Klaus Mitterdorfer: "Das sollte man sich als Präsident nicht anmaßen"
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Klaus Mitterdorfer: "Das sollte man sich als Präsident nicht anmaßen"

Euro, Nationalstadion, Wechselgerüchte um den Teamchef: ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer hatte und hat in den nächsten Monaten einige komplizierte Themen auf dem Tisch. 90minuten und LAOLA1 haben ihn zum großen Exklusiv-Interview gebeten.

Im Vorfeld der Europameisterschaft wäre Österreich fast Trainer Ralf Rangnick abhandengekommen. ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer zeigt sich im Exklusiv-Interview mit 90minuten.at und LAOLA1 hocherfreut, dass er geblieben ist – schließlich geht es um die Zukunft des Fußballs in Österreich.

Doch der Kärntner beschäftigt sich freilich nicht nur mit dem ÖFB-Nationalteam. Er hat viel vor und viel zu tun. Eine Struktur-Reform soll das Präsidium verschlanken, zudem soll sich beim Ligen-Format der zweit-, dritt- und vierthöchsten Leistungsstufe etwas tun.

Und natürlich ist das Nationalstadion immer noch ein heißes Thema. Kurzum, langweilig wird Klaus Mitterdorfer nicht. Doch zunächst: Krawatte und Champagner, Herr Präsident?

Es braucht letztlich Bescheidenheit. Wir haben ja manchmal geglaubt, dass wir schon Europameister sind. Das wirkt überheblich.

Klaus Mitterdorfer

90minuten.at: Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was Sie bei der Europameisterschaft tragen? Anzug und Krawatte oder Trikot des Teams?

Klaus Mitterdorfer: Bei mir funktioniert das etwas anders, die meisten Gedanken über mein Outfit macht sich meine Frau. Und ich gehe davon aus, dass sie auch darüber schon nachgedacht hat. Wir werden schon etwas finden, das gut passt. Ich möchte auch sagen, dass es auch für sie eine Herausforderung ist, mich in meinem Leben zu unterstützen. Entweder managed sie mich oder die Iris (Anm.: ÖFB-Pressesprecherin Iris Stöckelmayr, beim Interview anwesend). So schaffe ich mein Leben dann. Aber vielleicht zieht meine Frau ein Teamleiberl an.

90minuten.at: Und ab wann darf mit Sekt gefeiert werden, ab wann mit Champagner?

Mitterdorfer: Ihr stellt mir Fragen, die ich gar nicht beantworten kann. Mir schmeckt Alkohol nicht und ich trinke keinen, also weder Sekt, noch Champagner. Wenn es um meine Erwartungshaltung geht, ist das Ziel trotz der schweren Gruppe und der Ausfälle das Achtelfinale. Es braucht letztlich Bescheidenheit. Wir haben ja manchmal geglaubt, dass wir schon Europameister sind. Das wirkt überheblich. Wenn wir uns aber keine Ziele setzen, wird das bemängelt.

90minuten.at: Was erwartet sich Ihrem Eindruck nach die Öffentlichkeit?

Mitterdorfer: Ich glaube nicht, dass viele sagen: Werdet bestmöglich Europameister. Ich spreche viel mit der Basis und dort freut man sich, wenn wir möglichst weit kommen. Mit dieser Grundeinstellung ist viel möglich, weil man nicht zu tief stapelt und auch nicht Überzogenes fordert. Mit der Kombination aus Qualität, Herz, Leidenschaft in der Mannschaft und einem tollen Trainerteam sowie den Fans ist uns einiges zuzutrauen.

Je länger die Entscheidung gedauert hat, umso mehr hatte ich das Gefühl, dass er sich für uns entscheidet.

Mitterdorfer über Rangnick

90minuten.at: Es war unsicher, ob Ralf Rangnick ÖFB-Trainer bleibt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Mitterdorfer: Rund zehn Tage vor dem Cupfinale hat er mich bzw. den Verband informiert, dass er ein Angebot der Bayern vorliegen hat und er die Für und Wider abwiegt. Ich denke aber, er hat hier auch eine Heimat gefunden und gemerkt, dass er mit seiner Art begeistern und bewegen kann. Meine Rolle war es, zwar keinen Druck auszuüben, aber zu vermitteln, wie sehr wir es schätzen, dass er Teamchef ist und wie wesentlich und wertvoll es sei, wenn er über 2025 hinaus bei uns bleiben würde. Ich wollte nicht lästig oder aufdringlich sein, er sollte wissen, dass ich da bin. Je länger die Entscheidung gedauert hat, umso mehr hatte ich das Gefühl, dass er sich für uns entscheidet.

