Manfred Schmid: "Mir braucht Austria Wien keiner erklären"
Immer wieder wurde Manfred Schmid als Austria Wien-Trainer gehandelt - nun ist er es, in einer ungemein schwierigen Situation. 90minuten.at hat ihn am Rande der Bundesligaauftaktpressekonferenz vor das Mikro gebeten.
Mir braucht Austria Wien keiner erklären. Jeder, der schon einmal in Köln war, weiß ja auch, was sich dort abspielt und das ist medial ja noch einmal eine Nummer größer.
+ + 90minuten.at Exklusiv - Das Gespräch führte Georg Sander + +
Seit dem letzten Meistertitel 2012/13 fiel bei so gut wie jeder violetten Trainersuche der Name Manfred Schmid - und Chefbetreuerwechsel gab es viele in Wien-Favoriten, zwischen Stöger und Stöger waren es acht Coaches, die sich an Austria Wien versuchten! Nun ist er es also geworden, der Peter Stöger-Nachfolger, wenn man so will, mit acht Jahren Verspätung. Und während im Sommer 2013 die Ehre, die Veilchen nach dem bis heute letzten nicht-Red Bull Salzburg-Titel bis in die Champions League zu führen, Ex-WAC-Trainer Nenad Bjelica zuteil wurde, ist die Situation ungleich schwieriger.
Auf das Millionenminus folgten bange Wochen punkto Lizenz, nun muss der Blick aber nach vorne gehen. Wie das gehen soll, erklärte Manfred Schmid im 90minuten.at-Interivew diese Woche im Zuge der Bundesligaauftaktspressekonferenz.
90minuten.at: Endlich Austria Wien-Trainer! Die Situation ist schwierig, es wird tief gestapelt. Was muss passieren, dass es eine gute Saison wird? Abstiegsvermeidung kann es ja nicht sein!
Manfred Schmid: Das habe ich nie gesagt. Es geht darum, dass wir eine gute Mannschaft entwickeln, wir haben Potential und talentierte Spieler. Es geht um den Zeitfaktor. Auch wenn es Rückschläge gibt, müssen wir uns diee Zeit nehmen. Da wird dann natürlich tief gestapelt. Aber ich sage auch nicht, dass es nicht eine Überraschung geben kann.
90minuten.at: Die Austria ist gegenwärtig in einer Wiederaufbauphase. Man hat es in den Europacup geschafft. Wenn der Saisonstart schief läuft, wäre man dennoch wieder im Tal der Tränen.
Schmid: Das würde ich nicht so sehen. Natürlich wäre es einfacher, wenn wir sechs Monate oder acht Wochen Zeit hätten, um eine Mannschaft zu entwickeln, ohne die drei Bewerbe. Ich glaube aber auch, dass es eine Mannschaft prägen kann, wenn man am Anfang Erfolge feiert. So kann Entwicklung gelingen. Und wenn es nicht so ist, ist es Erfahrung, die Trainer und Spieler sammeln können. Die kann einem dann niemand mehr nehmen und für die Entwicklung der Mannschaft kann das sehr wichtig sein.
90minuten.at: Wie wollen Sie es fußballerisch anlegen? Unter Peter Stöger sah das in der Qualifikationsgruppe teilweise ansehnlich aus. Wollen Sie nun eher stabil stehen oder gleich spielerische Elemente entwickeln?
Schmid: Es gibt eine gewisse Austria-Identität, eine gewisse Idee, wie ich Fußball spielen lassen will. Das muss man an die Mannschaft anpassen. Es geht nicht darum, irgendwo Stabilität zu suchen. Es sind viele Spieler dazu gekommen, auch junge Spieler. Die müssen sich alle finden, da fällt der Vergleich zum letzten Jahr schon weg. Grundsätzlich möchte ich offensiv Fußball spielne lassen. Aber das kann auch dauern.
90minuten.at: Wie allgemein bekannt, ist die Austria gerade finanziell nicht auf Rosen gebettet. Der schnellste Weg zu einem sanierten Budget sind Spielerverkäufe. Haben Sie das als Trainer auch im Hinterkopf?
Schmid: Das spielt in meinen Gedanken überhaupt keine Rolle. Bei mir zählt das Leistungsprinzip. Es ist sowieso eine junge Mannschaft, die man entwickeln muss und das wird, im Erfolgsfall, natürlich Begehrlichkeiten wecken.
90minuten.at: An welchen Parametern können Sie Erfolg in diesem wohl schwierigen Jahr festmachen? Weil ganz oben haben sich mit dem LASK und dem WAC ja noch mehr Teams mehr oder weniger etabliert.
Schmid: Wir stecken uns immer Ziele, die sind aber intern und die werde ich hier nicht offenbaren. Grundsätzlich wollen wir so schnell wie möglich eine Mannschaft zu finden. Es gibt so viel Potential und Talente. Und alle haben ihre Themen. Ich weiß nicht, wie sie in Drucksituationen funktionieren. Im Trainingslager und der Vorbereitung haben sie alle mitgezogen, sie sind gierig, was Neues zu lernen. Ich habe das Gefühl, sie können sich mit dem identifizieren, was wir machen. Und das ist unser Hauptaugenmerk: Wir wollen Spieler entwicklen. Wir haben jetzt aber auch viele Spiele, der Druck kommt dazu und das ist ein Lernprozess, für Trainer und Spieler. Man lernt sich aber auch erst dann richtig kennen.
90minuten.at: Kommen wir zum Abschluss noch kurz zu Corona. Sie waren zuletzt im Individualbereich tätig. Inwiefern hat die Corona-Zeit die Spieler belastet?
Schmid: Ich merke keinen Unterschied. Die Jungs sind schon relativ professionell. Man muss ihnen einige Dinge aufzeigen, mein Trainerteam und ich haben ja schon viel erlebt, was sie noch nicht erlebt haben.
90minuten.at: Außer eine Pandemie.
Schmid: Ja, aber grundsätzlich habe ich ein gutes Gefühl – sie sind willig und hauen sich voll rein
90minuten.at: Und das bei der Austria aufgeregte Umfeld, jetzt im Sinne vom Rundherum, kennen Sie ja!
Schmid: Mir braucht Austria Wien keiner erklären. Jeder, der schon einmal in Köln war, weiß ja auch, was sich dort abspielt und das ist medial ja noch einmal eine Nummer größer. Ich bin da relativ entspannt. Ich werde der Letzte sein, der aufgerregt ist. Das ist auch wichtig für die Jungs, dass sie diesen Rückhalt haben. Ich werde mich immer vor sie stellen und sie schützen, wenn sie bereit sind, ihre Leistung zu bringen.