„In einem Jahr tauchen ja auch viele Probleme auf“

Christian Ilzer spricht im Interview mit 90minuten.at über Trainer-Schubladisierung, seinen Wechsel von der Austria zu Sturm und verrät, was eine Almhütte damit zu tun hat.

Als ich damals auf Bundesligaebene ohne Spielerkarriere relativ unbekannt war, konnte ich mit taktischen Finessen auffallen und kam in diese Schublade. „Laptoptrainer“

Christian Ilzer

Das Treffen fand aber auf einer Almhütte statt. Am Abend wollte man dann eine Entscheidung, meine Frau kam von Wien nach Graz und wir haben das besprochen.

Christian Ilzer

+ + 90minuten.at Exklusiv - Das Gespräch führte Georg Sander + + 

 

Christian Ilzer hat beim SK Sturm einiges vor, auch wenn der Motor der Blackies nach der Neuaufstellung inklusive vieler Neuzugänge nicht mehr so schnurrt wie im Herbst. Aber kein Problem für den Steirer, das gehöre dazu. Im ausführlichen Gespräch mit 90minuten.at-Chefredakteur Georg Sander lässt er bei 90minutenFM das letzte halbe Jahr Revue passieren und gibt einen Einblick in Kaderplanung, Taktik und seine Ziele mit Sturm. Das große Ziel: Eine Feier am Hauptplatz der steirischen Landeshauptstadt. Doch alles der Reihe nach:

 

90minuten.at: Bereits vor drei Jahren sagten Sie angesprochen auf den SK Sturm, damals Trainer des TSV Hartberg, dass Sie sich Dinge zutrauen. Jetzt sind Sie Sturm-Coach. Was sind nun die Unterschiede zwischen dem TSV, dem WAC auf der einen und einem Großklub auf der anderen Seite?

Christian Ilzer: Im Prinzip ist der Unterschied nicht so groß. Ich habe die Frage schon oft bekommen. Das Tagesgeschäft unterscheidet sich nicht wirklich. Die Kader sind ähnlich groß, das Trainerteam ist vielleicht etwas größer. Es ist außen herum alles größer, das Interesse beispielweise. Da muss man in der Kommunikation gegenüber Medien und intern mehr Gespräche führen.

90minuten.at: In selbigem Interview haben wir über Laptoptrainer und Taktikfüchse gesprochen. Punkto Taktik hat sich in Österreich viel getan, das Modewort heißt Mentalität. Ist das dazu gekommen oder ist Mentalität heutzutage wichtiger als das perfekte Positionsspiel?

Ilzer: Natürlich hat sich der Fußball entwickelt. Für mich aber ist wichtig, dass in allen Bereichen Perfektion angestrebt wird. Da gehören Taktik, Mentalität, Mitarbeiterführung dazu. Ich bin kein großer Fan einer Schubladisierung und man nimmt den Trainer eben so wahr, je nachdem auf welchem Step er ist. Als ich damals auf Bundesligaebene ohne Spielerkarriere relativ unbekannt war, konnte ich mit taktischen Finessen auffallen und kam in diese Schublade. „Laptoptrainer“, damit bezeichnet man eine gewisse Generation von Trainern. Aber egal aus welchem Bereich man kommt: Auf dieses Arbeitsgerät kann man nicht mehr verzichten. Das Gefühl für das Spiel, die Kicker und die Mitarbeiter, das ist genau so wesentlich.

 

90minunten.at: Der österreichische Klubfußball entwickelt sich gut. Paul Scharner meinte in der letzten Episode, dass es noch viel Entwicklungspotential im mentalen Bereich. Geht es heute vermehrt um das individuelle Potential? Taktikkniffe beherrschen ja fast alle.

Ilzer: Ich finde auch, dass sich der österreichische Fußball in eine positive Richtung bewegt. Die Frage ist immer, wo die größten Entwicklungspotentiale sind. Man meint ja auch, dass es physisch oder taktisch schon ausgereizt ist. Was im mentalen Bereich möglich ist? Da ist immer Spielraum, definitiv. Es ist aber auch die Kunst, die vielen Dinge, die eine erfolgreiche Fußballmannschaft ausmachen, unter einen Hut zu bringen. Dann ist es eine Frage, wie man all diese Themen in einem Fußballjahr umsetzt und sich nach der Decke streckt. In einem Jahr tauchen ja auch viele Probleme auf.

