Manuel Ortlechner und wie viel Österreich in der Austria sein soll [Exklusiv-Interview]
Die Wiener Austria ist bekanntlich finanziell nicht auf Rosen gebettet, braucht den Österreicher-Topf. Dass andere Vereine darauf verzichten, findet Sportdirektor Manuel Ortlechner nicht schlimm. Das und wie er zu Legionären steht, erklärt er im 90minuten.at-Exklusivinterview.
Ein gutes Beispiel ist auch Noah Ohio. Da fragten viele: Was ist das für einer? Den hätten wir vom Gehalt her nie stemmen können. Er braucht einen gewissen Zeitraum er ist mit jeder Minute, die er da war, besser geworden.
Unsere Situation lässt es sich nicht zu, dass wir uns 17-Jährige um Millionen kaufen. Das finde ich nicht schlimm, wenn wir die Möglichkeiten nicht haben.
+ + 90minuten.at PLUS -das Gespräch führte Georg Sander + +
90minuten.at: Zunächst: Was muss ein Legionär können, damit er zur Austria kommen kann?
Manuel Ortlechner: Das kann ich so pauschal natürlich nicht sagen, weil am Ende des Tages geht es ja um Profile. Ich spiele auch gerne mit dem Namen Austria und es soll bei uns viel Österreich drinstecken. Das ist aus meiner Sicht auch ein Auftrag und ich habe schon oft erwähnt, dass wir das nach wie vor sehr ernst nehmen. Wenn ein Spieler ein gewisses Profil erfüllt und wenn es ihn am österreichischen Markt aus diversen Gründen nicht gibt und wir glauben, die Position können wir besser mit einem Ausländer besetzen, dann macht man das.
90minuten.at: Im letztjährigen Kader waren viele Schlüsselpositionen mit Ausländern besetzt. Dabei handelt es sich durchaus um erfahrene Spieler. Woran liegt es, dass es da nicht so viele österreichische erfahrene Spieler gibt?
Ortlechner: Da muss man sich jeden einzeln ansehen. Es war schon so, dass wir letzten Sommer gute Leute verloren haben. Ein Beispiel vom Tormannsektor, weil es etwas untypisch ist für die Austria, weil wir in der Regel immer heimische Torhüter hatten. Also haben wir uns am Markt umgehört und aus unserer Sicht hat es keine bessere Lösung gegeben als Christian Früchtl. Es hat einfach auch mit der Konstellation des Marktes zu tun. Oder James Holland. Manfred Schmid hat gemeint, wir brauchen einen Leader, der gewisse Attribute erfüllt. Den „Jimmy“ kennen wir alle, der ist ewig hier, spricht fließend Deutsch. Man wusste, was er einbringen kann. Es hat eben eher mit Profilen zu tun: Wen oder was suchst du? Wer kann uns wie wo helfen? Am Ende muss es dann auch charakterlich und finanziell passen. Das sind die Parameter, die wir für uns definiert haben.
90minuten.at: Sieht man sich die bewerbsübergreifenden Leistungsdaten an, dann sind unter den ersten 14, 15 Spielern mit Holland, Galvao, Mühl, Martins und Früchtl fünf (erfahrene) Legionäre. Ist das der „Sinn“, wenn man Legionäre holt?
Ortlechner: Das kann man nicht so pauschal sagen. Wenn ich ein junges Talent hole, das Ausländer ist, scheint er in der Statistik ganz weit hinten auf.
90minuten.at: Leidner kam für ein halbes Jahr, Koumetio blieb nur ein halbes Jahr, Baltaxa kam nur auf 430 Einsatzminuten – wie geht die Austria da mit den Eigengewächsen um, wenn ausländische Kicker eben im Kader stehen? Was sind die Hintergründe?