90minuten.at: Österreich ist dankbar, man kennt ihn aber auch als einen, der viele Dinge selbst in die Hand nimmt. Beim Geld kann man mit den Bayern nicht mit, aber vielleicht mit mehr Kompetenzen?

Mitterdorfer: Ich sage es offen: Über Geld haben wir nie geredet. Signalisiert wurde eine längerfristige Zusammenarbeit sowie die Möglichkeit, sich bei den verschiedensten Fragen noch mehr einzubringen. Das hat er in der Vergangenheit auch gemacht. Es ist nicht immer angenehm, weckt aber auf. Er ist in Themen eingebunden, egal ob es um die Struktur der Nachwuchsnationalteams, Trainerteams oder Infrastrukturfragen geht. Über die Details haben wir aber noch nicht gesprochen, eher darum, dass es Möglichkeiten gibt und ohne, dass er etwas eingefordert hätte. Grundsätzlich ist mir wichtig – und das soll nicht zu Sorgen und Ängsten in der ÖFB-Familie führen – dass sich Rangnick in seiner Begeisterung für die unterschiedlichsten Facetten des Fußballs intensiv einbringt. 

90minuten.at: Wie schätzen Sie im Nachhinein den medialen Umgang mit der Causa vonseiten des ÖFB ein? Hat der ÖFB eine glückliche Vorstellung abgegeben?

Mitterdorfer: In meinen Augen haben wir das mit Ruhe und Besonnenheit gemacht. Es ist nicht so einfach, weil ja auch in Deutschland Dinge aufpoppen, irgendwo sickert etwas durch. Auf der Ebene Geschäftsführung, Sportdirektor, Presse und ich haben wir versucht, uns gut abzustimmen. Man muss schauen, dass man den bestmöglichen Wissensstand hat und die Informationen auch an die Öffentlichkeit weitergibt. Im Nachhinein könnte man das eine oder andere schon anders machen, aber im Wesentlichen haben wir die Herausforderung gemeistert. Es sollte ja auch kein unnötiger medialer Druck auf den Teamchef erzeugt werden.

90minuten.at: Glauben Sie, dass der ÖFB so auch gepunktet hat, auch im Vergleich zur medialen Darstellung des FC Bayern?

Mitterdorfer: Das glaube ich schon. Er hatte schon das Gefühl, dass er hier geschätzt wird. Vielleicht war das auch ein Mosaikstein im Gegensatz zu Ruhm, Geld und Bedeutung. Aber wissen tu ich es auch nicht.

Als Präsident sollte man es sich nicht anmaßen, die Frage zu beantworten, wer der geeignete Teamchef ist. Das ist letztlich eine Expertenentscheidung.

Klaus Mitterdorfer

90minuten.at: Welche Rolle nehmen Sie als Präsident ein, die des Vermittlers?

Mitterdorfer: Täglich.

90minuten.at: Ist das anstrengend?

Mitterdorfer: Ja (lacht). Aber das ist ja eines der Themen, die es seit meinem Antritt vor mehr als einem Jahr gibt: Dass das Wesentliche im Vordergrund steht. Man muss die Menschen vom Weg überzeugen. Das schaut einfacher aus, als es ist.

90minuten.at: Hätten Sie schon gewusst, wen Sie anrufen müssen, falls er doch geht?

Mitterdorfer: Das ist doch auch so ein Punkt. Für den Fall, dass er sich für die Bayern entschieden hätte, hätte es, auch abgestimmt mit dem Spielerrat, ein Commitment gegeben, dass er die Europameisterschaft macht. Egal, wie die Öffentlichkeit das gesehen hätte. Als Präsident sollte man es sich nicht anmaßen, die Frage zu beantworten, wer der geeignete Teamchef ist. Das muss professionell vorbereitet werden und ist letztlich eine Expertenentscheidung. Die Rahmenbedingungen und Leistbarkeit sind vom Präsidium zu beurteilen, die sportliche Einschätzung sollte nicht hier getroffen werden.

90minuten.at: Haben Sie nun bewusst „sollte“ gesagt?

