Christopher Trimmel: "Von Salzburg kamen nie so viele Fans"
Im Alter von 32 Jahren hat der Burgenländer fast alles erreicht, was man als österreichischer Kicker erreichen kann. Im Interview mit 90minuten.at blickt er zurück - und freilich auch nach vorne.
Typen sind aber keine, die rumschreien und herummeckern und knackige Interviews geben. Typen sind die, die von zehn Spielen in neun Leistung bringen.
Das Gespräch führte Georg Sander
Abseits des Akademiewesens erspielte sich Rechtsverteidiger Christopher Trimmel einen Vertrag bei Rapid Wien. Dort musste er schnell in die erste Mannschaft und jetzt, zehn Jahre später, ist er Kapitän beim deutschen Bundesliga-Aufsteiger Union Berlin. Im Interview mit 90minuten.at blickt er auf eine außergewöhnliche und erfolgreiche Karriere zurück, die noch lange nicht vorbei ist. Er erzählt, wie er nach Deutschland kam, wie heutzutage mit jungen, talentierten Spielern umgegangen, was ein echter Typ im Fußball ist und inwiefern sein erstes Bundesligaduell mit RasenBallsport Leipzig mit den Partien von Rapid gegen Salzburg vergleichbar ist.
90minuten.at: Am 17. Juli spielt Ihre Union gegen die Vienna. Anlass ist der 125 Geburtstag des ältesten Fußballvereins Österreichs. Herr Trimmel, können Sie sich in dem Zusammenhang noch an folgende Daten erinnern: 19.8. 2008 und 13.3.2009?
Christopher Trimmel: Boah, 2008 ist zu lange her. (lacht)
90minuten.at: Da haben Sie für die Rapid-Amateure gegen die Vienna gespielt, 2:2 und 1:2. Beim 2:2 haben Sie sogar das 1:0 erzielt. (Tickets für das Spiel gegen Union gibt es hier)
Trimmel: So etwas ähnliches dachte ich mir schon. Das war am Anfang meiner Profikarriere in der Regionalliga. Es ist aber wirklich schon lange her, Wahnsinn.
90minuten.at: Mehr als ein Jahrzehnt! Hätten Sie sich gedacht, dass Sie 2019 als Kapitän eines deutschen Bundesligisten gegen Bayer, Dortmund, Schalke spielen?
Trimmel: Am Anfang der Karriere träumt man vielleicht davon. Davon ausgehen kann man nicht. Es war ein langer, interessanter und harter Weg. Man muss als Profi dran bleiben, denn es spielen viele Faktoren eine Rolle. Man muss beispielsweise verletzungsfrei bleiben und dann kommt so etwas zustande.
90minuten.at: Aber gehen wir noch einen Schritt zurück: Sie haben Ihre Laufbahn außerhalb des Akademie-Wesens begonnen.
Trimmel: Ich habe immer bei Mannersdorf in meiner Heimat gespielt. Wir waren gute Jungs und waren mit der U16 zwei Mal in Folge im Landesfinale. Es war ein guter Jahrgang. Wir haben jeweils gegen Mattersburg gespielt, die schon eine Akademie hatten. Wir waren einfach ein Haufen, der im Dorf gekickt hat. Schon damals habe ich von der Stronach-Akademie oder Mattersburg Angebote bekommen. Ich war aber nicht überzeugt, dass ich es dort schaffe. Mir war wichtig, dass ich bei meinen Kumpels bleibe und in die erste Mannschaft in Mannersdorf komme. Unabhängig davon war mir die Ausbildung in der HTL damals wichtiger. Die schulische Ausbildung in einer Akademie hat mich nicht überzeugt.
90minuten.at: Sie sind mit Anfang 20 erst zu Rapid gekommen, die damals Meister wurden. Wie wurden Sie entdeckt?
Trimmel: Von Mannersdorf bin ich nach Horitschon gewechselt, dort hat mich dann Andreas Reisinger, der damalige Rapid-Amateure-Trainer, besucht. Er hat mit mir gesprochen und die Scouts von Rapid waren natürlich schon vorher unterwegs. Die haben mich dann gemeinsam zu den Amateuren geholt. Es ging dann Schlag auf Schlag. Das musste auch so sein, weil ich war einer der Ältesten bei den Amateuren war. Mir hat Ali Hörtnagl einen Zweijahresvertrag gegeben und gesagt: Wenn du in zwei Jahren nicht in der ersten Mannschaft bist, bist du eh zu alt. Den Sprung zur Ersten habe ich schon im ersten Jahr geschafft.
90minuten.at: Wenn man das Alter beim Transfer nach Hütteldorf rausnimmt, ist das eigentlich eine gute Karriere: Als Talent zu einem Großklub, dort Stammkraft, dann ins Ausland. Dennoch war 2014 ja nicht absehbar, dass die Eisernen 2019 in die Bundesliga aufsteigen, auch wenn man zu dem Zeitpunkt sich immer eher in der oberen Tabellenhälfte etabliert hatte. War der mögliche Aufstieg mit Union der Grund, warum Sie nach Berlin sind?
