Fredy Bickel: "Wir können diese Saison nicht den Anspruch haben, Salzburg zu jagen"
Im Jänner ist Fred Bickel ein Jahr Rapid-Sportdirektor. Er kam in einer schwierigen Situation und es sieht so aus, dass er sie lösen konnte. Im großen Interview mit 90minuten.at spricht er über seine Vorstellungen von Fußball, die relative Wichtigkeit einer Spielphilosophie und sein Verhältnis zu Trainer Goran Djuricin.
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Von Georg Sander
Recht gut gelaunt kommt Fredy Bickel am Dienstag zum großen 90minuten.at-Interview. Er ist zu spät, entschuldigt sich und lässt sich einmal einen Kaffee bringen. Bickel ist entspannt, was er angesichts der letzten Monate auch sein kann. Von Krise wie vor einem Jahr spricht niemand mehr. Das Festhalten an Goran Djuricin hat sich also ausgezahlt. Zudem konnte der gebürtige Schweizer mit dem Wechsel von Maximilian Wöber zu Ajax Amsterdam einen "Jackpot"-Transfer verbuchen. Die Verträge von Offensivwunderwuzzi Philipp Schobesberger und Defensivallrounder Stephan Auer konnten jüngst verlängert werden. Alles Eitel-Wonne also? Mitnichten, muss der kritische Beobachter angesichts vieler knapper Siege sagen. Darüber wollen wir sprechen.
Wir haben gute Momente in den Spielen, aber nur selten über volle 90 Minuten. Für uns ist es wirklich wichtig, vernünftig und demütig zu sein.
90minuten.at: Am Sonntag steigt das Schlagerspiel gegen Red Bull Salzburg. Punktet man, ist man mitten im Titelkampf. Das hat man sich erarbeitet, nach einem holprigen Saisonstart. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, dass man diese Wende geschafft hat?
Fredy Bickel: Es war zu Beginn der Vorbereitung schon so, dass ich ein gutes Gefühl hatte. Es hat in der Mannschaft und dem Trainerteam gepasst. Der Start war grundsätzlich nicht so schlecht, wie es jetzt vielleicht aussieht. Wir haben Punkte verschenkt, die man gar nie abgeben darf. Das hat viel mit den Gedanken der Spieler zu tun gehabt. Wir hatten alle ein gutes Gefühl, dann stimmten die Resultate nicht, es kam Unruhe in der Öffentlichkeit. Und es kamen Gedanken: Laufen wir wieder in eine Saison hinein wie letztes Jahr. Das hat man gespürt. Es war wichtig, dass man die Mannschaft immer wieder bestärkt hat, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mit den Resultaten ist die Sicherheit gekommen, die vorher gefehlt hat.
90minuten.at: Haben Sie sich bei den Spielern auch eingebracht oder ist das eine Sache des Trainerteams?
Bickel: Das ist immer Teamarbeit. Ich rede jeden Tag mit dem Trainerteam. Jeder versucht auf seine Art und Weise, Einfluss zu nehmen, wo er kann, es zu beruhigen. Mir war es wichtig, nach außen hin Ruhe auszustrahlen, damit nicht noch mehr Unruhe rein kommt.
90minuten.at: Inwiefern ist nun die Partie gegen Salzburg wichtig? Wie gehen Sie mit dem Spiel um? Gewinnt man, ist man Salzburgjäger, das Minimum für einen Verein wie Rapid. Verliert man, sind es acht Zähler Rückstand.
Bickel: Für uns ist es wirklich wichtig, vernünftig und demütig zu sein. Wir müssen wissen, wo wir auf unserem Weg stehen. Ich bin davon überzeugt, dass die Mannschaft großes Potential hat. So weit, wie es aber den Anschein hat, sind wir noch nicht. Das müssen wir selber wissen. Wir haben gute Momente in den Spielen, aber nur selten über volle 90 Minuten. Da müssen wir dran arbeiten. Das geht nicht immer gut aus, den knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen. Ist das Resultat nicht so, wie wir es uns alle erhoffen, ist deswegen nicht alles kaputt. Wir wollen nicht den zweiten oder dritten Schritt zuerst machen. Sein wir uns ehrlich: Nach der letzten Saison können wir nicht den Anspruch haben, Salzburg zu jagen. Die Zielsetzung mit den ersten Drei ist realistisch. Natürlich willst du punkten und in der Rückrunde den Geschmack vom Titel irgendwie haben. Wir sind momentan auf dem Platz, wo wir hingehören. Alles zu seiner Zeit.
90minuten.at: Es gibt immer wieder Mannschaften, die im einen Jahr gegen den Abstieg spielen und sich dann in der nächsten Saison ganz vorne finden. Wieso kann das so schnell gehen bei Rapid? Eigentlich hat man mehr Möglichkeiten als beispielsweise Altach.
Bickel: Das ist völlig richtig. So wie es letzte Saison war, das darf nicht sein. Rapid muss ganz klar den Anspruch haben, immer vorne mitzuspielen und europäisch vertreten zu sein. Die Gruppenphase ist wieder etwas anderes, aber du musst mindestens Qualifikation spielen. Das muss immer so sein. Da braucht es aber das Fundament, die Stabilität, dass du nicht die Mannschaft bist, die einmal Dritter und einmal Achter wird. Da haben wir andere Voraussetzungen. Es ist Pflicht, jede Saison abzuliefern.
90minuten.at: Welchen Ansatz muss Rapid haben, um stabil zu sein?
Bickel: Ich würde das gerne allgemein halten, auch wenn man das nicht gerne hört: Österreich ist, wie die Schweiz, eine Ausbildungsliga. Die Schere zu den großen Ligen wird immer größer. Wenn du eine europäische Gruppenphase bestreiten kannst, sind das schöne Erfolge, kein Selbstläufer. Sobald man sich eingesteht, dass man in eine Lücke muss, dass man nicht den Anspruch haben kann, sich mit den großen Ligen zu messen, vermehrt auf die Ausbildung und den eigenen Nachwuchs schaut, ist es gut. Salzburg und Basel sind vielleicht Ausnahmen, aber das ist der Weg: Ein starker Nachwuchs, gut mit ihnen arbeiten, einen guten Staff haben. Du wirst in Zukunft vor allem deine eigenen Spieler haben, die du weiter bringen willst, damit sie den nächsten Schritt ins Ausland machen können. Dass es auch wirtschaftliche Vorteile gegenüber anderen Vereinen im Land gibt, musst du ausnützen, dass du auch einmal einen Legionär holen kannst, der dich weiter bringt.
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