Mitterdorfer: Eigentlich nicht. Aber sollte sich die Frage einmal stellen, ist es in unserer Satzung so verankert, dass der Präsident den Teamchef vorschlägt. Den Vorschlag arbeiten jedoch Experten aus.

90minuten.at: Es hieß ja immer, Rangnick soll sich jedes Thema anschauen. Welches soll er sich Ihrer Meinung nach ansehen?

Mitterdorfer: Mein Zugang ist es, das Bestmögliche mit seinen durchaus kreativen Zugängen zu erreichen. Es gibt in derart dynamischen Prozessen viele Herausforderungen. Aspern haben wir gut geschafft, jetzt sind wir auf einem guten Weg hinsichtlich Weiterentwicklung des Ernst Happel-Stadions, der Nachwuchsnationalteams bis hin zu Strukturen im ÖFB. Im Spitzenbereich macht es ja auch keinen Sinn, nur im eigenen Saft zu braten, das hilft uns allen nicht weiter.

90minuten.at: Haben Sie das Gefühl, dass der ÖFB das vor Rangnick getan hat?

Mitterdorfer: Nein, das glaube ich nicht. Man ist immer gefordert, sich kritisch zu hinterfragen, aber das ist ja nicht so einfach. Jeder glaubt, dass er selber alles richtig macht. Eine Person kann schon ein Initialzünder sein, ich würde es aber nicht nur an Ralf Rangnick festmachen. Sonst wäre ich ja auch umsonst Präsident.

90minuten.at: Kommen wir zu den Zukunftsthemen. Bei der Euro fallen einige wichtige Spieler aus. Mögliche Ersatzleute sind hierzulande ausgebildet, waren zum Teil auch in Nachwuchsnationalteams und spielen dann für andere Länder. Wie kann man in Zukunft die Burschen dazu bewegen, für Rot-Weiß-Rot aufzulaufen?

Mitterdorfer: Im Leben junger Menschen gibt es aber immer auch andere Aspekte, die eben zu einer anderen Entscheidung führen. Wenn ein Spieler familiäre oder sonstige Beweggründe hat, können wir das nicht direkt beeinflussen. Wir können nur bestmöglich ein attraktives Angebot stellen. Das soll die Entscheidungsgrundlage sein. Er muss sehen, dass es sich auszahlt, unseren erfolgreichen Weg mitzugehen und Österreich als Heimat erfahren – sportlich und allgemein. Daran können wir arbeiten.

90minuten.at: Das sind junge Burschen oder Mädels, wie macht man das?

Mitterdorfer: Zeitgerecht und mit vernünftigen, intensiven Gesprächen, wenn man merkt, dass sich hier ein Für oder Wider entwickelt. Das sollte man nicht übersehen. Vielleicht waren wir auch einmal hinten nach.

90minuten.at: Bleiben wir beim Nachwuchs. In den letzten Jahren sind die Endrunden-Teilnahmen weniger geworden sind. Warum?

Mitterdorfer: Es ist immer auch die Frage, welche Spieler zur Verfügung stehen bzw. welche gesichtet wurden. Das muss man sich in Ruhe in der Gesamtheit ansehen. Teamchef Rangnick hat damit schon angefangen. Die Zuordnungen zu den Nationalteams sind nun anders, es geht nicht mehr ein Trainer von der U15 bis zur U19 mit. Die Trainerteams sollen einheitliche Zugänge bis hin zu Spielphilosophien haben. Letztlich geht das bis zur Frage, wie die Trainer arbeiten und die Teams und Spieler weiterentwickeln. Ein Beispiel für Ralf Rangnicks Ansätze: Onur Cinel hat derzeit eine Art Doppelfunktion als Co-Trainer beim Nationalteam während der Lehrgänge und Trainer bei Liefering bzw. Red Bull Salzburg. Dafür gab es auch Kritik. Der Teamchef ist aber der Meinung, dass es gelingt, tolle Trainer zu entwickeln, die bei einem Verein als Trainer engagiert sind, aber auch zum Beispiel im Nachwuchs des ÖFB arbeiten. Das könnte so gestaltet werden, dass es keine Bedenken hinsichtlich einer möglichen Bevorzugung von Spielern gibt. Ich glaube, dass dieser Weg einen gewissen Charme haben könnte.

Der Teamchef ist aber der Meinung, dass es gelingt, tolle Trainer zu entwickeln, die bei einem Verein als Trainer engagiert sind, aber auch im Nachwuchs des ÖFB arbeiten.

