Ziereis: "Sehen uns immer noch als Top-Mannschaft"
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Ziereis: "Sehen uns immer noch als Top-Mannschaft"

Nach einem missglückten Saisonstart sieht der LASK-Abwehrchef seine Mannschaft wieder auf Kurs. Im Interview spricht er über die sportliche Situation, seine Zukunft und den FC St. Pauli.

Seit Sommer 2022 spielt Philipp Ziereis für den LASK. Als ehemaliger Kapitän des FC St. Pauli stieg er auch in Linz schnell zum Führungsspieler auf, außerdem zählt der Deutsche zu den Dauerbrennern im Kader der Linzer. Erst 45 Pokal-Minuten hat er in der laufenden Saison ausgelassen. In wenigen Monaten steht dem 31-Jährigen eine Zukunftsentscheidung bevor, sein Vertrag läuft aus.

90minuten hat ihn vor dem Conference-League-Duell gegen Olimpija Ljubljana am Donnerstag (ab 21:00 Uhr im LIVE-Ticker und bei Canal+) gefragt, wie er die aktuelle Situation in Linz und seine Zukunft sieht.

90minuten: Philipp, du machst dich direkt nach diesem Interview auf dem Weg zum Training. Mit welcher Stimmung bist du aktuell bei der Arbeit?

Philipp Ziereis: Mit einer sehr guten. Ich glaube, der Sieg am Wochenende war wichtig. Klarerweise ist es jetzt nach einem nicht so guten Saisonstart wieder angenehmer, weil wir jetzt doch wieder Erfolge eingefahren haben.

90minuten: Vor ein paar Wochen war es vermutlich noch anders. Wie hat sich die Atmosphäre seitdem verändert? Mit Markus Schopp setzt ja jetzt auch ein neuer Trainer Impulse.

Ziereis: Wir haben uns den Saisonstart anders vorgestellt, unser Anspruch ist, anders zu performen und Punkte zu sammeln. Wenn man von Anfang an hinterherläuft, ist es nicht leicht, sich Stück für Stück wieder heranzuarbeiten, um dann dort hinzukommen, wo wir hingehören. Ich muss niemandem erklären, dass eine Trainingswoche im Fußball nach einem Sieg angenehmer ist, als nach einer Niederlage.

Wir haben einen neuen Trainer. Es ist noch nicht so, dass wir in seinem System so perfekt sind, wie wir uns das vorstellen.

Philipp Ziereis

90minuten: Dass nach einem Sieg alles leichter von der Hand geht, ist klar. Aktuell läuft es gut - inwiefern steht ihr auch darüber, wenn es wieder einen Rückschlag geben sollte?

Ziereis: Uns ist klar, dass wir irgendwann wieder ein Spiel verlieren werden. Wir haben gelernt, dass der Verein und die Mannschaft gerade in den schlechten Phasen sehr eng zusammen stehen. Wir werden die Nerven in so einer Situation nicht wegwerfen. Genauso wenig denken wir jetzt, dass wir dort sind, wo wir hinwollen. Es gilt jetzt, uns im Training zu verbessern und an vielen Details zu arbeiten. Wie du gesagt hast, haben wir einen neuen Trainer. Es ist noch nicht so, dass wir in seinem System so perfekt sind, wie wir uns das vorstellen. 

90minuten: So hat das Markus Schopp in etwa auch nach dem Spiel gegen die WSG Tirol gesagt. Er wollte mit euch noch über die ersten 20 Minuten reden, es hat ihm an "Klarheit" gefehlt. Wie ist die Analyse abgelaufen?

Ziereis: Genau so. In den ersten 20 Minuten hatte keiner, der auf dem Platz stand, ein gutes Gefühl. Das war uns allen bewusst. Es gibt sicher einige Gründe dafür, dass wir nach einer Länderspielpause so in ein Auswärtsspiel hinein starten. Es spricht aber sicher auch für unsere Qualität, dass wir so ein Spiel noch drehen. Uns ist klar, dass das nicht mehr oft passieren sollte. Wir haben das analysiert und werden weiter an unseren Themen arbeiten.

90minuten: Welche Themen sind das? Wo werden in der Arbeit auf dem Platz denn konkret die Schwerpunkte gesetzt?

