Georg Pangl: "Den Klubs wurde ein Knochen hingeschmissen"

Im Interview mit 90minuten.at spricht European-League-Generalsekretär Georg Pangl über die Auswirkungen der UEFA-Reform und welche Möglichkeiten die Verbände haben, die Schere zwischen Reich und Arm nicht noch größer werden zu lassen.

Das Gespräch führte Michael Fiala

Am 2. Dezember war es so weit: In Dublin fällte die UEFA eine folgenschwere Entscheidung und entschied sich für die Einführung eines dritten Europacup-Formats mit dem Arbeitstitel „Europa League 2“. Uefa-Boss Aleksander Čeferin will damit den Spagat schaffen, sowohl die wenigen mächtigen Klubs zu besänftigen als auch die kleinen Nationen mit internationalen Startplätzen zu befriedigen. Was auf den ersten Blick wie eine optimale Lösung aussieht, wirft auf den genaueren Blick jedoch Fragen auf.

Um ein wenig Licht ins Dunkel zu bekommen, hat sich 90minuten.at mit European-Leagues-Generalsekretär Georg Pangl unterhalten. Der ehemalige Vorstand der österreichischen Bundesliga findet kein gutes Haar an den Beschlüssen der UEFA. Nicht, weil ein dritter Bewerb keinen Sinn macht, sondern weil dadurch eigentlich die Schere zwischen Reich und Arm noch weiter aufgehen wird. Pangl erklärt zudem, dass es bei den Bemühungen der European Leagues nicht darum gehe, den großen Klubs die Errungenschaften der Reform im Jahr 2016 streitig zu machen. Wenig Verständnis zeigt Pangl auch für die positive Bewertung der Reform durch ÖFB-Präsident Leo Windtner, weil durch die neue Setzliste Österreich künftig deutlich schlechter gestellt ist als bisher.

 

Man muss sich vorstellen, dass die 32 Klubs in der Champions League jedes Jahr knapp zwei Milliarden Euro unter sich aufteilen. Und die ca. 700 Klubs, die in keinem internationalen Bewerb spielen, bekommen insgesamt 130 Millionen Euro.

Georg Pangl

90minuten.at: Wie beurteilen Sie die Entscheidung der UEFA zum neuen internationalen Format mit dem Arbeitstitel „Europa League 2“ aus Sicht der European Leagues?

Georg Pangl: Wir sind nicht generell dagegen, was in Dublin entschieden wurde, aber die Europäischen Ligen sind geschlossen gegen die Art und Weise der Entscheidungsfindung. Es wurde zwar ein neues Format beschlossen, die wichtigsten Fragen sind jedoch offen: Wie sieht die finanzielle Verteilung künftig aus und welche kommerzielle Strategie wird mit dem neuen Format verfolgt. Und da rede ich nicht einmal vom Namen des neuen Bewerbes oder vom Koeffizienten für das Ranking, der noch zu definieren ist und für die Kleineren keinen Nachteil bringen darf. Aus unserer Sicht hätte man alles im Paket beschließen müssen, aber augenscheinlich wurde wieder ein Schnellschuss gemacht. Bei dieser Tragweite eines derartigen Beschlusses hätte es es ein fix-fertiges Konzept mit ausführlichen Diskussionen aller Beteiligten über die Auswirkungen geben müssen. Wir haben der UEFA daher geraten, den Beschluss jetzt noch nicht zu fassen.

 

90minuten.at: Was meinen Sie mit der Kritik an der Entscheidungsfindung?

Georg Pangl: Wenn der Vorsitzende der European Club Association (ECA), Andrea Agnelli in einer Pressekonferenz bereits im September gemeint hat, es wird einen dritten internationalen UEFA-Bewerb geben, den das UEFA Exekutivkomitee nur absegen braucht, zeigt das, wer im europäischen Fussball das Sagen  hat. Die Neustrukturierung der Formate wird zum Teil gravierende Auswirkungen auf die Nationalverbände haben. Die Uefa hebt derzeit natürlich die positiven Auswirkungen hervor, aber ohne, dass man die Solidaritätszahlungen nach oben hin adaptiert und die Champions League wieder mehr öffnet, werden die negativen Auswirkungen für die kleineren Verbände, auch durchaus für Österreich, sehr einschneidend  sein.

 

90minuten.at: Können Sie das konkretisieren?

Georg Pangl: Viele Klubs in den kleineren Verbänden können sich Profifußball schon jetzt kaum mehr leisten. Ich war vor kurzem in  Bosnien-Herzegowina: ein Hauptstadt-Klub in Sarajevo kann sich für die neue Europa League 2  qualifzieren und bekommt dafür in Summe dann ein paar Millionen für Startgeld und andere Prämien. Es ist wichtig zu wissen, dass der durchschnittliche Ertrag pro Teilnehmer bei 6 bis 8 Millionen Euro liegen soll. Der Rest der Liga kämpft ums Überleben, kämpft darum, dass man überhaupt Profifußball finanzieren kann. Die Schere wird speziell in diesen Ligen weiter aufgehen. Die Competitive Balance, d.h. die Ausgeglichenheit oder einfacher gesagt, die Spannung in der Liga wird zerstört, das ist für alle Beteiligten schlecht.

90minuten.at: Wie müsste man die Solidaritätszahlungen daher gestalten?

Georg Pangl: Man muss sich vorstellen, dass die 32 Klubs in der Champions League jedes Jahr knapp zwei Milliarden Euro unter sich aufteilen, die Top 10 Klubs erhalten im Schnitt jeweils 100 Millionen. Und die ca. 700 Klubs, die in keinem internationalen Bewerb spielen, bekommen sog. Solidaritätszahlungen, die jetzt von 8,5 auf 7,3 Prozent reduziert worden sind. Dh. diese 700 Klubs bekommen insgesamt 130 Mio. Euro. Das ist ungefähr so viel, wie der Champions League Sieger in einer Saison verdient. Hinzu kommt folgendes Faktum und dass muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die 15 größten Klubs haben in den letzten  Jahren durch die Verwertung von Medienrechten, neuen Medien und Technologien drei Mal so viel eingenommen wie die restlichen 700 Klubs zusammen. Und hinzu kommt, dass in den nächsten 6 Jahren – von 2018-2024 – allein aus der Vermarktung der Champions League  12 Mrd. Euro eingenommen werden und davon gehen mehr als 60% oder 7 Mrd. Euro wieder an die größten 14 Klubs. Insgesamt nimmt die UEFA im aktuellen Zyklus um 850 Mio. Euro pro Jahr mehr ein als im letzten Zyklus. Die Gier der Klubs hat dazu geführt, dass von diesen Mehreinnahmen 80% oder 680 Mio. Euro an die Champions League Klubs abgeführt wird. Gegen diese Entwicklung werden wir, ja müssen wir mit allen Mitteln ankämpfen, damit der Fussball nicht total zerstört wird. Es wäre wichtig, dass endlich auch die UEFA und die Nationalverbände das so sehen.

Auf Seite 2 des Interviews erzählt Georg Pangl über die Nachteile der neuen Europa League 2, auch speziell aus österreichischer Sicht. Zudem übt Pangl Kritik an ÖFB-Präsident Leo Windtner, der die Reform positiv bewertet hat.