Niklas Hedl: "Die Größe ist wichtig, aber nicht alles" [Exklusiv-Interview]
Niklas Hedl, Rapids Nummer eins und auch Teil des ÖFB-Teamkaders, spricht im Exklusiv-Interview mit 90minuten.at über seine bisherige Karriere, die Torhüter-Revolution im Jahr 2014, wie er damit umgeht, seine Größe nicht ändern zu können, und welche Ziele er noch verfolgt.
Es wird mittlerweile so intensiv gepresst, dass man hinten einen Torhüter braucht, der gut Fußballspielen kann.
Eine bestimmte Größe ist natürlich eine Voraussetzung für einen großen Torhüter, aber eben nicht alles. Marc-André ter Stegen ist so groß wie ich.
++ 90minuten.at PLUS – Das Gespräch führte Michael Fiala ++
Warum wird man eigentlich Torhüter? Eine Frage, die sich wohl jeder gute/r Tormann/Torfrau in einem Interview schon stellen hat lassen müssen. Da wollen wir natürlich auch bei Niklas Hedl keine Ausnahme machen, denn der Weg zum Profitorhüter ist höchst unterschiedlich. Mittlerweile hat sich Hedl die Nummer eins bei Rapid gesichert und ist auch in den Kreis des Nationalteams aufgenommen worden – mit der unmittelbaren Qualifikation zur Euro 2024 im Blick. Hedl ist 1,88 Meter groß (oder doch 1,89 Meter?), dabei geht der Trend derzeit zu eher größeren Keepern. Ist das ein Problem? Und überhaupt: Wie hat sich das Torhüterspiel verändert und was ist 2014 passiert, was den 22-Jährigen aktuell noch immer beeindruckt? Zudem: Wie kann man die Persönlichkeit weiterentwickeln und warum gibt es aktuell wenige österreichische Tormnänner im Ausland, die wirklich eine Rolle spielen?
Niklas Held spricht im großen Themenschwerpunkt „Torhüter“ ausführlich über diese und andere Themen. Wir tauchen ein in die Rolle eines aufstrebenden Torhüters und seine Sichtweise auf das Torhüterwesen.
90minuten.at: Es heißt oft: Torhüter sind ganz besondere Charaktere? Eine Floskel oder sehen Sie hier auch ein Körnchen Wahrheit?
Niklas Hedl: Vielleicht steckt ein bisschen eine Wahrheit dahinter. Wenn man mit dem Fußballspielen beginnt, denkt man nicht an die Position des Torhüters, sondern eher daran, draußen herzumzulaufen und Tore zu schießen. Für mich war aber der U9 klar, dass das Torwartspiel das Schönste am Fußball für mich ist. Ich glaube schon, dass man da ein bisschen eigen sein muss, weil eben jeder Fehler bestraft wird, was bei Feldspielern nicht so tragisch ist.
90minuten.at: Wie hat es sich bei Ihnen ergeben, dass Sie Torhüter geworden sind? Welcher Impuls war dafür ausschlaggebend?
Hedl: Bis zur U9 hat es keinen fixen Tormann gegeben, jeder hat alles gespielt. Im Training gab es oft eine Übung, dass man solange im Tor bleiben durfte, bis man ein Tor bekommen hat. Ich bin dabei immer sehr lange im Tor geblieben und es hat mir extrem gut gefallen. Da hat der Trainer auch gesehen, dass ich ein guter Torwart werden könnte. Es gab dann ein großes Turnier mit der U9 bei uns daheim, da bin ich das erste Mal als fixer Tormann eingesetzt worden und wir haben das Turnier gewonnen. Das war der Anfang meiner Karriere als Torhüter.
90minuten.at: Ihr Vater war ebenfalls Torhüter. Hat das aus Ihrer Sicht eine Rolle gespielt? War Ihnen damals bewusst: „Eigentlich schlage ich den gleichen Weg wie mein Vater ein?“
Hedl: Es war mir bewusst, aber es war nicht so, dass ich deswegen unbedingt Torwart sein wollte. Vielleicht liegt es im Blut, aber es hat mir einfach am meisten Spaß gemacht.
90minuten.at: Aber Ihr Vater hat das nicht speziell gefördert, dass Sie auch Torhüter werden?
Hedl: Nein, überhaupt nicht. Wenn dann eher im Gegenteil, er hat oft gemeint: Spiel draußen mit. Das war auch gut für mich, da ich mich spielerisch mit dem Fuß gut entwickeln konnte. Davor war ich als Verteidiger oder oft auch als Stürmer im Einsatz.
90minuten.at: Haben Sie sich aufgrund der Vorgeschichte Ihres Vaters besonders unter Druck gesetzt gefühlt, weil Sie dann daran gemessen wurden?
