Michael Gspurning: "Nun sollte man die Nummer eins auch schützen" [Exklusiv-Interview]
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Michael Gspurning: "Nun sollte man die Nummer eins auch schützen" [Exklusiv-Interview]

Seit 2017 ist Michael Gpurning Torwarttrainer bei Union Berlin, seit Ende April auch beim heimischen Nationalteam. Im 90minuten.at-Exklusivinterview spricht er über seine Arbeit, die Nummer 1 und weitere Kandidaten.

 Jeder will einen Torhüter, der alles abdeckt. Jeder hat Stärken und Schwächen. Für uns als Trainer geht es schlicht darum, herauszufinden, wer am geeignetsten in unser Anforderungsprofil passt.

Michael Gspurning

Wir haben, wie gesagt, viele Torhüter, die vom Niveau her eng beieinander sind. Alex hat sich vorerst einen Status erarbeitet, nun sollte man die Nummer eins auch schützen.

Michael Gspurning

Der Unterschied heute war, dass wir effizient waren vor dem Tor. Das haben wir in der Vergangenheit zu wenig gezeigt.

Zoran Barišić

+ + 90minuten.at PLUS - Das Gespräch führte Georg Sohler + +

 

90minuten.at: Wie kam der Kontakt zum ÖFB überhaupt zustande? Wie und unter welchen Umständen hat Ihr Telefon geklingelt?

Michael Gspurning:  Ich war am Weg zum Training hier bei Union Berlin, als Günter Kreissls Nummer aufschien. Günter hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Torwarttrainer beim Nationalteam zu sein. Da ich die Aufgabe von Beginn weg extrem spannend fand, habe ich das bejaht. Ich bin ein Mensch, der gerne seinen Horizont erweitert und generell Freude am Lernen und Entwicklung hat. Bei Union ging es seit fünf Jahren bergauf, meine Familie und ich fühlen uns in Berlin wohl. Im Trainerteam sind wir gut eingespielt und trotzdem gibt es auch dort immer neue Herausforderungen. Dennoch dachte ich, dass gerade das Nationalteam ein zusätzlicher toller Input für mich wäre und ich andererseits auch dort etwas weitergeben kann. Ich habe mich daher über diese Möglichkeit einfach sehr gefreut.

 

90minuten.at: Wie kam das Ganze beim Klub an?

Gspurning: Ich hatte zu diesem Zeitpunkt gerade für drei Jahre bei Union unterschrieben, also war klar, dass es für mich eine zusätzliche Aufgabe sein wird. Der ÖFB hat ebenfalls in diese Richtung geplant. Zehn Minuten nach diesem Telefonat habe ich dann im Büro mit Union-Trainer Urs Fischer gesprochen. Urs kannte eine ähnliche Situation noch vom FC Basel. Er meinte nur, dass ich mir bewusst sein muss, was dieser Mehraufwand für mich bedeutet. Es folgten noch ein ausführlicher Zoom-Call mit Teamchef Ralf Rangnick und Sportdirektor Peter Schöttel und ein Berlin-Besuch von ÖFB Co-Trainer Lars Kornetka und Günter Kreissl. Die Gespräche waren sehr überzeugend für mich und nachdem meine Familie und ich uns das Ganze nochmal gründlich überlegt hatten, war klar, dass die Vorteile bei weiten überwiegen. Großer Dank geht natürlich auch an meinen Klub, der mir diesen Step ermöglicht hat. Nach zwei Lehrgängen kann ich klar sagen, dass die Zusatzaufgabe mir weitaus mehr Energie gibt, als sie kostet. Ich nehme in beide Richtungen Schwung mit und sammle große persönliche Erfahrungen dadurch.

90minuten.at: Was sind die Anforderungen an den obersten Tormanntrainer eines Landes?

Gspurning: Die Grundprinzipien eines erfolgreichen Trainers sind neben der Fachkompetenz, der Trainingssteuerung und der Vermittlungskompetenz sicherlich auch in weiteren Bereichen, teils Softskills, zu finden. Entscheidungsfindung, Menschenkenntnis, ein gutes Auge und Gespür, was es für die Entwicklung des Torwarts oder etwa eine gute Matchvorbereitung braucht, aber auch eine klare Kommunikation und Teamfähigkeit sind vonnöten. Vor allem die Kommunikation ist noch wichtiger als bei der Arbeit im Verein, wo man sich jeden Tag sieht. Weiters ist es auch eine Frage, wie man verschiedene Torhüterprofile und ihre Bedürfnisse in einem Training zusammenbringen kann, um die Gruppe bestmöglich auf das Spiel vorzubereiten. Hier sind die unterschiedlichen Trainingsprinzipien der Vereine zu beachten. Im Regelfall kommt man beim Nationalteam alle vier Wochen zusammen, mit unterschiedlicher körperlicher und mentaler Verfassung. Ich muss das alles berücksichtigen, um in kurzer Zeit das Bestmögliche zu schaffen.