Ortlechner: Leidner ist eines der größten israelischen Talente, jeder, der etwas von Fußball versteht, gibt mir da recht – aber er ist verletzt. Die Konstellation hat es zugelassen, dass man ihn für gewisse Zeit haben konnte. Eigentlich ist er finanziell nicht erschwinglich für uns. Das muss man einfach akzeptieren. In großen Ländern - diesem Fall Griechenland – ist es so, dass man ganz andere Summen verdienen kann. Aber die Konstellation, dass dort viel Konkurrenz dazukommt, hat es zugelassen, dass er nur so kurz bei uns war. Koumetio wurde bei Liverpool intern hoch bewertet, ehemaliger französische Jugend-Nationalspieler, blutjung, war mit einer der jüngsten Verteidiger Österreichs. Er hat viele Minuten gemacht, oft schwer in Ordnung, manchmal nicht. Es waren seine ersten Schritte im Erwachsenenfußball und sie haben quasi dann den Jungen wieder zurückgeholt. Wie die zweite Saisonhälfte verlaufen wäre, kann ich jetzt nicht sagen, weil es nicht dazu kam.
90minuten.at: Ein Talent von Liverpool zu holen und das zu entwickeln, das ist natürlich auch eine Ansage. Aber das heißt, die Spieler holt ihr, wenn es sonst im Kader keine Möglichkeit gibt, das intern in der Qualität mit den Attributen zu besetzen.
Ortlechner: Genau. Ja. Ein gutes Beispiel ist auch Noah Ohio. Da fragten viele: Was ist das für einer? Den hätten wir vom Gehalt her nie stemmen können. Er braucht einen gewissen Zeitraum, bei der ersten Station im Erwachsenenfußball, man sieht das in den ersten fünf bis sechs Monaten, er ist mit jeder Minute, die er da war, besser geworden. Und wir haben es auch versucht, ihn weiter zu halten. Aber es war einfach unmöglich ihn zu halten, wir können finanziell mit den Größeren nicht mithalten.
90minuten.at: Wenn ein Leihspieler von beispielsweise Leipzig zur Austria kommt, der schlägt ein und ist vielleicht nur ein Jahr da – das sehen andere Vereine und man bekommt super Spieler und es schärft das Vereinsprofil.
Ortlechner: Diese Klubs haben viele Spieler im Kader, es können aber nicht alle spielen und sie wollen sie platzieren. Wir sind eine sehr, sehr spannende Liga, weil der Fußball sehr intensiv und ist, es ist kulturell ähnlich zu Deutschland. Es ist ein win-win für Klubs aus dem Ausland, Spieler bei uns zu parken. Das einzige Thema ist oft, dass wir Spieler für größere Vereine entwickeln und haben dann oft finanziell nicht wirklich was davon. Das ist eher dann der sportliche Nutzen. Das ist der einzige Wermutstropfen.
90minuten.at: Die Austria setzt in der regulären Saison 61% Österreicher ein, das ist mehr als der Ligaschnitt von 58,56, aber deutlich weniger als zb Rapid (80). Warum
Ortlechner: Auch da muss man genau hinschauen, wir hatten viele Verletzte, die sonst regelmäßig gespielt hätten. Sonst würde das anders ausschauen. Wir setzen bei der Austria viel auf Österreich, das ist Programm und manchmal ist es eben solchen Dingen geschuldet, dass die Prozentzahl für einen gewissen Zeitraum schwankt.
90minuten.at: Vor allem hat Rapid einen österreichischen Tormann, die Austria nicht. Das zahlt massiv ein.
Ortlechner: Dies ist sicher eines der Hauptthemen. Aber Früchtl ist auch in seiner ersten vollen Saison als Profi und spielt komplett durch. Er hat sich richtig gut entwickelt, mit Ups und Downs, das ist aber auch normal in seinem Alter. Das erhofft man sich, wenn man einen Ausländer holt, was aber auch nicht immer aufgeht. Aber es ist utopoisch zu glauben, dass das bei jedem aufgeht, von dem man glaubt, dass er als Ausländer besser ist als ein Inländer.