Klaus Mitterdorfer

90minuten.at: Sie haben eine mögliche einheitliche Spielphilosophie erwähnt. Sind Sie ein Verfechter einer solchen?

Mitterdorfer: Auch da maße ich mir nicht an, der Obersportexperte zu sein. Also ob es Sinn macht, von LAZ über Akademien bis zur A-Nationalmannschaft das Gleiche zu tun. Da gibt es Experten, die das eher beurteilen können – sie müssen es vorgeben. Ob das dann heißt, dass man überall gleich spielt oder besser ist, es anderes zu gestalten, ist offen.

90minuten.at: Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Expertengruppe?

Mitterdorfer: Sie macht einen sehr guten Job. Jedes Team, egal ob Sport, Kommunikation oder andere Abteilungen im Verband, sollte sich in einem dynamischen Prozess immer hinterfragen und weiterentwickeln. Wir haben tolle Leute, die viel tun. Wenn es Möglichkeiten gibt, sich weiter zu entwickeln oder zu ergänzen, ist das gut, auch, wenn es eben nicht immer bequem ist.

90minuten.at: Es gibt mit der Sportkommission ja immer auch externe Experten, die mitreden. Wie stark ist deren Meinung intern?

Mitterdorfer: Es hängt vieles von den handelnden Personen ab und wie sie sich in bestehenden Strukturen verhalten. Uns begleitet das Thema Struktur schon lange. Natürlich kann man diese auch schlanker gestalten, aber die Experten der Sportkommission sind gute Leute und sie bereiten für die Direktion, Geschäftsführung und Präsidium viel vor. Es ist immer wichtig, von ihnen unterstützt zu werden. Ich habe zwar viel erlebt, habe in der dritten Liga trainiert, aber man darf nie sagen: Vor 20 Jahren war es so und so. Zeiten ändern sich, wir haben heute und wir müssen schauen, wie wir nun mit der heutigen Zeit umgehen.

Es braucht vielleicht Wege, die Entscheidungen zu verschlanken und diese von Experten treffen zu lassen.

Klaus Mitterdorfer

90minuten.at: Die Struktur mit dem Präsidium – ist die noch zeitgemäß?

Mitterdorfer: Da muss man differenzieren. Der Föderalismus hat für die Breite schon seine guten Seiten. Sie wissen genau, wie die unterschiedlichen Herausforderungen sind. Im leistungsorientierten Fußball ist es wichtig, ein Gremium zu haben, das für Rahmenbedingungen und Finanzierungen sorgt, aber in der Entscheidungsfindung muss man sich kritisch hinterfragen. Es braucht vielleicht Wege, die Entscheidungen zu verschlanken und diese von Experten treffen zu lassen. Zu sagen, dass ich als Präsident entscheide, wer Teamchef oder Sportdirektor wird, muss nicht sein.

90minuten.at: Wie kann so eine Verschlankung aussehen?

Mitterdorfer: Das ist eine gute Frage, weil es ein gemeinsames Wollen voraussetzt, die Strukturen zu verändern. Derzeit ist alles durch die Satzung geprägt. Das Gremium muss vereinfacht ausgedrückt für sich selber entscheiden, dass es die Rolle anders definiert. Das ist ein Problem.

90minuten.at: Gibt es Bereitschaft, das zu ändern?

Mitterdorfer: Wenn man diese Frage nicht angeht, werden wir es nicht wissen. Es muss gemeinsam besprochen werden. Versuchen werde ich es. Es hängt viel von den handelnden Personen ab, aber ich habe im letzten Jahr schon den Eindruck gewonnen, dass sportlicher Erfolg eine gewisse Kraft verursacht, Aspern macht das auch. Es entsteht schon eine gemeinsame Dynamik. 

90minuten.at: Der Zeitpunkt ist gut für eine Strukturreform, weil sonst steht das Präsidium immer im Fokus, wenn wichtige Entscheidungen anstehen und man unter Druck steht.