Ziereis: Auf alles eigentlich. Natürlich definieren wir uns vor allem über Ballbesitz. Standards sind ein Thema, Restabsicherung, Defensivverhalten. Wir sind dran, alle Phasen des Spiels abzudecken. Das ist natürlich viel Input, das brauchen wir im Moment aber auch. Ich glaube, dass man in den letzten Wochen gesehen hat, dass das immer mehr zusammenfindet. 

90minuten: Mit Blick auf das große Ganze bleibt die Saison bisher aber hinter den Erwartungen. Vor dem Spiel gegen die WSG stand der LASK nahe dem Tabellenkeller, derzeit ist es Platz 7. Wo steht ihr aktuell im Vergleich mit der Konkurrenz? 

Ziereis: Wenn man unseren Saisonstart betrachtet und die schlechten Ergebnisse, die wir gehabt haben - dem läuft man einfach hinterher. Jetzt sind wir dabei, Woche für Woche aufzuholen.

Wir sehen uns immer noch als Top-Mannschaft in der Liga. Der Anspruch ist immer da.

Philipp Ziereis

90minuten: Ein Ziel habt ihr öffentlich ja nicht ausgegeben. Das Thema Meisterschaft dürfte aber wahrscheinlich erledigt sein. Habt ihr eure internen Erwartungen schon angepasst? 

Ziereis: Von der Meisterschaft zu reden, wäre vermessen. Uns ist allen bewusst, wo wir herkommen. Wir haben unsere Ziele intern gesteckt, ich glaube, es ist gut, dass wir das nicht nach außen kommunizieren. Austrudeln lassen werden wir die Saison wegen eines schlechten Starts aber nicht. An uns selbst haben wir den höchsten Anspruch, welcher Tabellenplatz dann letztendlich herauskommt wird man sehen. 

90minuten: So weit hergeholt ist das Thema Meisterschaft aber nicht. Nach zwei Jahren auf dem dritten Platz war schon davon auszugehen, dass ihr euch oben annähern wollt.

Ziereis: Naja, wir sehen uns ja immer noch als Top-Mannschaft in der Liga. Der Anspruch ist immer da. In den letzten Jahren waren wir unter den besten drei, es ist klar, dass wir das mindestens wiederholen und die Großen ärgern wollen. Die Situation war bei uns jetzt einfach eine andere, wir haben aber trotzdem den Anspruch, jeden in der Liga zu schlagen. 

90minuten: Du bist seit inzwischen mehr als zwei Jahren in Österreich. Wie fällt deine Bilanz zum aktuellen Zeitpunkt aus?

Ziereis: Durchweg positiv. Auch wenn wir neben guten auch schlechte Phasen hatten, bin ich wirklich sehr zufrieden mit den letzten zwei Jahren. Es ist eigentlich genauso eingetroffen, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich konnte in der Europa League spielen, wir waren zweimal Dritter, sind wieder international dabei. Ich bin fit, hatte keine großen Verletzungen, was in meiner Karriere auch nicht immer der Fall war. 

Es gibt überhaupt keine Gespräche in irgendeine Richtung.

Ziereis über seinen auslaufenden Vertrag

90minuten: Den Schritt nach Linz hast du dir als 29-jähriger Profi mit Sicherheit gut überlegt. Demnächst steht wieder eine Entscheidung an, weil dein Vertrag im Sommer ausläuft, du bist dann 32. Was ist dir für den nächsten Schritt wichtig?

Ziereis: Mit über 30 Jahren ist das im Fußball kein so leichtes Thema. Ich bin da aber tiefenentspannt. Es gibt auch überhaupt keine Gespräche in irgendeine Richtung. Unsere Situation hat das auch nicht wirklich hergegeben. Bis zum Winter bin ich darauf fokussiert, dass wir als Mannschaft und Team besser performen. Danach wird man sehen, wo die Reise hingeht. Für mich ist es wichtig, dass ich fit bin und spielen kann. Alles andere wird man zum richtigen Zeitpunkt sehen. 

90minuten: Was ist denn der richtige Zeitpunkt? Du hast eine Familie, die du mitnimmst. Vom richtigen Umfeld bis hin zur Vertragsdauer gibt es viele Punkte zu klären, das braucht vermutlich Zeit. 

Ziereis: Gute Frage. Ich denke, dass Anfang des nächsten Jahres Gespräche losgehen werden. Natürlich will ich nicht gegen Saisonende da sitzen und überlegen, was in vier Wochen passiert.

