Talent Lion Schuster muss Rapid verlassen: "War für mich ein Schock" [Exklusiv-Interview]
Nach über 400 Tagen Verletzungspause kehrte das grün-weiße Eigengewächs Lion Schuster zu den Rapid-Profis zurück - im Sommer muss er den Verein verlassen. Im exklusiven Interview mit 90minuten.at erklärt der 22-Jährige, wie es ihm damit geht.
Mir gegenüber wurde das schon früher kommuniziert, ich hatte Zeit mich nach neuen Optionen umzusehen.
Es gab keine Vergleichswerte, wir haben bei mir von Woche zu Woche geschaut. Es war für den Kopf sehr schwer, teilweise habe ich mir gedacht: 'Es könnte eng werden'
++ 90minuten.at PLUS - das Gespräch führte Daniel Sauer ++
Für viele Jahre galt Lion Schuster als Zukunftshoffnung bei Rapid Wien. Eine ungewöhnliche Knieverletzung setzte den heute 22-Jährigen ab Sommer 2021 für weit über ein Jahr außer Gefecht, erst zu Beginn des Jahres konnte er wieder bei den Profis Fuß fassen. Eine Chance in Hütteldorf bekommt der Defensivallrounder allerdings nicht mehr - sein auslaufender Vertrag wird nicht verlängert. 90minuten.at hat bei Lion Schuster nachgefragt, wie es bei ihm weitergehen soll:
90minuten.at: Eine unkomplizierte Frage zum Anfang: Wie geht es dir momentan? Die letzten Wochen hast du bei Rapid II verletzt gefehlt, wann sieht man dich wieder auf dem Platz?
Lion Schuster: Mir geht es wieder sehr gut, ich bin ins Mannschaftstraining eingestiegen. Ich bin damals im Training im Rasen
hängengeblieben und umgeknöchelt. Das ist jetzt ausgeheilt, ich fühle mich besser als zuvor.
90minuten.at: Die große Geschichte in der vergangenen Woche war, dass Rapid deinen Vertrag mit Saisonende auslaufen lässt. Wie lange weißt du schon von der Entscheidung?
Schuster: Mir gegenüber wurde das schon früher kommuniziert, ich hatte Zeit mich nach neuen Optionen umzusehen. Dafür bin ich dankbar, dass mir das früh gesagt wurde - so konnte ich gut mit meinem Management arbeiten.
90minuten.at: Wann hast du es erfahren?
Schuster: Schon vor ein paar Monaten.
90minuten.at: Du bist erst im vergangenen Herbst wieder ins Training eingestiegen, mit den Profis warst du Anfang des Jahres im Trainingslager. Damals war nicht klar, wie es bei dir weitergeht - wie nahe an hundert Prozent warst du in der Situation? Hattest du eine faire Chance, dich zu beweisen?
Schuster: Es ist normal, dass man nach einer langen Leidenszeit nicht sofort bei hundert Prozent ist. Ich muss aber sagen, dass ich sehr gut trainiert habe, nachdem ich wieder bei den Profis eingestiegen bin. Ich würde auch sagen, dass man nicht gemerkt hätte, dass ich lange verletzt war. Im Trainingslager wurde ich zum Rechtsverteidiger gemacht, habe dort auch die Vorbereitung absolviert. Als wir den Denso Kasius verpflichtet haben, wusste ich, dass er auch spielen wird, wenn wir ihn schon holen. Dann habe ich leider keine Chance mehr bekommen, mich oben in einem Spiel zu präsentieren.
90minuten.at: Du hast die Umwandlung von der Zentrale auf Rechtsverteidiger angesprochen, auf der Position hast du dann auch in der zweiten Mannschaft gespielt. War das nur eine Notlösung, oder siehst du dich dort auch langfristig?
Schuster: Am Anfang war es eine Umstellung für mich, ich habe die Position so gut wie nie gespielt. Inzwischen habe ich daran aber richtig Freude gefunden. Ich finde, dass ich mich mit der Zeit auch steigern konnte. Es könnte auch in der Zukunft etwas für mich sein, ich würde aber auch nicht ausschließen, dass ich wieder im Zentrum spiele. Dort, wo ich der Mannschaft am besten helfen kann, tue ich das.
