Günter Kreissl plant "rot-weiß-roten Weg im Torwartbereich" [Exklusiv-Interview]
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Günter Kreissl plant "rot-weiß-roten Weg im Torwartbereich" [Exklusiv-Interview]

Der ÖFB hat im Torwartbereich Aufholbedarf - man möchte "entschieden besser werden", erklärt der dafür im Verband zuständige Günter Kreissl im Exklusiv-Interview mit 90minuten.at. Außerdem spricht er über das Vorbild Schweiz, Teamchef Rangnick und so manchen Hoffnungsträger/Hoffnungsträgerin.

Der Austausch mit Ralf Rangnick funktioniert sehr gut. Im Herbst ist eine Fortbildung im Torwartbereich geplant, an der er teilnehmen möchte. Das muss man wertschätzen.

Günter Kreissl

Wir suchen ein sehr anspruchsvolles Gesamtbild, in den letzten Jahren hat es oft in irgendeinem Bereich gefehlt.

Günter Kreissl

+ + 90minuten.at PLUS - Das Gespräch führte Daniel Sauer + +

 

Seit über zwei Jahren ist Günter Kreissl für die Leitung der Torwartagenden im ÖFB zuständig, der ehemalige Manager von Wiener Neustadt und Sturm Graz arbeitet in seiner neuen Position großteils abseits der sport(-öffentlichen) Wahrnehmung. Das, obwohl das Interesse an den Schlussmännern in den letzten Jahren und Monaten immer wieder groß war, wenn auch nicht im Positiven. 90minuten.at hat sich mit Kreissl - im Bild mit Zukunftshoffnung Matteo Bignetti (Sturm Graz) -  über seine Visionen für Österreichs Keeper, die Entwicklungen der Nationalteams und die vielversprechende Lage im Frauenbereich unterhalten: 

 

90minuten.at: Herr Kreissl, Sie haben Anfang 2021 die damals neue Position als „Head of Goalkeeping“ im ÖFB übernommen. Nach bald drei Jahren haben Sie sicher eine gute Übersicht: In welchem Zustand haben Sie die Agenden übernommen, was hat sich seitdem weiterentwickelt?

Günter Kreissl: Das muss man ganzheitlich beleuchten. Es ist zunächst einmal positiv, dass der ÖFB diesem Bereich 2021 mehr Wichtigkeit geben wollte. Im Torwartbereich gibt es vier Bereiche, die man abdecken will: Alles, was rund um die Nationalteams passiert, die Aus- und Fortbildung der Trainer, die Toptalente-Förderung und der strategische Bereich – damit man in allen Bereichen inhaltlich in die gleiche Richtung marschiert. Für uns war es von Beginn weg ein großes Ziel, nicht nur im Rahmen der Trainerausbildung Inhalte weiterzugeben, sondern auch vor Ort zu sein: Wir besuchen Akademien, versuchen Feedback- und Inputgeber zu sein. Durch die Pandemie wurde das zwar erschwert, aber wir waren mehrfach in allen Landesverbandsausbildungszentren und Akademien, um dort eine Basis mit den Ausbildenden aufzubauen. Ich habe zwei Teilzeitassistenten, die das gemeinsam mit mir machen. Die Torwarttrainer-Ausbildung wurde und wird von Roland Goriupp schon wirklich sehr hochwertig geführt. Jetzt geht es darum, Schritt für Schritt noch präziser zu werden, alle ins Boot zu holen, um sie von einem rot-weiß-roten, österreichischem Weg im Torwartbereich zu überzeugen.

 

90minuten.at: Wie kann man sich Ihren Arbeitsalltag denn grundsätzlich vorstellen?

Kreissl: Das ist sehr unterschiedlich, je nach Wettkampfphase im Fußball. Heutzutage ist unter anderem die Videoanalyse ein wesentlicher Part. Während der Lehrgänge bin ich sehr viel in Österreich unterwegs, weil ich versuche, sehr nahe an allen Nationalteams dran zu sein – um mir Eindrücke zu schaffen von den Torwarten und wie wir im Trainerbereich arbeiten. Es geht natürlich immer wieder auch um Besetzungen von Torwarttrainern, ich bin zum Beispiel sehr glücklich, dass wir mit Michael Gspurning einen sehr erfolgreichen österreichischen Torwarttrainer für das A-Nationalteam gewinnen konnten. Insgesamt ist es ein Mix aus konzeptionellen Tätigkeiten im Office, aber auch intensivem Kontakt mit Trainern vor Ort am Platz.

