Markus Katzer: "In naher Zukunft um den Meistertitel mitspielen" [Exklusiv-Interview]
Die Stimmung beim SK Rapid schwankt wieder einmal, der Sportdirektor ist um Ruhe bemüht. Ihm geht es um Zeit und die richtige Entwicklung in einem angestoßenen Prozess, wie er im Exklusiv-Interview mit 90minuten.at erklärt.
Es braucht alles seine Zeit, die muss man uns auch geben. Es geht nichts von heute auf morgen.
Wir wollen nachhaltig um den Meistertitel mitspielen. Zeitlich werden wir uns nicht eingrenzen.
+ + 90minuten.at PLUS – Das Gespräch führte Daniel Sauer + +
Markus Katzer kennt den SK Rapid nicht nur als amtierender Sportdirektor, sondern obendrauf als Spieler. Wie es läuft, wenn es nicht läuft, weiß er ebenso, wie es sich anfühlt, Meisterschaften in Grün-Weiß zu gewinnen. Irgendwo zwischen diesen beiden Polen liegt Hütteldorf aktuell, die sportliche Führung braucht dringend Ergebnisse, um grundsätzlich gute Leistungen zu untermauern. Im Exklusiv-Interview mit 90minuten.at spricht Katzer über die Trainerdiskussion, seine Pläne für den Kader und bereits angestoßene Entwicklungen.
Hinweis: Das Interview wurde vor der 0:1-Niederlage gegen den TSV Hartberg und den vom Verein dementierten Gerüchten über eine Trennung von Trainer Zoran Barišić geführt.
90minuten.at: Seit der letzten Länderspielpause geht die Tendenz bei Rapid in die richtige Richtung. Nach der Niederlage gegen Klagenfurt gab es ein emotionales 3:3 gegen den LASK, im Cup ist man souverän weiter, auch in der Bundesliga wurde danach gepunktet. Trotzdem ist die Stimmung um den Verein ausbaufähig. Sie kennen Rapid gut, wie sehen Sie die aktuelle Situation?
Markus Katzer: Ich muss die Situation nüchtern beurteilen, das heißt, ich sollte mich nicht durch Stimmungen von außen beeinflussen lassen. Wichtig ist, dass man den Fokus auf das Wesentliche legt: Aktuell haben wir viel zu wenige Punkte. Fakt ist aber auch, dass die Entwicklung sehr, sehr positiv ist. Wir haben den höchsten xG-Wert (Anm. d. Redaktion: Expected Goals / Statistik zur Darstellung von erspielten Torchancen) in der Liga, schaffen es aber nicht, die Spiele hinüberzubringen. Ich glaube, dass ganz wenig fehlt – aber auch, dass Fehler passiert sind und dass es viel gibt, an dem man arbeiten kann. Trotzdem hat die Mannschaft von Sommer weg einen richtig großen Sprung gemacht. Wir haben uns gut verstärkt und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir auch einmal einen Lauf starten können. Man braucht aber nicht drum herumreden, wir brauchen einfach Punkte. Es ist ein Ergebnissport, man muss einfach Ergebnisse bringen.
90minuten.at: Nur von außen kommt die kritische Stimmung aber nicht. Trainer Zoran Barišić stand bei den eigenen Fans in der Kritik, die Trainerdiskussion gab es also auch im eigenen Stadion.
Katzer: Das ist auch völlig verständlich, weil die Rapid-Fans einen Leidensweg hinter sich haben. Ich persönlich nicht, weil ich in den letzten Jahren woanders tätig war. Ich war Rapid natürlich sehr verbunden und habe die Situationen verfolgt, aber eher als außenstehender Liebhaber, der den Verein im Herzen hat. Die Fans lechzen auch aufgrund der ruhmreichen Vereinsgeschichte und der in der Vergangenheit wiederholt ausgerufenen Ziele nach großen Erfolgen, haben aber seit 2008 keinen Titel mehr feiern können. Wir kommen einfach schnell an den Punkt, an dem sie sich denken: Es hat sich schon wieder nichts geändert. Die Fans sehen zwar, dass ein Schritt passiert ist – nur interessiert viele das irgendwann nicht mehr, wenn die Ergebnisse nicht passen. Das kann ich voll verstehen. Fakt ist: Die Rapid-Fans haben durch meine Person und das neue Präsidium erwartet, dass sich Dinge verändern. Wir haben schon viel getan: Wir haben einen neuen Fitnesstrainer seit dem Sommer. Wir haben das Videoscouting ganz neu aufgestellt. Weltweit sitzen zehn Videoscouts, die sich für uns Spiele anschauen. Auch im Datenscouting haben wir einen Schritt gemacht, wir beschäftigen uns jetzt überhaupt mehr mit Daten. Es gibt einen neuen Geschäftsführer Wirtschaft. Wir spielen einen ganz anderen Fußball, mit einer anderen Qualität - auch wenn nicht von der Hand zu weisen ist, dass manche Spiele weniger gut waren. Da fällt mir das Wiener Derby ein, das gerade in Überzahl einfach schlecht war. Es braucht aber alles seine Zeit, die muss man uns auch geben. Es geht nichts von heute auf morgen.
