht, werden wir nächstes Jahr alles daran setzen, dass es passieren kann.

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