[Interview] Ortlechner und Barisic: "Wir fischen im selben Teich"
Am Sonntag ist wieder Wiener Derby und im Vorfeld hat 90minuten.at es geschafft, beide Sportdirektoren an einen Tisch zu bekommen. Am Ufer der Donau gaben Manuel Ortlechner und sein Gegenüber Zoran Barisic Auskunft und Einblick in die aktuellen und zukünftigen Welten in violett und grün.
Es gibt einige Vereine in Österreich, die stehen für etwas. Und Rapid steht für etwas. Der ganze Kult, den man geschaffen hat. Das Fanthema, das wahrscheinlich Fluch und Segen zugleich ist. Auch wir trachten danach das Stadion zu füllen, hinken aber noch hinterher.
Es gibt keine Liga, wo die Differenz zwischen dem Ligakrösus und den nachfolgenden Klubs so groß ist, wie bei uns. Wenn ein Klubverantwortlicher irgendeines Red Bull-Konkurrenten verspricht, man könne den Titel holen oder sie gefährden, ist das ein Scharlatan.
+ + 90minuten.at Exklusiv - Das Interview führten Jürgen Pucher und Michael Fiala + +
Wie sehen beide die Rivalität zwischen den großen Wiener Vereinen, welchen Weg will man in den nächsten Jahren gehen, was tun mit dem Ligakrösus Red Bull und wie kann es gelingen, die jungen Spieler in der eigenen Akademie zu halten? Zoran Barisic erklärt, was am Abgang von Leo Greiml besonders schmerzt. Manuel Ortlechner verrät, was ihm Zlatko Junuzovic auf sein Rückkehrangebot geantwortet hat. Eine kritische Reflexion über Ligaformat und Videoschiedsrichter runden die ganze Sache ab. Ein Gespräch, das am Ende mehr Gemeinsamkeiten zutage gefördert hat, als vorher angenommen.
90minuten.at: Das heutige Treffen ist ein Doppelinterview, wo es um die Koexistenz, Rivalität und eventuell auch Gemeinsamkeiten gehen soll, die es zwischen Rapid und Austria gibt. Deshalb zum Einstieg der Versuch einer vereinsübergreifenden Frage: Wenn Sie wählen könnten, welchen Spieler aus dem Kader des jeweils anderen hätten Sie gerne bei sich in der Mannschaft?
Manuel Ortlechner: Die Frage ist natürlich heikel. Jede Antwort wird auf die Waagschale gelegt und würde für Diskussionen sorgen.
Zoran Barisic: Provokant. Später kommt sicher noch die Fanthematik.
90minuten.at: Ja, kommt später.
Ortlechner: Ein Spieler aus dem aktuellen Kader oder irgendeinen, der einmal bei Rapid war?
90minuten.at: Aus dem aktuellen Kader.
Barisic: Austria hat schon einige interessante Spieler, die überall spielen könnten. Auch im Nachwuchs gibt es gute Leute. Ich möchte aber keine Namen nennen.
Ortlechner: Es muss jeder verstehen, dass wir beide keine Namen nennen. Und man darf ja nicht vergessen, um beim Nachwuchs einzuhaken, wir fischen im Osten Österreichs ja ein Stück weit im selben Teich. Jeder für sich wirbt um die jungen Talente, damit sie zum Verein kommen. Rapid und Austria haben ähnliche Wege eingeschlagen. Wir wollen die Jungen früh in die erste Mannschaft durchreichen. Spannende Leute gibt es aber jedenfalls hüben wie drüben.
90minuten.at: Dann versuchen wir es ganz generell: Gibt es etwas, das Sie beim Stadtrivalen besonders schätzen – oder gar cool finden?
Ortlechner: Ich habe des Öfteren schon gesagt, es gibt einige Vereine in Österreich, die stehen für etwas. Und Rapid steht für etwas. Der ganze Kult, den man geschaffen hat. Das Fanthema, das wahrscheinlich Fluch und Segen zugleich ist. Auch wir trachten danach, das Stadion zu füllen, hinken aber noch hinterher. Die Austria hat das Profil zwischenzeitig ein wenig verloren. Wir sind jetzt am Weg zurück und es wird sich sehr rasch wieder zeigen, wofür die Austria steht. Nämlich für einen jungen, progressiven und spannenden Weg. Es gibt dann noch das Salzburger Modell, das für etwas steht. Und in der letzten Zeit muss man Sturm Graz wieder dazuzählen.
