WSC-Geschäftsführer Heinz Palme: "Rapid und Austria saugen alles ab"
Der Wiener Sport-Club ist auf dem Weg zurück, sogar die Aufstiegsfrage in die 2. Liga wird angesichts eines guten Saisonstarts gestellt. Warum das aber zu früh kommt, erklärt WSC-Geschäftsführer Heinz Palme im 90minuten.at-Interview.
Der Wiener Sport-Club hat viele Jahre wirtschaftlich und sportlich ums Überleben gekämpft. Sechs Jahre lang gab es Abstiegskampf pur, seit letzter Saison ist man das erste Mal draußen und kann beginnen, sich kontinuierlich entwickeln.
Im November 2020 wird die Haupttribüne abgetragen. Währenddessen wird weiter gespielt.
Es gibt aber auch immer wieder Möglichkeiten, mit Firmen zu reden, die von Rapid und Austria noch nicht angesprochen wurden. Aber das geht nur in einem Stufenplan.
++ 90minuten.at-Exklusiv ++ Das Gespräch führte Georg Sander
Bundesligafußball hat der seit 1904 bespielte Sport-Club-Platz in Wien-Hernals zuletzt in der Saison 2002/03 gesehen, als die Schwarz-Weißen in der Ersten Liga, der zweiten Leistungsstufe, kickten. Die Zeiten der höchsten Spielklasse sind lang vorbei. Das war 1993/94. Die "Dornbacher Buam san heit wieder in Furm", singen die Fans, die sich dem britischen Support verschrieben haben, derzeit recht oft. In der Regionalliga Ost, wo man seit 2003 spielt, liegt nach neun Runden im Spitzenfeld. Ein Aufstieg kommt aber nicht in Frage - warum das so ist, wie es mit dem Stadion derzeit aussieht und was der Plan für die kommenden Jahre ist, hat WSC-Geschäftsführer Heinz Palme im Gespräch mit 90minuten.at dargelegt. Palme, mittlerweile 61 Jahre jung, hat sehr viel Erfahrung, war unter anderem General Coordinator des Organisationskomitees der WM 2006 in Deutschland. Er weiß vor allem eines: "Der Wiener Sport-Club hat viele Jahre wirtschaftlich und sportlich ums Überleben gekämpft."
90minuten.at: Der Wiener Sport-Club ist gut in die Saison gestartet. Ein Aufstieg ist kein Thema. Warum eigentlich?
Heinz Palme: Eine klare Absage kann erst gemacht werden, wenn man die Bedingungen kennt. Die Bundesliga macht ihre Informationen üblicherweise im Herbst fertig. Dann schaut man sich das an und dann kann es Entscheidungen geben. In der Gesamtzielsetzung, als man den Verein vor zweieinhalb Jahren neu gebaut hat, hat man Ziele festgesetzt. Bis 2020 soll man Bundesligatauglichkeit haben, die Stadionsanierung soll umgesetzt werden und in den anderen Elementen, die für die Bundesligatauglichkeit wichtig sind, muss man fit sein. Wenn das alles zusammen gecheckt wird, kommt ein Ergebnis raus. Dass das für das Jahr 2020/21 erfüllt wird, davon ist nicht auszugehen. Gewisse Elemente sind in Arbeit. Da ist der sportliche Teil eines davon. Es ist auch nicht so, dass der WSC mit 14 Punkten Vorsprung uneinholbar an erster Stelle liegt. Man ist Dritter, nach Verlustpunkten ist Rapid noch vor uns. Der Weg stimmt aber prinzipiell. 2018/19 waren wir Vierter, nun konsolidieren wir uns, wollen die Leistungen vom letzten Jahr stabilisieren.
90minuten.at: Letztlich darf man ja auch nicht schlechter als Zweiter sein, um aufzusteigen. Aber warum kann Lafnitz relativ schnell aufsteigen, der WSC aber nicht?
Palme: Vielleicht sind sie anders gewachsen, haben andere Strukturen, haben wirtschaftlich bessere Möglichkeiten, weil im ländlichen Raum beispielsweise 20 Unternehmer bei dem Projekt dabei sein wollen. Das sind Punkte, warum es funktionieren kann. Es gibt Grundsatzentscheidungen: Der Wiener Sport-Club hat viele Jahre wirtschaftlich und sportlich ums Überleben gekämpft. Sechs Jahre lang gab es Abstiegskampf pur, seit letzter Saison ist man das erste Mal draußen und kann beginnen, sich kontinuierlich entwickeln. Es ist jetzt wichtig, eine gesunde Entwicklung zu haben und sich nicht in ein Abenteuer stürzt, das schwer zu bewältigen ist. Darum haben wir das Programm 2016/17 entwickelt, ausgehend von der Rückführung des WSK in den WSC.
90minuten.at: Wirtschaftlich ist man nun aber gesundet?