 

90minuten.at: Schlager, Hedl, Pentz – das sind meiner Meinung nach ähnliche Keeper-Typen. Sind die drei die Besten, die wir haben?

Gspurning: Es sind die drei Keeper, denen wir für diesen Lehrgang das Vertrauen aussprechen und deren Qualitäten wir schätzen. Ich sehe sie nicht unbedingt als ähnliche Typen. Sie haben unterschiedliche persönliche und torwartspezifische Merkmale und damit einhergehend jeweils andere Vorzüge. Was sie gemeinsam haben ist, dass sie gewisse Anforderungen ans Tormannspiel abdecken. Im Nationalteam ist es anders als im Klubfußball aber nicht möglich, ein Profil zu erstellen und einen Keeper genau nach diesen definierten Angaben zu suchen. Beim Nationalteam zählt nur der Reisepass. Es gibt daher viele verschiedene Tormann-Typen, egal ob sie Alex Schlager oder Daniel Bachmann heißen. Auch Keeper, welche gerade verletzt sind oder keine Einsatzzeit haben, bleiben weiterhin wichtig und auf dem Radar. Das Niveau des Nationalteams muss natürlich möglichst hoch sein.

 

90minuten.at: Ich habe Bachmann vorhin nicht deshalb nicht genannt, weil ich ihn für einen schlechten Keeper halte, ich denke nur, dass der Rangnick-Fußball einen anderen Typ braucht. Er ist größer und hat Strafraumpräsenz, brauch ich dann einen großen Keeper, situativ?

Gspurning: Jeder will einen Torhüter, der alles abdeckt. Jeder hat Stärken und Schwächen. Für uns als Trainer geht es schlicht darum, herauszufinden, wer am geeignetsten in unser Anforderungsprofil passt. Nach der Nominierung geht es in weiterer Folge in der Zusammenarbeit mit den Keepern darum, bestmöglich zu performen.
Haben wir den einen Keeper mit dem von „Fußballösterreich“ anerkannten Prädikat „Weltklasse“? Nein. Dennoch hat sich Alex Schlager in den letzten Spielen auf internationalem Niveau stark präsentiert. Dies ist schon mal ein Erfolg. Es geht beim Nationalteam zusätzlich immer darum, wer qualitativ ins Team passt, sowohl auf dem Platz, als auch abseits!

 

90minuten.at: Manuel Neuer ist wohl die Benchmark im Goalkeeping. Man wird keinem der genannten zu nahe treten, wenn man sagt: Sie sind nicht Manuel Neuer. Tobias Lawal würde da ja viel mitbringen... Wen sehen Sie noch?

Gspurning: Ich will nicht zu viel über einzelne Namen sprechen oder versuchen, die Zukunft vorherzusagen. Vielleicht gibt es ja auch einen Quereinsteiger, also einen, den man derzeit noch gar nicht am Schirm hat. Mit Niki Hedl und Tobi Lawal haben sich auf jeden Fall zwei interessante junge Torhüter in der Liga etabliert. Sie bringen gewisse Dinge schon mit und es ist auch noch eine weitere Entwicklung zu erwarten. Wir im Trainerteam überlegen weiters, wie wir die Zukunft lenken können, um noch gezielter junge Torhüter zu fördern. Ich will uns nicht mit der Schweiz vergleichen, aber wir sollten schauen, wie wir das Maximale aus den gegebenen Umständen erreichen können um unsere eigene Benchmark zu setzen. Es war auch ein großes Anliegen von Günter Kreissl, eine Task Force zu gründen, um Österreichs Zukunft auf der Torhüterposition auf höchstes Niveau zu bringen. Vielleicht können wir dann in ein paar Jahren auf Torhüter zurückgreifen, die regelmäßig in Topligen spielen.

90minuten.at: Mit Namedropping kommen wir nicht allzu weit. Also: Wir haben keinen Manuel Neuer, aber wir könnten auch Nicolas Schmid von Blau-Weiß Linz reinstellen, ohne dass das Niveau weit runter geht. Sprich: Keine Superstars und das Niveau in der Liga ist gut.

Gspurning: Ich habe keine Angst, zu einzelnen Namen etwas zu sagen, aber vielleicht wird dann zu viel hineininterpretiert, positiv wie negativ. Es sind Talente für die Zukunft da und das ist gut so. Ich bin auch überzeugt von den Gedanken, die wir im Rahmen der Task Force austauschen und den Schritten, die jetzt darauf folgen werden. Außerdem läuft die Kommunikation mit den Tormanntrainern der jeweiligen Kandidaten sehr gut, was mich ebenfalls freut. Wir tauschen uns hierbei über die Leistungen der Torhüter aus oder besprechen, wie ihnen in der Zeit beim Nationalteam bestmöglich geholfen werden kann. Auch der Kontakt zu Robert Almer, und dessen Erfahrungen beim Team, halfen mir schnell einen guten Zugang zum gesamten Staff, den Trainerkollegen und auch den Jungs zu finden.