90minuten.at: Was bei der Verpflichtung von Ralf Rangnick oft angenommen wurde ist, dass er in mehrere Bereiche beim ÖFB eingreift. Wie ist der Austausch mit Ralf Rangnick, hat er bei den Torhütern bestimmte Vorstellungen?

Kreissl: Der Austausch funktioniert sehr gut, wir waren natürlich rund um die Torwarttrainer-Bestellung für das A-Team viel in Kontakt. Ralf Rangnick ist jemand, dem viele Bereiche am Herzen liegen. Wir wissen, dass wir – anders als Länder wie die Schweiz und Dänemark – keinen Torwart als Nummer 1 in den Top 5 Ligen platziert haben. Wir wissen, dass da noch viel Luft ist und wollen entschieden besser werden. Im Herbst ist eine Fortbildung im Torwartbereich geplant, an der auch Ralf Rangnick teilnehmen möchte, das muss man sehr wertschätzen.

 

90minuten.at: Wo liegen unter ihm die inhaltlichen Schwerpunkte, vor allem mit Blick auf die spielerischen Aspekte?

Kreissl: Das Profil, das ein Torwart mitbringen muss, ist sehr komplex und anspruchsvoll. Dabei geht es um den Kernfokus auf Defensivqualitäten, gleichzeitig um Offensivqualitäten und das, was man physisch und psychisch mitbringen muss. Wir suchen außerdem Persönlichkeitselemente wie Ausstrahlung und das richtige Mindset. Wenn man sich die Entwicklung des Torwartspiels anschaut, hat natürlich das Spiel im eigenen Ballbesitz unter Einbindung des Torwarts massiv an Bedeutung gewonnen.

 

90minuten.at: Sie haben ihn schon erwähnt – mit Michael Gspurning ist ein neuer Torwarttrainer im Nationalteam dabei. Warum hat man sich auf ihn festgelegt?

Kreissl: Wir hatten mehrere sehr gute österreichische Kandidaten, mit denen wir uns auseinandergesetzt haben. Final bringt der Michael ein überragendes Gesamtpaket mit. Er hat selbst das ein oder andere Teamspiel gemacht, war in Österreich und im Ausland aktiv und ist seit Jahren Teil der Erfolgsgeschichte Union Berlin. Er bringt einen unglaublichen Erfahrungsschatz mit -  für uns ist es eine Toplösung, dass sein Verein ihn überhaupt für die Nationalteamlehrgänge freigibt. Wir haben nach Kompetenz gesucht, aber auch nach menschlichen und kommunikativen Stärken – all das bringt Michael mit.

90minuten.at: Hat man sich neben den österreichischen Kandidaten auch international umgeschaut?

Kreissl: Wenn möglich sollte der Fokus meiner Meinung nach immer auf Österreichern liegen, es ist aber kein Muss. Hätten wir niemanden in dieser Qualität, hätte man auch ins Ausland schauen können. Das haben wir auch diskutiert, zum Glück hatten wir aber die ein oder andere hochwertige österreichische Option.

 

90minuten.at: Bei den ebenfalls neu geschaffenen ÖFB-Perspektivlehrgängen waren bisher acht Torhüter dabei. Wie viel kommt derzeit von unten nach? Ein großes Thema ist wie erwähnt das aktive Mitspielen, wie sehr haben das die Nachwuchsspieler schon drinnen?

Kreissl: Zum Glück immer mehr. Natürlich nimmt das einen immer wesentlicheren Schwerpunkt ein. Wir haben interessante Torwarte, für die absolute Spitze geht es immer um die Ausgewogenheit im Profil. Du brauchst einen, der ein guter Torverteidiger, aber genauso ein guter Fußballer und toller Athlet mit einer gewissen Körperkomposition ist – und psychisch ein richtig toller Wettkampftyp. Wir suchen ein sehr anspruchsvolles Gesamtbild, in den letzten Jahren hat es oft in irgendeinem Bereich gefehlt. Ich möchte zwei Spieler erwähnen: Mit Niklas Hedl und Tobias Lawal spielen zwei Torwarte bei Großklubs, die grundsätzlich ein tolles Profil mitbringen. Da ist noch kein Limit zu sehen, vor allem mit Blick auf ihr Alter. Dahinter gibt es auch noch einige Burschen, die das mitbringen.

 

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