90minuten.at: Du hast ab August 2021 über ein Jahr mit einer komplizierten Verletzung verpasst, die von außen nicht leicht nachvollziehbar war - sie wurde auch eher spät diagnostiziert. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Schuster: Nach einem Bundesligaspiel in Altach habe ich ein Drücken im Knie gespürt, zuerst aber noch weitertrainiert. Vom Teamarzt wurde mir zuerst eine Kniescheibenprellung diagnostiziert. Ich habe mir gedacht: 'Das wird schon passen' und bin zum U21-Nationalteam gefahren, dort hat es schon keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe drei Wochen mit Schmerzmitteln trainiert und gespielt, nichts hat geholfen. Bei einem MRT ist herausgekommen, dass ich eine dreigeteilte Kniescheibe habe - schon von Geburt an. Das ist sehr selten, durch die Belastung im Profifußball wurde es zum Problem. Es war schwer, eine Behandlung dafür zu finden. Zuerst haben wir es zwei Monate konservativ probiert, danach wurde ich operiert - mein Knie wurde mit zwei Schrauben verschraubt. Die Prognose waren vier bis sechs Monate Verletzungspause, nach sechs Monaten hatte ich immer noch Schmerzen.
Bei einer zweiten OP wurde eine Schraube wieder herausgenommen, ab da ging es besser. Es war sehr schwer, weil es keine Vergleichswerte gibt. Bei einem Kreuzbandriss kann man nach drei Monaten wieder laufen, da gibt es Vorbilder. Bei mir war das nicht der Fall, wir haben von Woche zu Woche geschaut. Es war für den Kopf sehr schwer, teilweise habe ich mir gedacht: ‘Es könnte eng werden’. Aber ich hatte bei Rapid ein sehr gutes Physioteam, das mir immer wieder Mut gemacht hat, und ein sehr gutes Management. Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt mehr über meinen Körper weiß, das Knie kann ich wieder zu 100 Prozent belasten. Ich muss viel investieren und eigentlich jeden Tag daran arbeiten – für mich ist das aber kein Problem, ich mache das gern.
90minuten.at: Woran musst du konkret arbeiten?
Schuster: Das kommt auf den Tag an, normalerweise mache ich jeden Tag vor dem Training Übungen zur Mobilisation und zur Kräftigung. Ich sitze 20 Minuten auf dem Fahrrad und mache drei, vier Übungen – danach geht’s zum Training.
90minuten.at: Und das Vertrauen in das Knie ist inzwischen wieder voll da?
Schuster: Natürlich habe ich mich am Anfang komisch gefühlt, jetzt weiß ich aber, was ich machen muss und fühle mich gut. Beim Spielen muss ich gar nicht daran denken, für mich ist das kein Thema mehr.
90minuten.at: In einem Video auf 'RapidTV' hast du vor einiger Zeit erzählt, dass du an deiner Bachelorarbeit schreibst. Was
studierst du?
Schuster: Ich studiere Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie an einer Fernhochschule, am 21. Juni habe ich meine Bachelorprüfung – wenn alles gut geht, bin ich danach fertig.
90minuten.at: War das etwas, das aufgrund deiner Verletzung zustande gekommen ist, oder hättest du das in jedem Fall gemacht?
Schuster: Begonnen habe ich schon im September 2020, ich wollte mich auf mehreren Ebenen weiterentwickeln, nicht nur als Fußballer. Ich glaube, es hilft mir auch im Spiel weiterhilft, wenn ich den Kopf aktiviere. Der andere Hintergedanke war - das ist Ironie - dass es im Fußball immer passieren kann, dass dir jemand blöd ins Knie hüpft. Bei mir war das dann leider wirklich der Fall, dass ich nicht wusste, wie es weitergeht. Die Verletzungszeit hat mir aber beim Studium geholfen, weil ich mir die Zeit besser einteilen konnte. Mein Physiotherapeut war super, ich konnte mir die Trainingszeiten so legen, dass ich Prüfungen schreiben konnte.