90minuten.at: Sturm hat sich im Sommer neu aufgestellt. In einem noch früheren Interview, damals Co von Heimo Pfeifenberger beim WAC, haben Sie gesagt: 80 Prozent der Tore passieren so: Ballgewinn, zwei Pässe, Abschluss. Das finde ich spannend, den so etwas habe ich von Sturm unter Ihnen oft gesehen. War das im Sommer auch die Idee, dass man auf dieses Fußball setzt, Umschaltspiel, Standards, noch nicht die spielerische Note reinbringen?

Ilzer: Für mich ist es von Beginn an wichtig, eine klare Vorstellung vom Fußball zu haben. Dann muss ich mir überlegen, wie ich dorthin komme. Da greift man Dinge, die schneller und effizienter zu entwickeln sind, eher auf. Die komplexeren Sachen entwickelt man auf Basis dieser einfachen Überlegungen. Gegnerische Linien mit Positionsspiel zu überwinden, eine pressingressistente Spieleröffnung sind komplexer, als selber zu pressen und umzuschalten. Wichtig ist mir beides. Wenn ich Ballbesitz als Zweck der reinen Spielkontrolle habe, ist das nicht meine Herangehensweise. Bei mir muss Ballbesitz oder Ballgewinn trotzdem das Ziel verfolgen, ins Angriffsdrittel zu kommen. Ich bin kein Fan davon, mit einem Pass keinen Gegner auszuspielen. Geschwindigkeit und Dynamik spielen eine wichtige Rolle. Das ist auch ein Attraktivitätsmerkmal für die Fans. Ganz wichtig ist es mir, mit Aktivität anzugreifen. Das beinhaltet das Spiel mit und gegen den Ball.

 

90minuten.at: Kommen wir zum Sommer. Das war wohl etwas tricky. Bei der Austria hat es nicht so geklappt, dann kam der Anruf von Sturm. Weil: Wenn man einen Ilzer holt, weiß man schon, was man bekommt, das muss auch nach Graz passen.

Ilzer: Es ging sehr schnell. In der Phase der Play-Off-Spiele mit der Austria, hat Sturm sich entschieden, einen neuen Trainer zu holen. Es gab schon länger Kontakt zu meinem Berater. Der kommt aber erst zu mir, wenn es wirklich spruchreif wird, er arbeitet im Hintergrund. Ich habe versucht, meinen Fokus auf die Austria zu haben. Am Tag danach gab es das erste Treffen mit Andi Schicker. Wir kennen einander, inhaltlich haben wir uns aber bislang nicht unterhalten. Wir haben uns mehrere Stunden zusammen gesetzt, für mich war wichtig, wie er Fußball denkt, ob ich zu ihm, nicht nur Sturm passe. Wir haben beide gemerkt, dass wir sehr gut zusammen passen, ähnliche Ideen haben, haben den Kader schon angefangen zu planen, über Spielphilosophie und den neuen Grazer Weg gesprochen. Dann ging es Schlag auf Schlag. Ich wollte eigentlich heim fahren und mir Gedanken darüber und meine Rolle beim FAK machen und die Möglichkeit Sturm Graz, wollte eigentlich auf Urlaub fahren. Das Treffen fand aber auf einer Almhütte statt, wir wollten nicht, dass irgendwer davon Wind bekommt. Von dort ging es nach Graz und zu einem Treffen mit den Vorständen von Sturm. Am Abend wollte man dann eine Entscheidung, meine Frau kam von Wien nach Graz und wir haben das besprochen. An diesem Abend habe ich mich entschieden, zu Sturm Graz zu gehen. Im Nachhinein die absolut richtige Entscheidung.

 

Das gesamte Gespräch und wie Christian Ilzer über die bisherigen Monate in Graz denkt und welche Ziele er verfolgt, gibt es bei 90minutenFM:

 

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