Joachim Standfest: „Ich halte die Punkteteilung für Wahnsinn“ [Exklusiv-Interview]
Über 500 Bundesliga-Spiele absolvierte Joachim Standfest. Der ehemalige Außenpracker ist seit geraumer Zeit Trainer und betreut seit Sommer den SCR Altach. Wie schätzt er die aktuelle Lage beim langjährigen Bundesligisten ein? Das und mehr verrät er im 90minuten.at-Interview.
Ich halte die Punkteteilung für Wahnsinn. Mit der Halbierung und einer Niederlage ist ein mühsam erarbeiteter Vorsprung schnell weg.
Man versteht sich blind. Es ist eine runde G'schicht.
+ + 90minuten.at PLUS – Das Gespräch führte Georg Sohler + +
90minuten.at: Sind die Tore im Trainingszentrum in Altach größer? In der Liga gelang zuletzt Ende September ein Tor...
Joachim Standfest: Das ist halb so schlimm, wie es in den Medien gemacht. Wir haben immer wieder unsere Chancen, bringen gute Leistungen. Wir kommen in Situationen, in denen wir Tore machen können. Es fehlt an Spielglück, treffen eben die Stange und nicht rein. Schlechter wäre es, wenn wir gar keine Chancen hätten.
90minuten.at: Im Ernst: Die Niederlagen gegen LASK, Salzburg und Rapid sind im Endeffekt erwartbar, zwei Remis gegen TSV und WAC gehen wohl in Ordnung. Sind Sie abgesehen von den Toren mit dem Herbst zufrieden bzw., mit dieser Phase?
Standfest: Mit den Leistungen schon, die Spiele haben sich herzeigen können. Beim LASK waren wir zudem sehr nahe dran, hatten die besseren Chancen, gegen den WAC waren wir überlegen mit - Stangenschüssen und von der Linie geholten Bällen. Gegen Salzburg und Rapid war es auch gut, aber ein Burgstaller schießt einen rein, wenn es keiner erwartet. Wenn er fehlt, sind sie eine andere Mannschaft.
90minuten.at: Im Cup hat man die ersten drei Runden überstanden, der Abstand zum Tabellenkeller ist trotz der Torflaute recht groß. Wie bilanzieren Sie den Saisonstart?
Standfest: Wir wissen, wo wir herkommen und kennen unsere Ausgangslage. Wenn bei uns im Kader etwas passiert, wird es schwer, das zu kompensieren. Mit Gustavo ist uns etwas im Spiel weggefallen, das richtig gut funktioniert hat. Die Leistungen waren bis auf ein, zwei Spiele sehr gut. Für meinen Geschmack haben wir sogar vielleicht zu wenige Punkte. Eigentlich ist es derzeit so, wie wir es erwartet haben – vor drei Monaten sind wir sehr glücklich nicht abgestiegen. Jetzt sind wir da, mit zehn Punkten Vorsprung auf den letzten Platz.
90minuten.at: Altach hat es noch nie nach oben geschafft, Sie sind erst seit kurzem beim Klub, aber der Klub ist lange in der Liga, hat ein Stadion usw. Warum schauen Hartberg, WSG oder Klagenfurt, WAC rauf, der SCRA nicht?
Standfest: Klagenfurt und WAC muss man schon anders bewerten. Sie haben mehr Budget zur Verfügung. (Anm. d. Red.: Sowohl der WAC als auch Austria Klagenfurt hatten in der Saison 2021/22 laut Geschäftsbericht der Admiral Bundesliga weniger Klub-Budget zur Verfügung als Altach. Altach lag bei 10,284 Millionen Euro, WAC bei 10.245 Millionen Euro und Klagenfurt gar nur bei 5.820 Millionen Euro) Altach hatte lange Jahre ein Gerüst mit Philipp Netzer, Hannes Aigner oder Keeper Martin Kobras. Die sind alle zu alt geworden und haben aufgehört (lacht). Ein Verein in so einer Kategorie funktioniert nur, wenn es dieses Gerüst gibt und man Junge dazu oder Spieler holt, die einen wirklich besser machen. Unser Ziel ist es, so etwas aufbauen. Wir wollen einen Stamm finden und die Mannschaft in den nächsten zwei, drei Transferperioden so verstärken kann, dass man probieren kann, in die Meistergruppe zu kommen. Wenn wir es davor unter die Top6 schaffen, nehmen wir es natürlich mit.
90minuten.at: Wer ist der Stamm, mit dem man plant?
Standfest: Das sieht man wohl, wir wechseln ja wenig. So geben wir dem Team die Chance, sich kennenzulernen. Wie der Stamm dann genau aussehen wird, das ist unsere Aufgabe. Darüber hinaus investieren wir auch nicht mehr als in den letzten Jahren, das muss man auch einmal sagen. Wir hatten beispielsweise Stürmer im Auge, die wir aus finanziellen Gründen nicht bekommen haben. Darum haben wir niemanden mehr geholt.
90minuten.at: Wenn wir uns diese Saison ansehen - was sind ihre Ziele nun?
