Altachs Längle: Modus für Vereine Harakiri [Interview]
Als einer der wenigen Klubs hat es der SCR Altach noch nie in die Meistergruppe geschafft. Der langjährige Geschäftsführer Christoph Längle versucht im 90minuten.at-Exklusiv-Interview gar keine Ausreden.
Wir haben ein höheres sportliches Budget als so mancher Mitbewerber, die bringen es seit einiger Zeit eben besser auf den Rasen.
Der Verein wird zudem für die kommenden Jahrzehnte aufgestellt. Die Pläne, die wir in der Schublade haben, werden meine Ära lang überdauern.
Wenn heute ein Spieler einen Dreijahresvertrag hat und eineinhalb Jahre zu gut performt, dann verlängert er nicht, weil er dann ablösefrei gehen kann.
Ich sage es ganz offen: Wir sind committet, es passt. Die Bedingungen und Regeln sind für alle gleich. Letztes Jahr haben wir sehr profitiert.
++ 90minuten.at exklusiv - das Gespräch führte Georg Sander ++
Gleich zweimal hat es der SCR Altach in der laufenden Saison geschafft, Euphorie im Ländle zu entfachen. Mit Miroslav Klose kam ein Weltstar, mit der Ansage, langfristig attraktiven Fußball spielen zu wollen - Erfahrung sammeln durfte er zuvor beim großen FC Bayern München. Vor einigen Monaten dann die zweite spannende Verpflichtung: Georg Festetics, langjähriger Mitarbeiter bei der AS Monaco, ausgestattet mit einem attraktiven Netzwerk. Zum Ende des Grunddurchganges wurden die Altacher dann aber von der Realität eingeholt, es geht erneut in den Abstiegskampf. Von der Meistergruppe war schon seit Monaten keine Rede mehr und auch das verheißungsvolle Projekt aus dem Sommer rund um den Trainer ist wieder Geschichte. 90minuten.at hat bei Geschäftsführer Christoph Längle nachgefragt, warum es erneut so kam und wie es weitergehen soll.
90minuten.at: Altach hat es noch nie nach oben geschafft. Warum?
Christoph Längle: Ganz schwer. Es gibt nicht diesen einen Grund. Fakt ist, dass wir sportlich nicht so performt haben, wie wir es uns erwartet haben. Uns hat die Stabilität gefehlt, um in die Meistergruppe zu kommen. Es geht aber, um ehrlich zu sein, immer nur um einen oder maximal zwei Plätze. Die fünf Topvereine sind schwer zu knacken, also geht es in der Regel nur um das sechste Ticket. Als SCR Altach mit dem oberen Playoff zu planen, wäre vermessen. Nichtsdestoweniger haben es Klubs geschafft, die geringere budgetäre Mittel oder Rahmenbedingungen zur Verfügung haben. Ohne es schönzureden: Wir haben sicherlich Fehler gemacht, aber es kann und wird nicht unser Anspruch sein, dass wir oben reinmüssen. Schaffen würden wir es gerne, weil das Planungssicherheit gibt und Lebensqualität für die handelnden Personen ermöglicht.
90minuten.at: Sie sind seit mehr als zwei Jahrzehnten beim Klub, seit 2008 als Geschäftsführer. Wie sehr wurmt Sie das persönlich, dass es noch nie für die Meistergruppe gereicht hat?
Längle: Natürlich ist das schade. Trotzdem zähle ich uns zu den kleinen Klubs. Als wir innerhalb von drei Saisonen Dritter und Vierter wurden, hat man von uns als fünftem großen Klub gesprochen; das war, bevor der LASK oben war. Ich hab‘ da immer abgewunken und gesagt: So ein Blödsinn, wir müssen den Klub stabilisieren, es gibt so viel Aufholbedarf, etwa beim Stadion, der Infrastruktur, den Trainingsbedingungen und so weiter. Dinge, die Traditionsklubs in Jahrzehnten aufgebaut haben, mussten bei uns innerhalb weniger Jahre funktionieren müssen. Aber Sport ist unser Flaggschiff, es wurmt, dass wir an diese Erfolge nicht anknüpfen können. Aber ich bleibe dabei – auch wenn ich von Fans und Co. dafür oft kritisiert werde – es ist für den SCR Altach ein Erfolg, in der Bundesliga zu sein. Wir sind in der zwölften Saison, der neunten am Stück. Das ist nicht selbstverständlich und dabei bleibe ich. Es wurde vieles entwickelt, sind aber noch lange nicht fertig. Aber der Verein ist komplett schuldenfrei, wir haben über drei Millionen Euro positives Eigenkapital. Wir haben ein höheres sportliches Budget als so mancher Mitbewerber, die bringen es seit einiger Zeit eben besser auf den Rasen. So selbstkritisch sind wir. Der Modus, der uns schon entgegengekommen ist, beinhaltet, dass man immer auch absteigen kann...
90minuten.at: Altach hat an sich lange in die Steine investiert, ähnlich wie Ried. Andere spielen oben und haben das nicht gemacht, kicken zum Teil auf einem „Dorfplatz“ mit ein paar Stahlrohrtribünen.
