Franco Foda: "Wäre Stöger am Markt gewesen, hätten sie vielleicht ihn genommen“

Der Start in den Länderspielherbst ist Anlass genug, den Teamchef zum 90minuten.at-Interview zu bitten, mit ihm seine ersten Monate im Amt Revue passieren zu lassen und über die anstehenden Aufgaben zu sprechen.

Das Gespräch führten Georg Sander und Jürgen Pucher 

 

Nach der Sommerpause geht es am Donnerstag für die österreichische Nationalmannschaft wieder los. Nach dem Test gegen Schweden, wartet mit Bosnien-Herzegowina am 11. September in Zenica auch gleich der erste Gegner in der neu geschaffenen Nations League auf die Mannschaft von Franco Foda. An Zuversicht mangelt es dem Mainzer nach seinem durchaus erfolgreichen Start als oberster Trainer des Landes selbstredend nicht. Foda erzählt außerdem, wo er andere Ideen als sein Vorgänger hat, wie er rückblickend den Prozess seiner Bestellung einschätzt und ob die Qualifikation für die Euro 2020 ein Muss ist.

Marcel Koller hat tolle Arbeit abgeliefert, die Mannschaft hat gut performed. Jetzt gilt es, meine Ideen umzusetzen.

Foda über seinen Vorgänger

90minuten.at: Im November 2017 standen Sie erstmals an der Seitenlinie der Nationalmannschaft. Seitdem hat Österreich fünf Mal gewonnen, einmal verloren. Wie lautet Ihr Resümee?

Franco Foda: Es gibt, unabhängig von den Siegen, sehr viele positive Eindrücke. Mir persönlich ist immer wichtig, wie ein Sieg zustande kommt. Wir haben uns kontinuierlich gesteigert, haben variabel gespielt, vom System her sehr flexibel. Die Siege, auch gegen Deutschland, waren verdient. Es gibt immer Verbesserungsbedarf. Über die Niederlage gegen Brasilien habe ich mich zum Beispiel sehr geärgert, auch wenn ich die Gründe dafür kannte. Die Chancenverwertung kann auch noch besser werden. Gerade gegen Russland hätten wir den Sack früher zumachen können. Oft benötigen wir am Anfang 10 bis 15 Minuten, bis wir richtig im Spiel drinnen sind. Insgesamt befinden wir uns aber auf einem guten Weg. Wir haben Spieler dazu bekommen, auch aus der österreichischen Bundesliga, die sich beweisen konnten. Aber ich bin demütig, darum weiß ich, dass wir uns weiter steigern müssen.

 

90minuten.at: In einem Bewerbsspiel kann es schwierig sein, wenn man die ersten 15 Minuten noch nicht so drinnen ist. Warum ist das so?

Foda: Das haben Sie falsch verstanden. Wir haben da unser Spiel nicht so durchgezogen, wie wir uns das vorstellen – aktiv sein, agieren. Wir haben eigentlich in allen Spielen wenig zugelassen, aber mir geht es darum, dass wir von der ersten Minute an mit Tempo und Power spielen. Es gibt aber leider einen Gegner, der etwas dagegen hat. Wir verschlafen die ersten Minuten nicht, können aber noch Dinge besser machen und noch dominanter auftreten.

 

90minuten.at: Wie viel Marcel Koller steckt noch im heutigen Franco Foda-Nationalteam?

Foda: Darüber wird oft diskutiert. Wenn es vorher schlecht lief und es kommt ein neuer Trainer, dann sagen alle, dass der Neue verantwortlich ist. Aber da kann es ja auch sein, dass noch viel vom Vorgänger dabei war. Ich denke nicht in diesen Dimensionen. Marcel Koller hat tolle Arbeit abgeliefert, die Mannschaft hat gut performed. Jetzt gilt es, meine Ideen umzusetzen. Wir spielen unterschiedliche Systeme, haben andere Spieler nominiert und wollen flexibel und variabel spielen. Aber das heißt nicht, dass es vorher nicht gut war. Im Gegenteil. Am Ende wird der Trainer im schnelllebigen Fußball nur an den Ergebnissen gemessen. Das sieht man auch bei Jogi Löw. Auf einmal wird so ein Trainer in Frage gestellt und ich kann darüber nur den Kopf schütteln. Gut, so ist es heute und wir Trainer müssen uns dem stellen.

90minuten.at: Wie groß ist mit etwas Abstand der Unterschied zwischen Team- und Klubtrainer? War das ein Kulturschock?

Foda: Es hat sich schon etwas verändert. Natürlich fehlt die tagtägliche Arbeit und die kurze Vorbereitung auf ein Spiel ist der größte Unterschied. Und man kommuniziert nicht mehr jeden Tag mit den Spielern. Das Nationalteam ist immer auch von den Vereinen abhängig, darum sind wir viel unterwegs und haben viel Kontakt zu den Trainern und den Spielern. Man kann außerdem nicht beeinflussen, ob die Spieler im Verein eingesetzt werden.

 

90minuten.at: Was machen Sie angesichts der kurzen Vorbereitung in den Einheiten? Welche Schwerpunkte können gesetzt werden?

Foda: Die Herangehensweise ist einfach anders. Als Vereinstrainer baust du kontinuierlich etwas auf. Beim Team haben viele am Sonntag vor einem Lehrgang noch ein Spiel. Also kann man am Montag nur regenerieren, erst am Dienstag kann man sich gezielt auf den Gegner vorbereiten. In den zwei Tagen muss man versuchen, die Spieler taktisch optimal einzustellen. Wir arbeiten oft im taktischen Bereich, Ballbesitz und das Spiel gegen den Ball spielen dabei eine große Rolle. Und dann schauen wir, wo die Schwächen des Gegners sind und wie wir diese ausnutzen können.

 

90minuten.at: Das heißt aber, man braucht auch Spieler, die schnell andere Dinge als beim Klub umsetzen können?

Foda: Darum sind wir viel unterwegs. Wir schauen uns deshalb so viel an, weil wir wissen wollen, wie jeder im Verein funktioniert, welche taktischen Aufgaben er hat, welche Position er spielt, wie er sich im Spiel gegen den Ball verhält und so weiter. Michael Gregoritsch spielt beispielsweise bei Augsburg oft auf der Neuneinhalb, hinter der Spitze. Ich sehe ihn im Nationalteam auf einer anderen Position. Wichtige Informationen liefern uns die Standards. Ob unsere Spieler in der Mann- oder Raumdeckung agieren. All diese Dinge, die wir in eine Datenbank eintragen, müssen wir unserer Spielidee anpassen, weil wir eben so wenig Zeit haben. Es macht ja keinen Sinn, innerhalb von wenigen Tagen etwas komplett Neues zu vermitteln.

(Interview wird auf Seite 2 fortgesetzt) 

 

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