Aleksandar Gitsov: "Mein Ziel ist die österreichische Bundesliga" [Exklusiv-Interview]
In Bulgarien auf Höhenflug, früher oder später wieder in Österreich: Aleksandar Gitsov entschied sich nach erfolgreichen Jahren als Co-Trainer beim FAC für einen Wechsel zu CSKA Sofia und Nestor El Maestro. Warum das Team mit seiner Taktik nicht nur auf Gegenliebe stößt, er privat Spanisch lernt und irgendwann zurück nach Österreich möchte, erklärt der 36-Jährige im Exklusiv-Interview.
Bei einem so großen Verein – in Österreich ist CSKA mit Rapid vergleichbar – wird jede Niederlage kritisch gesehen.
Unsere Art, wie wir spielen, sorgt in Bulgarien für viele Diskussionen – manche sehen es positiv, manche nicht.
Wenn wir über Ziele reden: Ein großes Ziel ist es, in der österreichischen Bundesliga zu arbeiten. Ich identifiziere mich mit der österreichischen Fußballkultur und sehe mich in Zukunft wieder in Österreich tätig.
Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, ihn live bei einem Vortrag zu beobachten. Er ist jemand, von dem ich versuche, Ideen mitzunehmen.
+ + 90minuten.at PLUS – Das Gespräch führte Daniel Sauer + +
90minuten.at: Herr Gitsov, zur Winterpause liegen Sie mit CSKA Sofia auf Platz drei der bulgarischen Liga – erst am Wochenende ist eine sehr erfolgreiche Serie ohne Niederlage zu Ende gegangen. Wie ordnen Sie die bisherige Saison ein?
Aleksandar Gitsov: Wir hatten eine sehr gute Phase mit 17 Spielen am Stück ohne Niederlage. Der Start war aber eigentlich nicht so gut: Nestor El Maestro hat den Verein nach zwei Meisterschaftsrunden und dem Hinspiel der Conference-League-Quali als Cheftrainer übernommen. Ich bin auf seinen Wunsch mit Anfang August als Co-Trainer dazugekommen. Das Rückspiel haben wir mit 0:4 verloren, in der Liga haben wir zweimal Unentschieden gespielt. Bei einem so großen Verein – in Österreich ist CSKA mit Rapid vergleichbar – wird jede Niederlage kritisch gesehen. Der August war für uns nicht einfach. Danach haben wir aber eine gute Struktur hineingebracht, dann sind positive Ergebnisse gekommen.
90minuten.at: Der Vergleich mit Österreich und Rapid liegt wirklich nahe – CSKA ist ein großer Verein mit viel Tradition und vielen Fans. Dem gegenüber steht seit vielen Jahren der Serienmeister Ludogorets.
Gitsov: Es ist die gleiche Situation, wie in Österreich. Es gibt einen Serienmeister, trotzdem startet jede Saison mit großen Zielen und viel Hoffnung. Der letzte Meistertitel meines Vereins ist schon einige Jahre her, trotzdem ist es der große Wunsch von Fans, den Besitzern und dem Trainerteam.
90minuten.at: Nestor El Maestro beschreibt die Mannschaft als Pressing-Team, das jedem Ball nachjagen soll. Wie würden Sie den Spielstil beschreiben?
Gitsov: Die Spielidee ist ähnlich wie bei Sturm Graz, Red Bull Salzburg, dem LASK unter Oliver Glasner und Blau-Weiß Linz in der 2. Liga. Der Schwerpunkt ist das Spiel gegen den Ball, mit einer hohen Pressingintensität und vielen hohen Balleroberungen – am besten im letzten Drittel vor dem Tor. Unsere Tore sollen nach einem geordneten Chaos entstehen. Das Ziel weniger ein kontinuierlicher Aufbau von hinten nach vorne, wir versuchen stattdessen Wellen zu erzeugen: Der Ball wird erobert, nach unserem nächsten Angriff wollen wir ihn dann gleich wieder haben. Durch diese ständigen Wellen in den gegnerischen Sechzehner wird Unruhe beim Gegner erzeugt, dadurch entstehen Räume und Torchancen für uns. Wir legen viel Wert auf schnelles Umschalten, vertikales Spiel, eine gute Restverteidigung und ständige Angriffswellen unserer Mannschaft.
90minuten.at: Bis jetzt funktioniert das relativ gut, vor allem in der Defensive – 10 Gegentore in 20 Spielen ist der beste Wert der Liga.
Gitsov: Unsere Art zu spielen sorgt in Bulgarien für viele Diskussionen – manche sehen es positiv, manche nicht. Die bulgarische Fußballkultur funktioniert ähnlich wie die spanische Fußballkultur: Viele Mannschaften spielen mit klassischen Flügelspielern, die oft aus dem spanischen oder südamerikanischen Markt kommen und stark im eins gegen eins sind. Die durchschnittliche Ballbesitzzeit in Bulgarien ist verglichen mit Österreich fast doppelt so hoch. Unser Ansatz ist ganz anders. Es gibt Leute, die sich damit überhaupt nicht identifizieren können – das ist normal.
90minuten.at: Wenn man sich den Kader anschaut, findet man eine bunt durchmischte Mannschaft mit Spielern aus Norwegen, Frankreich, Kolumbien, den Niederlanden und Emanuel Sakic aus Österreich. Wie funktioniert das im Alltag, wie harmonisch ist die Zusammenarbeit?
