Werner Grabherr: "Fehl am Platz, wenn ich mich von Emotionen beeinflussen lasse"
Der neue SCR Altach-Trainer Werner Grabherr steht verfrüht vor großen Herausforderungen. Im 90minuten.at-Interview erklärt er, wie er diese bewältigen will.
Das Interview führte Georg Sander
Werner Grabherr ist Jahrgang 1985. Im September wird er 33 Jahre alt. Während andere noch um Verträge feilschen und um Punkte kicken, steht er schon an der Seitenlinie. Früh entschied er sich, Trainer zu werden, arbeitete nebenher auf der Geschäftsstelle des SCR Altach. Nun tritt er in die erste Reihe, weil Vorgänger Klaus Schmidt Saisonziele verpasste und Grabherr in den UEFA Pro-Lizenz-Kurs kam. Der Kurzzeitprofi ist damit der aktuell jüngste Profitrainer und aufgrund seines Alters wird er mit vor allem deutschen Jungtrainern wie Julian Nagelsmann verglichen. 90minuten.at bat den Coach zum Gespräch, um seine Ziele, Vorstellungen und Herangehensweisen zu erklären. Und auch, warum er sich als Co-Trainer einen Redakteur dieser Plattform schnappte.
Vielleicht sind dann schon fünf Cheftrainer nötig, um überhaupt alle Bereiche abdecken zu können.
90mnuten.at: Cheftrainer mit 32. Wie oft wurden Sie schon gefragt, ob Sie jetzt der Tedesco/Nagelsmann Österreichs sind?
Werner Grabherr: (lacht) Oft genug. Das kann man wohl nicht leugnen, aber am Ende bin ich der österreichische Grabherr und mit 32 im Moment der Jüngste unter meinen Kollegen. Aber einer muss es sein.
90minuten.at: Neben Ihnen sind mit Goran Djuricin oder Christian Ilzer noch weitere Trainer der Bundesliga ohne große Profikarriere Cheftrainer. Ein Trend?
Grabherr: Es ist sicher kein Zufall. Es ist ein ganz normaler Weg. Bei mir war es eine Entscheidung, die ich mit 20 Jahren schon getroffen habe, dass es sich für ganz oben nicht ausgehen wird. Ich konnte in der damaligen Meistermannschaft nicht mithalten und habe mich gegen eine Karriere in der zweiten Liga entschieden. Dann habe ich zu studieren begonnen und in der Regionalliga gespielt. Nach dem Studium habe ich mich verletzt und das hat die aktive Tätigkeit abrupt gestoppt und mir den Übergang ins Trainergeschäft automatisch ermöglicht. Ich habe in der Geschäftsstelle des SCR Altach zu arbeiten begonnen, drei Monat später dann als Amateure-Co-Trainer. 2010 habe ich die A-Lizenz gemacht, dadurch macht man seinen Weg und arbeitet sich nach oben. Mit 32 bin ich aber auch schon 17 Jahre Trainer. Das ist ein großer Erfahrungsschatz.
90minuten.at: Was zeichnet einen Trainer aus, der keine Profikarriere hat?
Grabherr: Der Riesenvorteil ist, dass man in den vielen Jahren viel ausprobieren konnte, im Nachwuchs oder in der Amateurmannschaft. Da konnte man auch seine eigene Handschrift finden. Das sind auch Erfahrungswerte, auf die man zurück greift. Man hat in spannenden Phasen meistens Lösungen parat. Ein Spieler, der jahrelang Profi war, viele Trainer erlebt hat, hat natürlich andere Erfahrungswerte, hat das am eigenen Leib gespürt. Ich bin aber keiner, der sagt: Das eine oder das andere ist besser. Jeder Weg hat seine Vor- und Nachteile. Entscheidend ist, dass man, wenn man die Chance erhält, diese nützt. Auch erfahrene Trainer machen Fehler, das wird auch „uns“ passieren. Der Fußball entwickelt sich ja auch viel zu schnell, neue Trends kommen dazu, neue Möglichkeiten und Technologien. Es ist ja nicht vorhersagbar, wo wir in zehn Jahren stehen. Vielleicht sind dann schon fünf Cheftrainer nötig, um überhaupt alle Bereiche abdecken zu können. Ich bin eher ein Gegner des Schwarz/Weiß-Denkens.
90minuten.at: Fehlt Ihnen etwas? Hannes Aigner weiß beispielsweise, wie es sich anfühlt, im Europacup ein Auswärtstor zu schießen oder im Rapid-Stadion in der Nachspielzeit einen Elfer zu versenken.
Grabherr: Das glaube ich nicht, wir haben es auch miterleben dürfen. Ich habe auch viel in der Analyse gearbeitet, wir sind ja drei, vier Spiele vorher am jeweiligen Gegner dran, du beobachtest die Gegner im Stadion, saugst die Atmosphäre auf, nimmst Erfahrungen mit. Und am Ende bereitet man die Mannschaft drauf vor. Ein Spieler macht seine Erfahrungen, wir Trainer eignen uns das auch an. Mich stresst ein volles Stadion auswärts nicht. Ich bin froh, dort zu spielen, wo es laut ist und es Stimmung gibt. Das ist für uns eher eine Genugtuung. Dafür ist man als Cheftrainer auch in der Verantwortung. Und man muss dafür gemacht sein. Ansonsten bin ich fehl am Platz, wenn ich mich da noch von Emotionen oder dem anderen Trainer beeinflussen lasse.
90minuten.at: Sie haben einen interessanten Co-Trainer. Wie kam es dazu, dass der 90minuten.at-Redakteur David Goigitzer bei Ihnen im Trainerteam ist?
Grabherr: David und ich sind seit gut eineinhalb, zwei Jahren in Kontakt. Aufmerksam geworden bin ich, als er während meiner Interimstrainertätigkeit unsere Spiele analysierte und am Ende mehr Sachen in unserem Spiel gesehen hat, als der eine oder andere Analyst der Gegenseite. Er ist sehr jung, auch nicht der klassische Analyst, hat auch dieses Trainerauge. Darum haben wir uns ausgetauscht und versucht, uns zu finden. Dann habe ich entschieden, dass er im Moment der richtige ist, am Posten des zweiten Co-Trainers geht es bei uns auch sehr stark um die Datenaufbereitung und Analyse. Er bekommt die Chance, in der Bundesliga Erfahrungen zu sammeln.
90minuten.at: Wie stehen Sie zu dem Umstand, dass Daten und Analyse auch in der Öffentlichkeit ein großes Thema sind? Nimmt das dem Fußball nicht ein bisschen die 'Mystik'?
Grabherr: Es ist schon der Trend im Fußball, dass mit Daten gearbeitet wird. Das kommt dem Fußball zu Gute, weil auch der Fan einen besseren Blick auf das Ganze bekommt und ein Gefühl dafür bekommt. Für uns Trainer ist es auch positiv, das aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Es wird immer mehr um Daten gehen und darum, wie diese verwendet werden. Wenn ich Spieler entwickeln möchte, brauche ich die entsprechenden Daten: Fitness, Position, nackte Zahlen und Statistiken, die jeder kennt. Ansonsten reden wir über Dinge, die wir sehen oder spüren, aber nicht über Fakten. So kann man jeden einzelnen besser machen und am Ende wird die Mannschaft dadurch automatisch stärker.