Standfest: Das Grundziel heißt, so früh wie möglich nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Das wird mit dem Ligaformat schwierig. Ich halte die Punkteteilung für Wahnsinn. Mit der Halbierung und einer Niederlage ist ein mühsam erarbeiteter Vorsprung schnell weg. Was wir bislang sehr gut in die Mannschaft gebracht haben, ist es, dass wir von Spiel zu Spiel schauen. Alle kommen am Tag nach den Partien ins Trainingszentrum und freuen sich auf das nächste Spiel. Sollte es in der 19. Runde knapp sein und wir die Chance auf die Top6 haben, werden wir alles dafür tun dabei zu sein.
90miniuten.at: Was wollen Sie langfristig in Altach erreichen?
Standfest: Es ist so, dass wir den Stamm finden, erweitern, eine Spur besser werden und übernächstes Jahr unter die Top6 kommen. Das wird aber sehr schwierig, weil die anderen Vereine auch viel mehr Geld haben. Hartberg oder Blau-Weiß Linz sind finanziell ähnlich aufgestellt, die WSG Tirol hat wohl ein bisschen weniger, bei Lustenau weiß man nie, was Frankreich macht. Aber wir fischen ja in demselben Teich, weil alle anderen stehen über uns. (Anm. d. Red.: Altach war in der Saison 21/22 in der Umsatz-Rangliste aller Bundesliga-Klubs auf Rang 7, vor Klubs wie WAC, WSG; Hartberg, Klagenfurt und Lustenau)
90minuten.at: Altach hat immer viel probiert, Stabilität gibt es länger nicht. Gibt es angesichts eines solchen Plans ein Commitment des Vereins für Langfristigkeit?
Standfest: Da muss man den Verein fragen. Sie wollten wohl nicht mit als Cheftrainer, um etwas ganz anderes zu machen. Und es gibt wohl keinen Verein, der nicht Stabilität will auf der Trainerposition. Aber Fußball ist ein Ergebnissport, da darf man sich nichts vormachen.
90minuten.at: Co-Trainer bei Sturm und Admira, Cheftrainer in Amstetten, dann im Nachwuchs der Austria, Co unter Klaus Schmidt bei Altach, jetzt auf einem der zwölf begehrten Trainersessel. Folgt ihre Karriere einem Plan?
Standfest: Geplant...ich hatte Ideen, aber man weiß ja nie, ob man bekommt, was man will. Ich habe die A-Lizenz schon vor mehr als zehn Jahren angefangen und mich nicht jenem Tag, an dem ich die aktive Karriere beendet habe, dafür entschieden, Trainer zu werden. Schon davor war ich ein Bindeglied zwischen Bank und Spielfeld. Die Zeit ist ja auch vorbei, als man als Spieler aufgehört hat und sofort Trainer wurde. Das ist ewig her und man hängt dem nach. Man muss sich alles hart erarbeiten und verdienen. Ich habe schon Vorstellungen über meine Karriere, aber die sind nicht zeitabhängig. Ich will den handelnden Personen und dem Verein Altach jetzt etwas zurückgeben und fühle mich wohl.
90minuten.at: Die Diskussion ist nicht mehr so aktuell, wie noch vor ein paar Jahren: Ex-Kicker als Coach oder Laptoptrainer. Wie schätzten Sie das ein?
Standfest: Es wird welche geben, die sich rauf arbeiten und es sich verdienen. Das sind dann Ausnahmetalente, es wird aber auch Ex-Spieler geben, die ihren Weg machen. Die Entwicklung der letzten Jahre ist gut, dass man nicht gleich Trainer wird, nur weil man Spieler war. Die, die keine große aktive Karriere hatten, schieben mit so viel Fachwissen nach, dass man als Spieler zudem extrem reinarbeiten muss. Den einzigen Vorteil, den man als Ex-Spieler hat, ist, dass man schon lange im Geschäft ist und weiß, wie es funktioniert. Auch Dinge abseits des Platzes, etwa ein Präsidium, Sportdirektor, eine Kabine oder die Medien.
90minuten.at: Sie arbeiten mit bekannten Ex-Kickern zusammen. Wie läuft die Zusammenarbeit, was zeichnet Roland Kirchler bzw. Roman Wallner aus?
Standfest: Roland Kirchler ist der Chef, ich bin der Trainer. Er hat andere Aufgaben als ich. Es hat sich gezeigt, dass wir sehr ähnlich ticken. Man kann ihn alles fragen, weil er auch als Trainer gearbeitet hat. Roman und ich kennen uns, seit wir zwölf, 13 Jahre alt sind. Wir haben viel gemeinsam erlebt, es ist auch eine großartige Zusammenarbeit. Man versteht sich blind. Es ist eine runde G'schicht.
90minuten.at: Vervollständigen Sie doch den Satz: Ende 2025/26 wird der SCR Altach unter Joachim Standfest....
Standfest: ...da will ich gar kein Ziel ausgeben. Ich versuche, so gut wie möglich, meine Arbeit zu machen. Wenn wir das so schaffen, werden wir eine schöne Zeit verbringen.