Gitsov: Ein großer Vorteil von Nestor und seinem Bruder Nikon ist, dass beide Spanisch sprechen. Einige unserer Spieler sprechen Englisch nicht so gut, deswegen hilft das sehr dabei, eine Beziehung aufzubauen. Ich habe es gleich am ersten Tag im Training gemerkt, dass sich die Körpersprache bei den Spielern ändert, wenn der Trainer mit ihnen in ihrer Muttersprache spricht. Generell wird Englisch gesprochen, mit Emanuel Sakic und einem Spieler aus Luxemburg sprechen wir Deutsch. Ich spreche fließend Bulgarisch und kommuniziere vor allem mit unseren bulgarischen Spielern. Nach meiner Zeit beim FAC, wo Deutsch gesprochen wurde, ist das alles eine interessante neue Erfahrung. Privat nehme ich Spanisch-Unterricht, um zumindest die Basics zu kennen.
90minuten.at: Neben Nestor El Maestro gibt es mit Bruder Nikon El Maestro und Ihnen zwei Co-Trainer. Wie werden die Aufgaben im Trainerteam aufgeteilt?
Gitsov: Das Trainerteam mit Nestor, Nikon und unserem Konditionstrainer hat schon bei zwei Vereinen zusammengearbeitet, deswegen hatten sie schon klare Ideen. Ich habe am Anfang Zeit gebraucht, um mich anzupassen – das funktioniert inzwischen sehr gut. Wir teilen uns die Aufgaben im Analyse-Bereich, jeder Spieler bekommt jede Woche fünf bis fünfzehn Minuten mit mir oder Nikon, in denen individuell Szenen besprochen werden. Insgesamt funktioniert das alles in Teamarbeit, die Aufgaben ändern sich von Woche zu Woche. Die letzte Entscheidung liegt natürlich bei Nestor.
90minuten.at: Nach Ihrer Zeit beim FAC, die ja durchaus erfolgreich war, hatten Sie sicher mehrere Optionen offen. Was war der ausschlaggebende Faktor für den Wechsel nach Bulgarien?
Gitsov: Ich bin bis zu meinem 19. Lebensjahr in Bulgarien aufgewachsen, CSKA war meine Kindheitsliebe. Bei meiner Entscheidung war eine gewisse Romantik dabei. Ich glaube auch, dass wir beim FAC über die letzten Jahre richtig gute Arbeit geleistet haben – mein Wunsch war aber, auch einmal etwas anderes zu sehen. Der Wunsch nach Weiterentwicklung und der Kindheitstraum CSKA haben mich zu meiner Entscheidung bewegt.
90minuten.at: Sie sind immer noch ein junger Trainer, was sind die nächsten Ziele in Ihrer Karriere? Wollen Sie irgendwann auch Cheftrainer werden?
Gitsov: Natürlich will ich irgendwann als Cheftrainer arbeiten – dafür habe ich aber keine Frist. Ich habe noch einiges zu lernen, in meiner aktuellen Rolle bin ich mehr als zufrieden. Jetzt möchte ich in meiner Ausbildung den nächsten Schritt machen, das wäre die Pro-Lizenz. Wenn wir über Ziele reden: Ein großes Ziel ist es, in der österreichischen Bundesliga zu arbeiten. Ich identifiziere mich mit der österreichischen Fußballkultur und sehe mich in Zukunft wieder in Österreich tätig.
90minuten.at: Wie sieht der Plan für die Pro-Lizenz aus? Gibt es die Möglichkeit an einem Kurs in Österreich oder Bulgarien teilzunehmen?
Gitsov: Ich habe mich für den kommenden Pro-Lizenz-Kurs in Österreich beworben, die Rückmeldungen kommen aber erst im neuen Jahr. Mein Wunsch ist es, die Pro-Lizenz in Österreich zu machen, weil die Ausbildung aus meiner Sicht eine der besten in Europa ist. Das hat sich durch die Erfolge von Oliver Glasner und anderer österreichischer Trainer gezeigt.
90minuten.at: Oliver Glasner haben Sie jetzt schon zum zweiten Mal erwähnt – ist das Zufall, oder ist er für sie eine Art Vorbild?
Gitsov: Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, ihn live bei einem Vortrag zu beobachten. Er hat dort über seine Ideen, seinen Trainingsstil und seine Spielweise gesprochen, das hat mir gefallen. Er war in den letzten Jahren sehr erfolgreich und ist jemand, von dem ich versuche, Ideen mitzunehmen.
90minuten.at: Im Februar wird es wieder ernst, dann geht es in der Liga weiter. Wie zuversichtlich sind Sie und der Verein vor der entscheidenden Frühjahressaison?
Gitsov: Nach dem letzten Spiel ist die Stimmung noch ein bisschen gedämpft. Wir sind aber alle optimistisch, dass wir unsere Ziele nach einer guten Vorbereitung erreichen können. Außerdem stehen wir im Pokal-Viertelfinale – da der Pokalsieger direkt in der Europa League spielt, hat das für uns auch einen hohen Stellenwert. Ich glaube, dass die Vorbereitungszeit im Jänner und Februar sehr wichtig sein wird, wir müssen eine Basis legen, um die Ziele im Juni zu erreichen.
Vielen Dank für das Gespräch!