Mitterdorfer: Nehmen wir Aspern als Beispiel. Am Anfang gab es Widerstände, am Ende keine Gegenstimmen. Darum konnten wir noch die Förderverträge schließen. Auch beim Thema Happel-Stadion sind wir in Gesprächen, das ist mir ein Anliegen – passen die sportlichen Erfolge, ist es angenehmer. Der Teamchef ist auch bei uns geblieben und wir warten jetzt die EM ab. Und dann sollte man die Energie schon nutzen, um noch einen Schritt weiterzugehen und die Strukturthemen zu besprechen und sich ansehen, ob man es nicht in einer anderen Form gestalten kann. Es ist alles kein Selbstläufer, aber mein Ziel ist es schon, die unterschiedlichen Strömungen bestmöglich mitzunehmen.

90minuten.at: Nachwuchs, Strukturreform, Happel – was wollen Sie als erstes nach der Euro angehen?

Mitterdorfer: Das Thema Struktur hängt damit nicht zusammen. Was das Happel betrifft, gibt es eine Nationalratswahl im Herbst, da wollen wir uns nicht einmischen, möchten alle politischen Parteien gleich mitnehmen, der erste Ansprechpartner ist aber die Stadt Wien. Aber wir haben auch mit Kanzler und Vizekanzler gesprochen. Entscheidend ist, dass es mehr Begeisterung gibt, wenn es nicht nur für den Fußball konzipiert ist. Man soll es das ganze Jahr über nutzen, etwa für Konzerte. Das ist für Investoren interessant, nicht nur aus dem sportlichen Bereich. Man kann durchaus auch aus dem Bestehenden etwas machen. Es gibt entsprechende Pläne, etwa den Platz abzusenken, mit einem Rasen, den man rausschieben kann. Da bliebe die Hülle erhalten. Am Ende geht es immer um die Frage, wer es bezahlt.

90minuten.at: Wie viel kann der ÖFB zahlen?

Mitterdorfer: Das ist ja gar nicht das Thema, die Frage ist eher, inwiefern man die Stadt, den Bund und Investoren motivieren kann. Du wirst sicher letztlich ein paar hundert Millionen Euro brauchen, um so etwas umzusetzen.

Ich kenne noch kein Konzept aus der Steiermark. Beim Cupfinale wurde das nicht thematisiert.

Klaus Mitterdorfer

90minuten.at: Wird das Thema medial gut begleitet? Von außen hat man das Gefühl, es wird eine riesige Chance vergeben.

Mitterdorfer: Schwer zu sagen. Zuletzt ging es um den Erhalt der Hülle, mit einem freistehenden Dach mit Videowürfel. Das bestehende Dach würde mit PV-Anlagen bedeckt, dazu käme die Sanierung der Trainingsplätze. Das kostet über 100 Millionen Euro. Jetzt geht es aber um den Kern, wo die Frage ist, ob der vorgelegte Plan hier nicht zu schnell kam. Vielleicht braucht es eine andere Dachkonstruktion, wenn wir den Kern entwickeln. Aktuell sind wir in einem offenen Austausch, das ist nicht immer selbstverständlich. Ich möchte aber lästig bleiben.

90minuten.at: Aber aus verschiedenen Gründen ist die Lösung der Stadionfrage wichtig. Die Fans sind unzufrieden, es geht um VIP und Hospitality, es ist nicht UEFA-tauglich. Will Österreich den nächsten Schritt machen, braucht es das einfach.

Mitterdorfer: Wir versuchen, das den politischen Vertretern bewusst zu machen und ich habe aktuell den Eindruck, dass das von Stadtrat Hacker über Vizekanzler Kogler bis zum Bundeskanzler so ist, dass es ihnen bewusst ist, dass es in diese Richtung gehen muss.

90minuten.at: Motiviert es die Stadt Wien, wenn andere Bundesländer vorpreschen und sagen: Bauen wir es bei uns, wie unlängst der steirische Landeshauptmann?

Mitterdorfer: Das kann ich nicht sagen. Jede Initiative ist grundsätzlich einmal positiv. Ich kenne noch kein Konzept aus der Steiermark. Beim Cupfinale wurde das nicht thematisiert. Bei Unterpremstätten stellen sich schon einige Fragen wie jene der Erreichbarkeit oder des Umfelds. In Wien wohnen zwei Millionen Menschen. Das Land wird sich wohl in Sachen Infrastruktur auch für Sturm, Hartberg, den GAK und die Amateurvereine einsetzen – und dafür sind wir dankbar. In Sachen Nationalstadion geht es vor allem um Wien, das ist unsere Priorität.

In Sachen Nationalstadion geht es vor allem um Wien, das ist unsere Priorität.