Längle: Ich bin nicht der Mensch, der mit dem Finger auf andere zeigt und über sie urteilt. Unser Weg ist nachhaltig, wichtig und richtig. Wir könnten es uns auch einfach machen, ein, zwei Millionen mehr in den Sport zu investieren, um als Führungsetage unsere Haut zu retten. Es gibt allerdings keine Garantie, dass es dann besser wird. Der Verein wird zudem für die kommenden Jahrzehnte aufgestellt. Die Pläne, die wir in der Schublade haben, werden meine Ära lang überdauern. Davon profitieren meine Nachfolger. Es ist ein schmaler Grat, aber wenn wir Geld reinhauen, um vielleicht in die Meistergruppe zu kommen und dann ein Minus haben... Es gibt bei uns ja keine Beteiligungen oder Investoren. Wir sind ein Mitgliederverein mit rund 150 Sponsoren. Es gibt eine Struktur mit Ehrenamtlichen, die uns am Spieltag mit 150 bis 200 Helfer:innen unterstützt, wir haben einen Zuschauer:innenschnitt von knapp 5.000, eine Fanszene. Hinter den Top5-Vereinen stehen wir da richtig, richtig gut da. Es ist leidig, dass wir sportlich nicht in ruhigerem Fahrwasser sind.
90minuten.at: Was Altach etwas unterscheidet, sind die großen Namen, sei es auf der Bank (etwa Magnin, Klose) oder am Feld (z.B.: Nuhiu, Subotic, Sam). Muss man sich umorientieren, ist das der richtige Weg?
Längle: (denkt nach) Man muss jeden Namen gesondert betrachten. Subotic und Sam haben uns damals sehr geholfen. Miroslav Klose haben wir nicht wegen des Namens verpflichtet, sondern waren von ihm als Trainer überzeugt. Das sind wir jetzt auch noch, aber es hat nicht funktioniert, wir sind Letzter und haben die Reißleine gezogen. Rein auf die AKA Vorarlberg zu setzen, wird nicht gehen, die liefert in der Masse nicht den Output, um Bundesliga spielen zu können. Einzelne Spieler schon, kein Thema. Andere Vereine haben kein größeres oder besseres Netzwerk. Die WSG Tirol hat zuletzt viel auf Leihspieler gesetzt und sie machen einen guten Job! Aber es hat schon auch viel mit dem heutigen Fußball zu tun. Wir sind damals mit Netzer, Prokopic, Zech, Linhart, Kobras, Aigner und Co. aufgestiegen. Die waren viele Jahre beim Verein. Wenn nun heute ein Spieler einen Dreijahresvertrag hat und eineinhalb Jahre zu gut performt, dann verlängert er nicht, weil er dann ablösefrei gehen kann. Die Fluktuation hat sich extrem gesteigert. Spielt einer gut, ist er mit dem Kopf schon einen Schritt weiter. Das macht uns als kleineren Klubs schon zu schaffen. Noch einmal: Das soll nicht von unseren Fehlern ablenken, hinsichtlich Kontinuität in allen Bereichen. Mit unserer Neuaufstellung im sportlichen Bereich haben wir da im Oktober einen wichtigen Schritt gesetzt. Inklusive Philipp Netzer gibt es mit Chefscout und Sportdirektor indessen drei Personen, die sich um den Sport kümmern. So viele hatten wir bislang nicht.
90minuten.at: Also aus allen genannten Umständen muss man sich quasi alle halben Jahre neu aufstellen müssen?
Längle: Man hat sich für den neuen Ligamodus entschieden, also jammern wir nicht. Der Modus birgt aber einen verstärkten Aktionismus. Man braucht sich nur ansehen, wie viele Spieler im Winter verpflichtet wurden. Altach hat sieben geholt, acht abgegeben, das ist viel. Vereine, die in Gefahr sind, neigen dazu, mehr am Transfermarkt zu tun. Das liegt sicherlich auch am Ligamodus, weil alle nachschärfen wollen. Manche gehen wohl auch an finanzielle Grenzen, wir haben hingegen ein Polster. Der Ligamodus ist für Fans, Zuschauer:innen und Rechtehalter attraktiv. Für die Vereine ist es aus Sicht der Planungssicherheit Harakiri bzw. russisches Roulette.
90minuten.at: Würden Sie sich für eine Änderung des Modus einsetzen?
Längle: Ich sage es ganz offen: Wir sind committet, es passt. Die Bedingungen und Regeln sind für alle gleich. Letztes Jahr haben wir sehr profitiert und den Klassenerhalt geschafft. Aber die Regeln sind für alle gleich. In Jahren zuvor sind wir in den Strudel gelangt. Wer nach 32 Runden Letzter ist, steigt ab. Als Altach würden wir aber schon sagen, dass man über die Punkteteilung schon nachdenken kann. Das liegt allerdings auch an der Rechtehalterperiode, am Modus sollte sich nichts ändern.
90minuten.at: Eine 16er-Liga, die gar nicht mehr so unmöglich scheint, würde ein ständiges Sitzen am Schleudersitz verhindern.
Längle: Das ist die Gretchenfrage: Ist der österreichische Fußball so weit, um 16 Bundesliga-taugliche Klubs zu haben, die alle sportlichen, infrastrukturellen und personellen Kriterien erfüllen? Ich kann die Frage nicht beantworten. Man muss das Ligaformat aber immer evaluieren, nichts, was beschlossen ist, sollte in Stein gemeißelt sein. Es gibt einige positive Entwicklungen, gerade bei der Infrastruktur. Vielleicht ist das ein Ansatz nachzudenken, ob eine Aufstockung Sinn macht. Dann wird aber auch der TV-Kuchen nicht mehr durch zwölf geteilt. Das löst Diskussionen aus und es wäre ein Kraftakt. Momentan sehe ich aber keine Notwendigkeit. An Stellschrauben wie Punkteteilung, dem Playoff mit dem Siebten und Achten oder dem Umstand, dass der Sechste der Meistergruppe durch die Finger schaut, kann man aber drehen.
90minuten.at: Zusammenfassend: Sie planen zweigleisig und können es sich auch leisten.
Längle: Wir müssen leider zweigleisig planen, glauben aber fest an den Klassenerhalt. Die 2. Liga-Planungen haben wir schon aus früheren Jahren in der Schublade und wir hoffen, dass sie obsolet bleiben.