 

90minuten.at: Wie oft sprechen Sie mit den Keepern? Rufen Sie am Sonntagabend an oder schreiben eine WhatsApp?

Gspurning: Möglich. Mal ist es ein Telefonat, mal eine Whatsapp, je nach Situation. Wir versuchen generell – nicht nur bei Torhütern – den Austausch mit Klubtrainern und den Spielern engmaschig zu halten. Schließlich wollen und müssen wir die Spieler gut betreuen.

 

90minuten.at: Sturm oder Austria Wien haben keine heimischen Keeper, Salzburg hat auch oft auf Legionäre gesetzt. Verstehen Sie die Klubs?

Gspurning: Ich kenne ja beide Seiten. Nehmen wir die Situation um Alex Schlager im Sommer. Wir hatten uns im Juni auf ihn als Nummer 1 im Team festgelegt. Als er zu Salzburg gegangen ist, habe ich mich mit seinen Tormanntrainern ausgetauscht und von meinen persönlichen Erfahrungen mit ihm in der kurzen Zeit berichtet. Er hat es im Juni gegen Belgien und Schweden souverän gemacht. Natürlich haben wir gehofft, dass er in Salzburg zu vielen Einsätzen kommt. Ich kann und würde mich nie bei Red Bull Salzburg, wie auch bei allen anderen Klubs, in die Kaderplanung einmischen. Als Phillip Köhn seinen Wechsel zu Monaco vorangetrieben, war das natürlich positiv für Alex und auch uns im Team. Wie man den österreichischen Weg weiter intensivieren kann, ist eine gute Frage. Viele Faktoren müssen dazu stimmen. Man muss Strukturen und das Know-How in der Ausbildung auf ein hohes Niveau bringen und dort halten. Somit haben, in weiterer Folge, die Klubs die Möglichkeit, junge Spieler einzusetzen, die den Anforderungen der Profimannschaft gerecht werden. Ich denke, es ist insgesamt wichtig, dass Talente regelmäßig zu Einsätzen kommen. Das ist bei Torhütern vielleicht noch wichtiger als bei einem Feldspieler. Es braucht dazu auch eine mutige Philosophie. Denken wir an Freiburg. Die haben sich bewusst dazu entschieden, Noah Atubolu als jungen Keeper spielen zu lassen. Das würde nicht gehen, wenn nicht das Trainerteam dahintersteht und die gesamte sportliche Führung es durchzieht. Dieses Vertrauen in den Spieler darf dann auch nicht beim ersten Fehler erschüttert werden.

 

90minuten.at: Was muss ein Keeper denn für Sie können, um ein Thema für das Nationalteam zu sein? Noch ein paar Namen: Lucic spielt bei Hajduk Split, Markus Kuster bei Winterthur.

Gspurning: Oder Cican Stankovic bei AEK Athen, sowie in der 2. deutschen Liga Kristof und Stritzl. Das sind zwei Doppelstaatsbürger, die bei ihren Klubs zum Einsatz kommen und ihre Leistungen bringen. Auch in der heimischen Liga gibt es Kandidaten. Wir haben, wie gesagt, viele Torhüter, die vom Niveau her eng beieinander sind. Alex hat sich vorerst einen Status erarbeitet, nun sollte man die Nummer eins auch schützen und unterstützen. Er wird natürlich versuchen, durch weiterhin gute Leistungen seine Position zu halten. Die anderen Kandidaten haben aber laufend die Chance, ihm diesen Platz streitig zu machen. Eine Entwicklung durch Konkurrenz ist gut für das Team, weil dies automatisch eine weitere Niveauanpassung nach oben bedeuten würde. Mit den Leistungen in den Qualifikationsspielen sind wir derzeit sehr zufrieden, es gibt aber immer Dinge, an denen man arbeiten kann. Da zusammen mit den Keepern weiterhin dranzubleiben, darauf freue ich mich.

 

90minuten.at: Was sind die dringlichsten Aufgaben für die schwierige WM-Qualifikation? Wir können Alex Schlager schließlich nicht auf die Streckbank legen

Gspurning: Müssen wir auch nicht. Generell gilt bei der Zusammenarbeit mit unseren Torwarten einfach deren Stärken zu stärken und die Schwächen zu schwächen. Ein simpler Spruch eines Trainerkollegen, der Trainingsziele gut beschreibt. Die Hauptarbeit geschieht bei den Klubs. Vielleicht können wir in Zusammenarbeit noch ein paar Prozentpunkte durch gezieltes Fördern und Fordern draufpacken. Hoffen wir aber in erster Linie, dass alle fit bleiben – die Grundlage für weitere Entwicklung.

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