Barisic: Mir gefällt, dass die Austria den Weg mit den jungen Spielern eingeschlagen hat. Natürlich auch, weil sie es mussten, aber sie haben es sehr gut gemacht. Die Außendarstellung aller Beteiligten und die Ruhe, die bewahrt wird, trotz der großen Probleme, die es dort gibt, ringen mir Respekt ab. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wenn wir diese Themen hätten und welche Ausmaße das bei Rapid annehmen würde.
90minuten.at Rapid und Austria, jeweils mehr als 100 Jahre Geschichte mit allem was dazugehört. Wie ist das heute im Hier und Jetzt? Was hat sich verändert, was ist immer noch gleich?
Ortlechner: Es gibt vielleicht grundsätzlich gar nicht so viele Unterscheide, weil beide Klubs sehr stolz auf die Historie sind. Ich finde aber, man muss aufpassen, dass man nicht immer nur in den Rückspiegel schaut. Die Unfallgefahr steigt dann nämlich schnell. Ich schaue lieber nach vorne, wohlwissend, dass der Blick in den Rückspiegel ein schöner ist. Aber nehmen wir nur die Zeit seit den Nullerjahren. Es gibt in der Liga einen Krösus, wo beide Wiener Vereine das Thema haben, wie man diese Lücke irgendwie schließen könnte. Das Gejammer dazu nervt mich ehrlich gesagt, man muss selbst versuchen, so gut wie möglich zu arbeiten. Aber Fakt ist, man braucht so etwas wie eine Perfect Season, um sie zu gefährden.
Barisic: Was bei Rapid unverändert ist und bleibt ist unsere Riesentradition und unsere Werte, für die wir einstehen. Wir sind kein Klub, der für Investoren offen ist. Wer weiß, was in Zukunft passiert, aber wir haben schon unsere Grundwerte, an denen wir uns orientieren.
90minuten.at: Wir möchten das Red Bull-Thema aufgreifen. Manuel Ortlechner spricht von einer Perfect Season, die nötig ist, um die Lücke irgendwie zu schließen. Nichtsdestotrotz ist es so, dass wenn alles normal läuft, Red Bull in jeder Saison Meister wird. In Graz zum Beispiel, wo Sturm diese Saison Vizemeister wird, ignoriert man Red Bull fast ein wenig, weil man für sich selbst das Maximum mit Platz zwei erreicht hat. Wie muss man sich angesichts einer solchen Situation positionieren?
Barisic: Die Frage ist, was sind die Ansprüche? Es gibt keine Liga, wo die Differenz zwischen dem Ligakrösus und den nachfolgenden Klubs so groß ist, wie bei uns. Wenn ein Klubverantwortlicher irgendeines Red Bull-Konkurrenten verspricht, man könne den Titel holen oder sie gefährden, ist das ein Scharlatan.
90minuten.at: Der frühere Rapid-Präsident Michel Krammer hat mit seiner „Mission 33“ aber schon ein wenig in diese Richtung kommuniziert.
Barisic: Wir waren damals auch gut unterwegs und haben den Abstand sukzessive verringert – bis hin zum Übergang ins neue Stadion. Dann sind natürlich Fehler passiert.
90minuten.at: Gut, aber wie muss sich Rapid, Stand jetzt, in der Liga positionieren?
Barisic: Es geht darum, eine Durchgängigkeit aus dem Nachwuchs zu schaffen, genügend sportliche Kompetenz zu haben, einen attraktiven Fußball zu bieten und regelmäßig international dabei zu sein. Das sind die Themen. Wenn es dann noch gelingt, den Fußball peu a peu zu verbessern, attraktiver zu gestalten, und noch die eine oder andere Identifikationsfigur in der Mannschaft zu haben, dann werden auch die Fans zufrieden sein.