Hedl: Nein, das hat mich wirklich wenig bis gar nicht beeinflusst.
90minuten.at: Eine Ihrer großen Stärken liegt sicherlich im Spiel mit dem Ball. Hatten Sie immer schon in diesem Bereich ein Talent?
Hedl: Als es in den Akademiebereich gegangen ist, hat man gemerkt, dass ich mit dem Fuß sehr gut spielen kann. Das hat sich dann die gesamte Ausbildung bis zu den Amateuren so raufgezogen und weiterentwickelt.
90minuten.at: In einem Interview mit 'laola1.at' meinten Sie, dass sich das Torhüterspiel revolutioniert hat. So wie der gesamte Fußball. Ist dies Ihrer Meinung nach ein laufender Prozess oder ist diese Revolution aktuell abgeschlossen? Und wann hat diese Revolution Ihrer Meinung nach stattgefunden?
Hedl: Wenn ich an die WM 2014 zurückdenke, hat sich diese Revolution so richtig gezeigt, als Manuel Neuer die Torhüterrolle neu interpretiert und den Libero hinten gespielt hat. Es wird mittlerweile so intensiv gepresst, dass man hinten einen Torhüter braucht, der gut Fußballspielen kann.
90minuten.at: 2014 bei der WM waren Sie 13 Jahre alt und haben eigentlich schon gewusst, dass Sie Torhüter werden wollen. Hatten Sie damals schon als Teenager den speziellen Blick auf das Spiel der Torhüter?
Hedl: Ja, als ich damals die Spiele gesehen habe, hatte ich immer einen Fokus auf die Torhüter, wie die spielen, welche Aktionen sie machen. Ich habe natürlich immer versucht, mir etwas abzuschauen. Manuel Neuer war damals für mich unfassbar gut.
90minuten.at: Als Vorbilder haben Sie einmal genannt: Manuel Neuer, Marc-Andre ter Stegen und früher auch Iker Casillas. Was zeichnet diese Torhüter sonst noch aus?
Hedl: Ich finde es sehr interessant, dass all diese Torhüter viele Jahre konstant Woche für Woche auf allerhöchstem Niveau spielen oder gespielt haben und bei Topmannschaften sind. Das finde ich imposant.
90minuten.at: Was kann man sich von diesen Torhütern speziell mit Blick auf den Charakter absehen?
Hedl: Natürlich versuche ich, von jedem guten Torhüter zu lernen und sich etwas mitzunehmen. Jeder dieser drei genannten Tormännern hat etwas Spezielles. Was diese drei sicher aus auszeichnet, ist die Ruhe, die sie ausstrahlen. Auch wenn mal ein Fehler passiert, merkt man es ihnen nicht an.
90minuten.at: Aktuell hat man ein wenig das Gefühl, dass besonders große Torhüter am Markt gesucht und geschätzt werden. Sehen Sie das ähnlich?
Hedl: Es gibt sicherlich Vorteile aber auch Nachteile, wenn man besonders groß ist. Klar ist, dass man mit 1,60 Meter kein Torhüter werden kann (lacht). Die Größe ist wichtig, aber nicht alles.
90minuten.at: Aber sehen Sie diesen Trend, dass besonders große Torhüter derzeit gefragt sind?
Hedl: Wenn man international beobachtet, sieht man diesen Trend sicher. Es gibt vermutlich wenige Spitzentorhüter, die kleiner als 1,90 Meter sind. Die sind alle groß, zum Teil riesig.
90minuten.at: Sie sind 1,88 Meter groß. Man könnte jetzt überspitzt formuliert sagen: Sie sind ein kleiner Torhüter und man kann die Größe auch nicht ändern. Spielt das in Ihrem Kopf eine Rolle?
Hedl: Ich bin 1,88 oder 1,89 Meter (lacht). Meine Größe kann ich nicht ändern. Aber ich kann am meiner Sprungkraft arbeiten und diese zum Beispiel um zwei, drei Zentimeter verbessern. Als etwas kleinerer Torhüter ist man vielleicht dafür etwas flinker.
90minuten.at: Die Größe ist aus Ihrer Sicht nicht der alles entscheidende Vorteil?
Hedl: Wenn man 1,94 oder 1,95 Meter groß ist, hat man vielleicht Vorteile. Eine bestimmte Größe ist natürlich eine Voraussetzung für einen großen Torhüter, aber eben nicht alles. Marc-André ter Stegen ist so groß wie ich (Anm. d. Redaktion: 1,87 Meter) und ein Weltklassetorhüter seit vielen Jahren.
90minuten.at: Wo liegt der Fokus aktuell in Ihrer täglichen Arbeit mit Tormanntrainer Jürgen Macho?