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90minuten.at: Jetzt ist es ja so, dass bei der Austria der ein oder andere Spieler wahrscheinlich ein paar viele Euros bringen könnte, siebenstellig, wenn ich an einige Eigengewächse denke. Der Österreicher-Topf ist - nicht offiziell - mit rund 6,1 Millionen Euro dotiert. Wir wissen, welche Summe nicht nur Salzburg, sondern mittlerweile auch Sturm umsetzt. Was hältst du allgemein vom Österreicher-Topf? Ist es verständlich, dass die Konkurrenz darauf pfeift?
Ortlechner: Ja und nein. Bei manchen sieht man, es macht Sinn, weil sie einfach dann durch Transfers viel höhere Einnahmen lukrieren als durch dieses „Kuchenstück“ aus dem Topf. Und manche haben sich auch verabschiedet und da geht die Rechnung nicht so auf. Das kann man auch hier auch wieder nicht pauschal sagen. Ich bleibe auch dabei: Das muss am Ende sowieso jeder für sich entscheiden, ob einem die Summe wichtig ist oder nicht, auch hinsichtlich Ligaverbleib. Aber: Wir haben die höchsten Abozahlen, die meisten Mitgliedschaften und den höchsten Zuschauerschnitt jemals in der 112-jährigen Geschichte. Das hängt unter anderem, glaube ich, auch damit zusammen, dass die Fans unseren Weg gut finden. Das ist einer der Hauptgründe. Es steckt wieder ganz viel Österreich in der Austria, nicht nur Eigenbauspieler, sondern auch etwa ein Manfred Fischer. Die Fans identifizieren sich mit der Mannschaft, kommen ins Stadion, das bringt ja im Umkehrschluss auch Umwegrentabilität. Sie kaufen sich vielleicht das Trikot und auch das bringt Geld. Natürlich nicht so viel wie ein Millionentransfer, aber es zeigt ein Gesamtbild. Ist das Stadion wiederum voll, ist das finanziell wieder attraktiver für Sponsoren oder Fans oder für VIP-Kunden. Also ich glaube, den Weg, den wir eingeschlagen haben, der ist am Ende des Tages richtig. Und in unserer finanziellen Situation können wir überhaupt keinen Euro auslassen. Das wollen wir auch nicht. Wir haben viele eigene Talente und der Fan goutiert, wenn viele Österreicher bei uns spielen. Das wollen wir jetzt also beibehalten.
90minuten.at: Die finanzielle Situation der Austria ist bekannt. Muss man sich da nicht schon noch überlegen, in Vorleistung zu gehen und ein Talent zu kaufen und auf eine Ablösesumme zu spekulieren?
Ortlechner: Unsere Situation lässt es sich nicht zu, dass wir uns 17-Jährige um Millionen kaufen. Das finde ich nicht schlimm, wenn wir die Möglichkeiten nicht haben. Aber ich freue mich ja auch, wenn tolle Transfers aus Österreich raus passieren, weil auch dadurch der Fokus auf die Liga steigt. Da haben wir am Ende des Tages auch etwas davon. Ich merke ja, dass immer mehr Scouts kommen. Bei einem Topspiel neulich waren 25 Scouts aus allen Herren Ländern in Europa da. Da ist es egal, ob es Salzburg, Sturm oder der LASK einen Krachertransfer macht. Es trägt dazu bei, dass die Attraktivität generell steigt. Jeder hat seine Strategie, Vision.
90minuten.at: Wir hören immer wieder, dass heimische Kicker teurer sind, wenn man sie im Inland holt. Stimmt das?
Ortlechner: Nein. Das würde ich nicht so sehen.
90minuten.at: Abschließend: Passt der Österreicher-Topf so wie er ist oder muss man den neu denken?
Ortlechner: So exorbitant hoch ist diese Fördersumme nicht. In der Relation zu großen Transfers ist er zu gering. Die Attraktivität ist speziell heuer verloren gegangen, für uns ist es eine große, relevante Summe und deshalb verzichten wir nicht drauf.