Fritz Stuchlik: "Der Video-Beweis braucht nicht den vollen Zuspruch einer Ikone wie Buffon“
Kein Thema erhitzte im vergangenen Herbst die Gemüter so, wie die Diskussion um die Einführung des Video-Assistenten (VAR). Für ÖFB-Schiedsrichter-Manager Fritz Stuchlik ist die Einführung dennoch wünschenswert. Außerdem spricht er im großen 90minuten.at-Interview über Morddrohungen gegen Schiedsrichter, Regeländerungen und den Traum vom Elite-Schiedsrichter.
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Das Gespräch führte Michael Graswald
Das Fußballjahr 2017 ist in Österreich beendet, 2018 hat gerade angefangen. Wenige Tage nach dem letzten Bundesliga-Spieltag des Jahres haben wir deshalb Fritz Stuchlik zum Interview gebeten, um über verstärkten Diskussionen über Schiedsrichter zu sprechen. Der ehemalige FIFA-Referee empfängt 90minuten.at bestens gelaunt in seinem Büro in der ÖFB-Zentrale im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Auch beim viel diskutierten Thema Video-Schiedsrichter zeigt sich der 51-Jährige in Plauderlaune und räumt offen ein, dass es noch einiges zu verfeinern gilt. Trotzdem ist sich Stuchlick sicher, dass es auch künftig strittige Situationen geben wird. Eine absolute Gerechtigkeit würde nämlich auch der VAR nicht bringen. Mit den Leistungen der österreichischen Schiedsrichter ist der Manager aber durchaus zufrieden – auch im internationalen Vergleich. Das ist ihm besonders wichtig zu betonen.
Jeder Fan hat ja nicht nur Interesse am Fußball, sondern speziell an einem Verein. Natürlich sieht man dann gehäuft Dinge, die gegen die eigene Mannschaft gepfiffen werden.
90minuten.at: Herr Stuchlik, sind Sie mit den Schiedsrichter-Leistungen im Bundesliga-Herbst zufrieden?
Stuchlik: Meiner Meinung nach haben wir überwiegend gute Leistungen gesehen. Natürlich gibt es in jeder Meisterschaft auch einmal einzelne Leistungen oder Entscheidungen, die nicht passen.
90minuten.at: Trotz technischer Hilfsmittel passieren gefühlt immer schwerwiegendere Fehler. Woran liegt das?
Stuchlik: Ein Gefühl kann auch täuschen. Wir haben heute unheimlich viele Kameras im Einsatz, die es früher nicht gegeben hat. Die Frage ist ja auch immer, was ich unter einem schwerwiegenden Fehler verstehe.
90minuten.at: Was ist dann ein schwerwiegender Fehler?
Stuchlik: Für uns Regelexperten sind es Entscheidungen, die Einfluss in Form eines Feldverweises oder bei der Torerzielung haben. Fans werden das anders sehen.
90minuten.at: Also hat es mit der Wahrnehmung der Fans zu tun?
Stuchlik: Ja natürlich. Jeder Fan hat ja nicht nur Interesse am Fußball, sondern speziell an einem Verein. Natürlich sieht man dann gehäuft Dinge, die gegen die eigene Mannschaft gepfiffen werden. Dann kann schnell das subjektive Empfinden entstehen, dass es mehr Fehlentscheidungen gibt.
90minuten.at: Und solche subjektiven Wahrnehmungen führen zu Morddrohungen gegen Schiedsrichter?
Stuchlik: Das ist natürlich ein sehr bedauerlicher Auswuchs. Jede Fehlentscheidung, egal ob es nun wirklich eine war, ist eine Wahrnehmungsentscheidung des Schiedsrichters und keinesfalls mit einer bösen Absicht verbunden. Deshalb sind solche Dinge nicht nur deplatziert sondern auch völlig verurteilenswert. Ich hoffe, dass der Betroffene ausgeforscht werden kann.
90minuten.at: Fehlt es am Respekt füreinander?
Stuchlik: Der Respekt hat in unserer Zeit sowieso andere Formen angenommen. Da muss man nur Lehrer oder Polizisten fragen, die werden sagen, dass es vor 20 Jahren noch ganz anders war. Das ist eine sehr bedauerliche Entwicklung, die auch den Fußball nicht unberührt gelassen hat.
90minuten.at: Wenn aber Louis Schaub nach einem Match mehr Regelschulungen für Schiedsrichter fordert, dann kann da etwas nicht stimmen oder?
Stuchlik: Da hat der Spieler wohl den Schulungsplan der Schiedsrichter nicht ganz vor Augen gehabt. Ich denke, dass er das aus Frustration gesagt hat.
90minuten.at: Trotzdem kann es Ihnen nicht gefallen.
Stuchlik: Nein, aber ich hatte auch keine Freude als Schiedsrichter Muckenhammer Stefan Schwab als „charakterlos“ bezeichnet hat. Damit arbeiten wir in der Vorbildwirkung gegen unsere eigenen Interessen. Wir können nicht einen besseren Umgang fordern, wenn beide Seiten solche Sachen von sich geben. Das schadet der Sache nur.
90minuten.at: Nicht schaden sollen die Regelanpassungen der letzten Jahre. Wie viele gibt es da pro Saison durchschnittlich?
Stuchlik: Da kann man keinen durchschnittlichen Wert nennen. 2016 hat es 196 Regelanpassungen gegeben. Wobei das auch sehr viele kleine Dinge sind. Die Spielregeln sind ein bisschen vereinfacht und vom Wording abgeändert worden damit sie leichter verständlich sind.
90minuten.at: Hat das Ihrer Meinung nach funktioniert?
Stuchlik: Ich denke schon. Ziel der IFAB war es, das Regelwerk zu verschlanken und zu vereinfachen und das hat dieser Änderungen bedurft. Heuer hat es dann nur mehr Nachbesserungen gegeben.
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