Palme: Das ist ein Weg, den man geht. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren begonnen, neue Sponsoren und Partner an Land zu ziehen. Wenn man nach oben will, dann braucht es entsprechend mehr. Man weiß auch nicht, wie sich das Zuschauerverhalten entwickelt. Das muss abgesichert sein, auch gegenüber der Bundesliga. Dazu braucht man eben alle Informationen. Es gibt ja auch Bewerbszuschüsse, Lizenzzuschüsse, Österreichertopf. Da muss man wissen, was herauskommen würde, um möglicherweise steigende Kosten abzufangen und wie man erreichen kann, dass man noch zusätzliche Sponsoren bekommt. Es gab in der Vergangenheit ja genügend Beispiele, dass Vereine ausradiert waren. Das war auch beim Sport-Club immer wieder ein Thema, darum gehen wir das vorsichtig an.
90minuten.at: Aber der WSC ist schuldenfrei?
Palme: Ja, das kann man so sagen. Das war ja auch ein Thema bei der Rückführung.
90minuten.at: Wie sieht der Zeitplan beim Stadion aus? Während 2020/21 werden die Längstribünen umgebaut?
Palme: Die Sanierungsarbeiten beginnen auf der Friedhofstribüne. Das ist das große Sorgenkind wegen der Wassereintritte. Das ist der erste Teil. Bei der blauen Tribüne gibt es ein paar Dinge und im Sommer 2020 soll das Spielfeld verschoben werden, dazu muss die Kainzgassentribüne entfernt werden, um die Spielfeldbreite zu erreichen. Im November 2020 wird die Haupttribüne abgetragen. Währenddessen wird weiter gespielt.
90minuten.at: Die Hauptribüne wandert auf die blaue Tribüne.
Palme: Das wird zum Teil der Fall sein, nach jetzigem Stand. Bei einem Bau kann man das nie genau sagen, was sich ändert. Man braucht Baugenehmigungen, die Einreichplanungen sind im Laufen. Wenn alles nach Plan geht, wird man im Herbst 2020 die Haupttribüne zur Verfügung haben, 2021 dann nicht mehr. Dann wird die blaue Tribüne genützt, die ist bestens geeignet, ist eine gut ausgestattete Sitzplatztribüne.
90minuten.at: 21/22 wird es dann möglich sein, im sanierten Stadion zu spielen?
Palme: Das ist der Plan.
90minuten.at: Die 2. Liga ist sehr attraktiv, es gibt einige Traditionsvereine wie den GAK oder Wacker Innsbruck. Diese hatten auch oft wirtschaftliche Probleme. Wacker hat einmal gesagt: „Wir sind ein Start-Up mit einer 100-jährigen Marke“. Sehen Sie das beim WSC auch so?
Palme: Das kann man sicherlich so betrachten. Die Marke ist da, die Geschichte ist da. Was beim Wiener Sport-Club dazu kommt, sind die ungeheuren Sympathiewerte. Es gibt kaum jemanden, mit dem man über den WSC redet und der sagt: Lass mich damit in Ruhe. Ganz im Gegenteil. Die Leute reden darüber, wieder ins Stadion zu kommen, weil sie mit dem Vater oder Großvater auch schon dort gewesen waren. Damit kann man agieren. Trotz allem musste man 2017 alles neu aufstellen. Das alles hat einen neuen Wert gehabt, das war eine Riesenaufgabe. Jetzt haben wir viele Zwischenerfolge erzielt. Sportlich ist die Stabilität erreicht, es macht Spaß und die Zuschauer kommen gerne, weil sie sehen, dass die Spieler Charakter haben. Die Mentalität stimmt, der Trainer, ob er Norbert Schweitzer oder Robert Weinstabl heißt, packt das richtig an. Man geht gerne hin. Auf der anderen Seite gibt es die Sponsoren, die neu dazu gekommen sind. Und weiters gibt es den Bereich Kommunikation. Der Sport-Club ist in den Medien. Es wird genau beobachtet, wie agiert wird. Es würden sich viele Fußballfreunde freuen, wenn der WSC den Sprung nach oben schafft.
90minuten.at: Ein Vorteil der neuen 2. Liga ist ja auch, dass man keine Profis braucht. Aber um konkurrenzfähig zu sein, wird man das Budget wohl schon verdoppeln müssen, oder?
Palme: Es ist sicherlich eine große Herausforderung, das zu stemmen. Rapid und Austria saugen alles ab, die haben Sales-Teams. Beide Marken haben eine starke Kraft, das ist gewachsen. Es gibt viele Elemente, die gerade bei Rapid dazu geführt haben, dass die Zuwächse bei Sponsoren gelingen konnten. Es gibt aber auch immer wieder Möglichkeiten, mit Firmen zu reden, die von Rapid und Austria noch nicht angesprochen wurden. Aber das geht nur in einem Stufenplan. Man kann schon sagen, dass man in fünf Jahren in der ersten Bundesliga spielen will. Aber das gehört genau analysiert, wie viele Einnahmemöglichkeiten es gibt im Fernsehen, wie viel bekommt man über Ausschüttungen von der Bundesliga und wie groß ist das Sponsoringpotential. Da ist es eben ein Unterschied, ob man Regionalliga, zweite Liga oder Bundesliga spielt. In der Bundesliga springen sicher viele auf, wenn ein guter, gesunder und attraktiver Sport-Club ganz oben wäre. Aber das ist Zukunftsmusik. Wir wollen glaubhaft machen, dass das aufgestellte Konzept bisher gut umgesetzt wurde. Das sind das Sportliche, die Infrastruktur und die Außenwirkung.