Ortlechner: Ich sehe es gar nicht so dramatisch, dass wir eine Mannschaft haben, die alle anderen brutal fordert. Es reißt uns mit. Und es hilft uns, wenn wir international spielen, weil wir in der Liga einen Gradmesser dafür haben. Wir haben es im letzten Spiel gegen sie wieder gespürt. Wenn wir nicht absolut am Limit sind, rascheln sie drüber wie ein Schnellzug.
90minuten.at: Negativ gesehen wird ja nicht, wie Red Bull spielt und was an sportlicher Performance abgeliefert wird. Negativ gesehen wird, besonders von Fans der Traditionsvereine, das Konstrukt an sich und wofür der vorher erwähnte Salzburger Weg steht.
Ortlechner: Wenn ich ehrlich bin, beschäftige ich mich nicht so viel mit Red Bull. Ich finde spannend, wie sie in gewissen Bereichen agieren. Wir haben für viele dieser Bereiche wenig bis kein Budget. Die Herausforderung ist, trotzdem das Optimum herauszuholen. Das ist spannend, weil es ein Auftrag ist, wie man mit wenig sehr viel schaffen kann. Aber nochmal, ich will gar nicht so viel über andere reden. Ich will mich auch nicht so oft zu Rapid äußern müssen.
Barisic: Natürlich geht es nicht, mit der Ansage in eine Saison zu gehen: Salzburg wird ohnehin Meister und wir kämpfen selbst nicht darum, das Maximum herauszuholen. Aber den Meistertitel als Ziel auszugeben, ist im Moment nicht möglich, da schafft man komplett falsche Erwartungen.
90minuten.at: Kommen wir von Red Bull zum Thema Investoren im Fußball. Die Austria hat jetzt erstmals diesen Weg gewählt, mit der Gruppe rund um Jürgen Werner. Hat das die DNA des Klubs irgendwie verändert?
Ortlechner: In welcher Hinsicht?
90minuten.at: Weil Anteilsnehmer eines Klubs vielleicht gewisse Interessen haben, die vorher nicht da waren?
Ortlechner: Das hat nicht nur damit zu tun, ob das eingesetzte Kapital eigenes ist oder nicht. Natürlich gibt es immer verschiedenste Interessen von allen möglichen Seiten.
90minuten.at: Jürgen Werner ist aber auch dafür bekannt, dass er gerne was tut.
Ortlechner: Operativ sich einbringt? Ja, das wird passieren. Er sieht sich aber derzeit eher in einer Consultant-Rolle. Ob er den Sportvorstand irgendwann einmal einnehmen wird, weiß ich Stand heute nicht.
90minuten.at: Rapid ist derzeit noch ohne Investor, wie wir eingangs gehört haben. Wie ist das „noch“ zu verstehen?
Barisic: Was will ein Investor? Er investiert, damit irgendwann einmal ein Profit herausschaut. Rapid lebt nicht von Investoren, sondern von seinen Mitgliedern, Fans und Sponsoren. Wir machen Werbung. Das ist eine andere Form von Rückvergütung. In England gibt es Eigentümer. Dann gibt es Deutschland mit der 50+1 Regelung. Überall wird herumdiskutiert, was das gescheiteste Modell ist. Am Ende ist aber immer eines: Es geht ums Geld. Und wenn mir zu meiner aktiven Zeit jemand gesagt hätte, man wird einmal in Osteuropa mehr Geld verdienen können, als bei Rapid oder Austria, dann hätte ich ihn für verrückt erklärt. Wenn ich mit Managern und Beratern über Vertragsverlängerungen rede, dann geht es ums Geld. Den einen oder anderen kann man eventuell mit ein paar anderen Themen überzeugen, aber im Grunde geht es ums Geld. Und deshalb sage ich zur Frage der Investoren „noch“. Weil ich weiß nicht, was in fünf oder zehn Jahren sein wird.
90minuten.at: Das sind aber für Rapid schon ein Stück weit neue Töne.
Barisic: Nein, nein. Moment. Es ist für den Klub derzeit zu hundert Prozent ausgeschlossen. Das ist nur meine Meinung, die ich vorher ausgeführt habe. Ich will sagen, dass ich nicht weiß, was in einigen Jahren sein wird, wohin sich der Fußball entwickelt.