90minuten.at: Liegt das Problem dann vielleicht eher in der Kommunikation? Viele Veränderungen spielen sich hinter den Kulissen ab und nach außen dringt dann nur, dass man sich das Erreichen der Top 6 als Ziel setzt. Damit tut man sich wahrscheinlich selbst keinen Gefallen.
Katzer: Natürlich wollen wir uns direkt für eine Gruppenphase qualifizieren. Aber sobald man das ausspricht, ist man bei Rapid unter Druck, das direkt zu erreichen. Wichtig ist, dass man Schritt für Schritt in die richtige Richtung geht und in naher Zukunft um den Meistertitel mitspielen kann. Das ist ein Prozess, den wir eingeleitet haben. Man kann als SK Rapid nicht sagen, dass es schön wäre, unter die ersten Sechs zu kommen. Wir wollen uns im besten Fall direkt für eine Gruppenphase qualifizieren. Wenn das aus irgendeinem Grund nicht geht, wollen wir es über die Qualifikation schaffen. Wir wollen wieder ins Cupfinale und den Cup gewinnen, das heißt aber nicht, dass es passieren muss. Bei Rapid wird natürlich immer besonders kritisch aufgepasst, wenn man sagt, dass man unter die ersten Sechs will – da wurde unser Trainer von vielen missinterpretiert, aber jedem der zuhören wollte sollte klar sein, dass es um das Zwischenziel für den Grunddurchgang ging. Es geht darum, dass wir natürlich auf jeden Fall in die Meistergruppe wollen, und dann weiterschauen.
90minuten: Klar ist, dass man als Projekt Rückstand auf Sturm Graz und Salzburg hat. Wie lange soll der angesprochene Prozess ungefähr dauern, wann will Rapid gut sein?
Katzer: Im Fußball kann man nie sagen, was passiert. Wir werden den eingeleiteten Prozess so lange verfolgen, bis wir auf sportlicher Ebene wieder ein Topklub in Österreich sind. Das heißt: Wir wollen nachhaltig um den Meistertitel oder die Top-3-Plätze mitspielen. Zeitlich werden wir uns nicht eingrenzen. Wenn ich sage, dass es in fünf Jahren so weit ist, drehen wieder alle durch. Wenn ich sage, dass es in zwei Jahren passiert, uns dann aber lukrative Spielerverkäufe dazwischenkommen, lässt sich das auch nicht vorhersehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir den Schritt in der nahen Zukunft gehen können. Wann genau kann ich aber nicht sagen, auch wenn es jeder gerne hören würde.
90minuten.at: Fünf Jahre Zeit zu bekommen ist im Fußball wirklich selten, Zeit ist überhaupt ein schwieriges Thema. Vor allem lässt es sich mit den Voraussetzungen des SK Rapid irgendwann nur mehr schwer erklären, dass es mehrere Jahre dauert. Hartberg hat sich innerhalb von einem halben Jahr vom Abstiegskandidaten zu einem wirklich soliden Team gesteigert.
Katzer: Von Zeit will niemand mehr etwas hören. Ich bin jetzt 11 Monate im Amt, man kann nicht jetzt schon einfordern, um den Meistertitel mitzuspielen. Wenn man ehrlich draufschaut, sieht man, dass wir einen richtigen Schritt gemacht haben. Ja, wir kriegen viel zu leicht Tore und stellen uns nicht immer geschickt an – das muss man einfach abstellen. Aber das sind Dinge, die mir keine großen Sorgen machen.
>> Weiterlesen - Seite 2: Katzer über auslaufende Verträge, Wintertransfers und Scouting