Datenanalyst Philipp Ertl: "Wer Daten nicht verwendet, hinkt der Konkurrenz meilenweit hinterher"
Wie werden Daten erhoben? Welche Daten sind wichtig? Kann man anhand einer Statistik sagen, ob ein Team gut oder schlecht gespielt hat? Das und mehr hat 90minuten.at Philipp Ertl, Datenanalyst bei Opta Sports gefragt.
von Georg Sander
Interview Philipp Ertl: Seite 1 - Seite 2 - Seite 3
Seit 2002 sammelt Philipp Ertl Daten über Fußball. Bis 2013 verfasste der Datenanalyst detaillierte Berichte über die heimische Liga, war für die Qualitätskontrolle zuständig und betreute Premiere und später Sky redaktionell. Seit 2013 ist er bei Opta Sports und leitet das Büro der Perform Group in Wien. Ertl kennt so gut wie alle Aspekte über Fußball und Daten, sowohl aus der Sicht von Medien, Verbänden, Vereinen, Fans, Wettkunden oder im Gaming-Kontext. Grund genug, ihn zu fragen.
Redaktioneller Hinweis: Aus Zeitgründen beim Interviewpartner wurde das Interview per Mail geführt, nach einer ersten Runde wurden Nachfragen geschickt. Dafür haben wir für die 90minuten.at-Userinnen und User ein besonderes Feature am Ende des Interviews.
90minuten.at: Es gibt mehr Daten als jemals zuvor im Fußball. Wie aber kommen die zustande? Macht das ein Programm oder sitzt wer im Stadion und notiert?
Philipp Ertl: Es gibt zahlreiche verschiedene Methoden der Datenerhebung, jede hat ihre Vor- und Nachteile. Entscheidend ist, wofür ich diese Daten verwenden will. Manchen Kunden, wie zum Beispiel Wettanbietern, geht es darum, die Daten möglichst schnell zu bekommen. In diesem Fall ist es zielführender, Personen in den Stadien zu haben, um Livedaten so schnell wie möglich an unsere Kunden zu übermitteln. Diese Scouts arbeiten aber natürlich auch mit Programmen, die alte „Stricherlliste" gibt es natürlich schon lange nicht mehr. Andere, mehr in die Tiefe gehende Daten, werden manuell vor Bildschirmen von drei bis vier Personen pro Spiel erhoben und in ein Programm, welches die Daten live in die Datenbank speist, eingearbeitet. Zusätzlich gibt es auch automatisierte Lösungen, wie verschiedene Trackingsysteme. Die Weiterverwendung hängt davon ab, ob diese Daten von den Verbänden auch freigegeben werden, von den Medien genutzt werden dürfen beziehungsweise für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Die Herausforderung der nächsten Zeit ist, die manuell erfassten und die getrackten Daten zusammenzuführen und eine einheitliche Lösung zu entwickeln.
90minuten.at: Daten zu lesen ist hingegen schwierig. Welche Parameter sind Ihrer Ansicht nach die heutzutage entscheidenden?
Ertl: Für mich ist es immer wichtig, die Definition hinter den Parametern zu kennen. Wenn ich die habe, kann ich aus allen erhobenen Daten meine Schlüsse ziehen bzw. Modelle basteln. Aus den erhobenen Daten haben wir in den letzten Jahren an verschiedenen Modellen wie „Expected Goals", „Expected Assists", „Sequences and Possessions", „Carries" und so weiter gearbeitet. In diesem Bereich sammeln wir ständig Ideen und drehen an kleinen Schrauben. Auch Trainer, Scouts und so weiter treten an uns heran und wir versuchen dann diese Wünsche umzusetzen und weiterzuentwickeln. Wichtig ist, diese Daten auch im richtigen Kontext zu verwenden. Sportliche Abteilungen haben andere Ansprüche als Medien. Einige der vorher erwähnten Modelle sind für die Öffentlichkeit nicht vermittelbar, andere wie „Expected Goals" werten die Berichterstattung aber auf. Eine generelle Aussage welche Daten relevant beziehungsweise entscheidend sind, wäre nicht seriös. Ich kann in Verbindung mit anderen Parametern mit allen erhobenen Daten Aussagen treffen.