Klaus Mitterdorfer

90minuten.at: Ein weiteres föderales Thema ist die Schnittstelle 2./3. Leistungsstufe. Die 2. Liga kann sich schwer zu einer Reform durchringen, die Regionalligen müssen mitgedacht werden.

Mitterdorfer: Wenn's so leicht wäre, hätte man schon eine Lösung gefunden. Im Präsidium wurde festgelegt, dass jedes Bundesland einen Vertreter in ein Projektteam entsendet. Ich werde das Team leiten, weil das für mich eine Herzensangelegenheit ist. Wir sehen uns die zweite, dritte und vierte Spielklasse an und man soll sich ehrlich Gedanken machen, welche Möglichkeiten es gibt. Die Positionen ändern sich ja schnell. Die Steirer wollten bis vor zwei Monaten nichts an den Regionalligen ändern, jetzt wurde mir gesagt, dass es Vereine gibt, denen es nicht mehr so passt. Es ist ein dynamischer Prozess, das macht das Ganze so schwierig. Der Osten wirkt einzementiert, der Westen hat die Reformidee gehabt und ist zum alten System zurückgekehrt. Als ich in Kärnten Präsident war, haben wir die Vereine aber schon auch gefragt, warum sie nicht in die Regionalliga aufsteigen wollen. Es kamen viele Gründe, aber nie das Format. Jetzt wüsste ich wirklich einmal gerne, welcher Weg für die dritte Liga, in Abstimmung mit 2. und 4. Leistungsstufe, möglich ist.

90minuten.at: Das heißt, Sie machen jetzt das, was Hypercube damals mit der Liga gemacht hat?

Mitterdorfer: Mir ist es wichtig, dass wir wissen, welcher Weg vorstellbar ist. Das starten wir in den nächsten Wochen, der Denkprozess sollte heuer abgeschlossen sein, um die Weichen entsprechend zu stellen.

90minuten.at: Und bevor es sich wieder jemand anders überlegt.

Mitterdorfer: Nicht nur deshalb. Wir müssen endlich etwas machen. Die Formatmöglichkeiten hat Hypercube ja schon vor Jahren aufgezeigt. Es braucht jetzt Eckpfeiler, wie viel Bereitschaft es gibt, weiter oben zu spielen. Damit könnte man arbeiten. Es wird spannend, aber es ist wirklich notwendig, weil es Auswirkungen bis ganz unten gibt. Werden wir weiterhin so viele Vereine haben? Gibt es in zehn, 15 Jahren noch so viele Buben und Mädchen, die Fußball spielen? Wird es noch genug Funktionäre geben?

90minuten.at: Vor ein paar Jahren habe ich mit Lars Söndergaard gesprochen, er war damals dänischer Frauen-Teamchef. Er meinte, dass es im dänischen Fußball keinen Frauen- und Männerfußball gibt, sondern nur dänischen Fußball. Sind Männer- und Frauenfußball beim ÖFB schon so zusammengewachsen, wie sie sich das wünschen?

Mitterdorfer: Es gibt unzählige Mädchen, die gerne Fußballspielen würden, sie finden aber keine Vereine. Es gibt 2.000 Vereine, aber man braucht Menschen, die für Mädchen- und Frauenfußball etwas übrig haben. Sonst funktioniert er nicht. Wenn man eher den Zugang hat, dass man sich nur fragt, wie viel das auch noch kostet, wird es schwierig. Es fehlt noch Bewusstsein, was die Rolle der Frauen und Mädchen im Sport betrifft. Es geht nicht nur darum, Teams zu haben, sondern auch um Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Frauen im Vorstand. Ich habe als Kärntner Landesverbandspräsident an meinen zahlreichen Sprechtagen immer versucht, den Menschen mitzugeben, was der Verein davon hat, wenn es Mädchen und Frauen im Verein gibt. Im leistungsorientierten Bereich sehe ich es so, dass man es nicht vergleichen kann. Es gibt Frauenfußball und Männerfußball. Es braucht hier im Spitzen-Frauenfußball entsprechende Bedingungen.

90minuten.at: Sie haben viel zu tun und noch mehr vor. Wäre es nicht an der Zeit, sich karenzieren zu lassen?

Mitterdorfer: Es hat schon eine Vorbildwirkung, wenn der ÖFB-Präsident ehrenamtlich arbeitet. Es braucht dazu aber Disziplin.

Vielen Dank für das Gespräch!

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