Trimmel: Auch. Die Entscheidung war nicht einfach. Rapid wollte unbedingt mit mir verlängern. Man muss als Spieler schon sagen, dass, wenn man ein gewisses Standing hat, es gar nicht so leicht ist. Steffen Hofmann war Kapitän, ich war Vizekapitän, man hat mir gesagt, dass ich wahrscheinlich Kapitän werden kann. Es war eine schwierige Situation, das Ausland ist ein Risiko. Es musste komplett passen, auch die Familie und die Stadt haben eine Rolle gespielt. Und es wurde von Union Berlin so kommuniziert, dass man in die Bundesliga will. Der Verein hat mich mit Transfers und einer Struktur überzeugt, bei der man erkennt, dass der Verein wächst und ein Aufstieg wirklich im Bereich des Möglichen ist. Man hat das von Jahr zu Jahr gespürt, dass sich der Verein in jedem Bereich weiter entwickelt. Für mich war es nur eine Frage der Zeit, bis wir tatsächlich aufsteigen. Dass es nun so geklappt hat, ist Wahnsinn. Aber die zweite Liga ist auch wirklich hart!
90minuten.at: Viele Österreicher gehen nach Deutschland. Die Umstellung in Deutschland wird nicht so groß gewesen sein, als wenn Sie beispielsweise nach Frankreich gegangen wären.
Trimmel: Das spielt schon eine Rolle. Es ist schon gut, wenn man in ein Land wechselt, in dem die gleiche Sprache gesprochen wird. Aber wenn man in eine gute Mannschaft wechselt, eben zum Beispiel nach Frankreich oder England, dann wird man gut integriert. Du musst dich auch so integrieren, dass das passt. Wir haben auch immer wieder Spieler, die besser Englisch verstehen. Wenn mein Mitspieler besser auf Englisch kommuniziert, dann habe ich damit auch kein Problem. Der Erfolg steht da darüber. Aber einer, der gut Deutsch kann und eine super Ausbildung hat, bringt viele Vorteile mit sich. Für Österreich ist es vielleicht nicht so gut, aber es ist ein Zeichen, dass hier gut gearbeitet wird!
90minuten.at: Bevor wir da ins Detail gehen: Ich kann mir vorstellen, dass es mit dem Aufstieg ziemlich rundgegangen ist, und es ist ja der erste Auftritt von Union in der deutschen Bundesliga. Was waren Ihre Highlights?
Trimmel: Man hat es an den Menschen in Köpenick gesehen. In Ihren Augen konnte man sehen, wie viel das bedeutet. Nach dem Aufstieg war drei Tage durchgehend Party – es waren so viele Gänsehautmomente dabei! Wir haben den Menschen so eine große Freude gemacht, das war mehr als nur für uns Fußballer. Der Präsident hat einmal gesagt, dass er seit 40 Jahren davon träumt, dass Union in der ersten Liga spielt. Wenn dir der Präsident das mit Tränen in den Augen sagt, berührt dich das. Das wurde einfach nur gefeiert.
90minuten.at: Das wird mit dem Alter schwieriger und mittlerweile sind Sie ja Führungsspieler. Sie waren in keiner Akademie, galten schon bei Rapid als eher unwirscher, interessanter Kicker, ein Typ eben. Wie ist Ihre Erfahrung mit den Jungen, fehlen die Typen wirklich? Oder hat man dann lieber technisch-taktisch gut ausgebildete Mitspieler?
Trimmel: Meine Meinung ist, dass es die Mischung ausmacht. Es braucht beides. Uns hat diese Saison die Stimmung in der Mannschaft ausgezeichnet. Wir haben das so hinbekommen, dass wir vier, fünf, sechs Typen in der Mannschaft hatten, die immer offen und ehrlich ihre Meinung gesagt haben – auch dem Trainer. Wenn ich eine Sache anders sehe als er, dann sage ich es. Dann gibt es eine kurze, respektvolle Diskussion und es ist gut. Diese Typen sind vorrangig die älteren und erfahrenen Spieler. Deswegen war es auch mein Anliegen als Kapitän vor der Saison, dass ich mich nicht ändere und herumbrülle wie ein Verrückter. Wichtig ist, dass wir älteren und erfahrenen Spieler konstant Leistung bringen und als Vorbild für die jungen Talente gelten. Die kommen schon aus der Akademie, müssen sich an jemandem orientieren. Und sie brauchen Spielraum. Die können ja nicht von fünf Partien fünf Mal super spielen. Da gibt es eben Phasen, dass sie in ein, zwei Spielen nicht so gut sind. Aber genau in diesen Spielen müssen wir funktionieren. Dann können sie sich an uns anhalten und alles ist gut. Manche sind auch schüchtern. Wir haben Spieler, die sagen kaum ein Wort. Da verstehe ich die Diskussion. In einer schlechten Phase braucht es aber genau die Typen, die den jungen Spielern zeigen, wie es geht. Manchmal geht es nicht über Technik, sondern über Kampf. Typen sind aber keine, die rumschreien und herummeckern und knackige Interviews geben. Typen sind die, die von zehn Spielen in neun Leistung bringen.