Hedl: Ich will der Mannschaft natürlich helfen mit so vielen „zu-null-Spielen“ wie möglich, weil dann können wir nicht verlieren. Das ist mir am Anfang von der Saison gut gelungen. Natürlich kann man sich überall verbessern und daran arbeiten wir auch: Flankenspiel, Positionsspiel, Zielverteidigung, etc. Ich arbeite mittlerweile mit Jürgen Macho seit drei, vier Jahren fast jeden Tag gemeinsam daran. Wir haben aber keinen speziellen Schwerpunkt. Und natürlich ist auch die Entwicklung der Persönlichkeit ein Thema.
90minuten.at: Sie haben die Persönlichkeit angesprochen. Wo sehen Sie hier noch Potenzial?
Hedl: Verantwortung auf dem Platz zu übernehmen und selbst Entscheidungen zu treffen, das hilft einer Mannschaft. Das ist sicherlich ein Thema. Verantwortung kann man immer übernehmen, auch wenn man noch sehr jung ist wie ich.
90minuten.at: Wie gehen Sie mit Selbstkritik um? Wie versuchen Sie nach einem Spiel zu reflektieren, um einen Nutzen daraus ziehen zu können?
Hedl: Wenn ich nach einem Spiel nach Hause komme, sehe ich mir zunächst die Highlights an – manchmal mit einem guten, manchmal mit einem schlechten Gefühl. Ich lass das dann für mich nachwirken. Am nächsten Tag habe ich dann mit dem Tormanntrainer eine Analyse, wo alles genau besprochen wird, wie man es besser machen kann und was gut war.
90minuten.at: Gibt es auch noch externe Personen, mit denen Sie darüber sprechen. Hier würde mir natürlich Ihr Vater einfallen. Oder konsumieren Sie auch Medien zu Ihren Spielen?
Hedl: Eigentlich nicht. Ich mache das mit den Trainern bei Rapid. Manchmal, wenn meinem Vater etwas auffällt, fragt er mich, wie ich diese Szene gesehen habe. Aber das machen wir nicht mit Video, sondern wir sprechen kurz darüber. Da sind manchmal kleine Tipps dabei. Alles andere passiert mit Jürgen Macho.
90minuten.at: Kommen wir zu Ihrer Rolle im Nationalteam. Vergangenes Jahr gab es die erste Einberufung und das erste Spiel. Haben Sie Ihren Platz dort gefunden?
Hedl: Das macht mich extrem stolz, hier dabei sein zu dürfen. Ich fühle mich im Kreis der Nationalmannschaft so richtig wohl und bin glücklich, ein Teil davon zu sein.
90minuten.at: Es ist kein Geheimnis, dass Alexander Schlager derzeit die Nummer eins im Nationalteam ist. Wie gehen Sie Ihre Rolle dort an, wie können Sie auch davon profitieren?
Hedl: Ich habe einen sehr großen Nutzen davon, hier dabei zu sein. Wenn man mit Weltklassespielern spielt, kann man viel lernen im Training. Man merkt einfach dieses Weltklasseniveau, das finde ich richtig cool und toll, hier dabei sein zu dürfen. Ich nehme mir bei jedem Lehrgang ein paar Themen mit, die für mich wichtig sind.
90minuten.at: Gibt es also auch neue Impulse für Sie durch die Lehrgänge?
Hedl: Ich glaube schon, dass wenn man beim Nationalteam mit Weltklassespielern spielt, dass diese Spieler gewisse Themen etwas anders sehen und auch im Training anders agieren, als ich es im Klub gewöhnt bin. Da lerne ich extrem viel dazu und bin sehr dankbar dafür.
90minuten.at: Österreich steht kurz vor der Qualifikation zur Euro 2024. Wie sehr haben Sie dieses Turnier schon im Blick als jemand, der im Kader des ÖFB-Teams nun regelmäßig dabei ist.
Hedl: Das wäre natürlich unglaublich und ein Riesentraum, der da in Erfüllung gehen würde. Aber das ist noch fast ein ganzes Jahr entfernt und es hilft nix, jetzt zu träumen. Ich versuche von Lehrgang zu Lehrgang meine Leistung zu bringen und so sich für die kommenden Lehrgänge zu bewerben.
90minuten.at: Ist es für Sie eine Umstellung als Nummer eins im Klub zur Nummer zwei oder drei ins Nationalteam zu kommen?
Hedl: Der Alex Schlager hat es bisher richtig gut gemacht und jedes Recht, die Nummer eins zu sein, sowohl im Team als auch in Salzburg. Er ist ein sehr sicherer Rückhalt. Es geht im Nationalteam auch nur darum, Spiele zu gewinnen und als Mannschaft erfolgreich zu sein. Insofern kann ich mich mit dieser Rolle gut anfreunden.