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2021: Philipp Ziereis im Training bei St. Pauli

90minuten: Vor deinem Wechsel zum LASK warst du lange bei St. Pauli aktiv. Es ist bekannt, dass der Verein sehr viel Wert auf gesellschaftspolitisches Engagement legt. Jetzt wo beispielsweise Saudi-Arabien oder Katar im Fußball immer präsenter werden, ist das wahrscheinlich noch relevanter geworden. Du hast als Kapitän selbst eine Schleife in Regenbogenfarben getragen. Welchen Stellenwert hat diese Haltung für dich?

Ziereis: Erstmal sind alle Fußballer, die in der Öffentlichkeit stehen, auch Vorbilder. Bei St. Pauli ist es etwas Besonderes, das den Verein eigentlich ausmacht. Das Gesellschaftspolitische, das Einbinden der aktiven Fanszene. St. Pauli nimmt da einen sehr wichtigen Gegenpol im Fußball ein. Sie sind in vielen Punkten gut unterwegs und zeigen den richtigen Weg vor. Zum Thema Katar und Saudi-Arabien: Das ist als Spieler ein schmaler Grat. Es liegen Summen auf dem Tisch, wenn man vielleicht finanziell noch nicht abgesichert ist, muss das jeder für sich entscheiden. Das ist eine persönliche Geschichte.

90minuten: Besonders kontrovers war es ja dann, wenn man das Gefühl hatte, dass Fußballer die Werte, die ihnen sichtlich wichtig waren, liegen gelassen haben. Da gibt es das bekannte Beispiel Jordan Henderson.

Ziereis: Ich glaube, er ist ja relativ schnell zurückgekommen. Er hat sich zuerst klar dagegen positioniert und ist dann auf einmal doch gewechselt, das hat nicht ganz zusammengepasst. Ich will da gar nicht urteilen. Bei St. Pauli wurde man intern auf viele Themen sehr gut vorbereitet. Der Verein an sich steht ja schon für die Werte, als Spieler hat man das dann weitergetragen. Es wurde einem sehr einfach gemacht, das zu transportieren, wofür der Verein steht. Wenn man bei St. Pauli unterschreibt, weiß man das ja auch und sollte sich mit diesen Werten identifizieren. Dann ist das für einen persönlich auch nicht mehr so schwierig.

Als Spieler ist es natürlich nicht einfach: Es gibt immer zwei Seiten, man versteht bei beiden die Argumente. Wir sitzen da ein bisschen zwischen den Stühlen.

Philipp Ziereis

90minuten: Wie würdest du den LASK im Vergleich zu St. Pauli in dieser Hinsicht einordnen? Hier gab es in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder Kontroversen und Konflikte mit den eigenen Fans.

Ziereis: Das ist ein schwieriger Vergleich. St. Pauli hat schon ein Alleinstellungsmerkmal im deutschsprachigen Raum, das ist schon etwas Besonderes. Als Spieler ist es natürlich nicht einfach: Es gibt immer zwei Seiten, man versteht bei beiden die Argumente. Wir sitzen da ein bisschen zwischen den Stühlen, für uns ist es nicht ganz leicht, uns da klar zu positionieren. Wir tun gut daran, dass wir das intern besprechen, um als Spieler nicht noch groß in der Öffentlichkeit Feuer hereinzubringen. (Anmerkung der Redaktion: Laut Auskunft des LASK findet aktuell direkter Austausch mit seinen Fans statt. Es wurden Arbeitsgruppen gebildet, die derzeit intensiv daran arbeiten, um gemeinsame Lösungen zu finden.)

90minuten: Man hat von außen den Eindruck, dass die Sichtweisen oft weit auseinander liegen und die Fronten verhärtet sind. Wäre es nicht einen Versuch wert, als Spieler nicht doch einmal Stellung zu beziehen? Vielleicht in einer Vermittlerrolle?

Ziereis: Wir sind immer gut damit gefahren, diese Dinge intern zu belassen. Ich halte nichts davon, dass wir öffentliche Statements raushauen und so Bewegung hineinbringen. Es war immer unsere Stärke, das auch in schlechteren Phasen intern anzusprechen.

90minuten: Du warst insgesamt neun Jahre bei St. Pauli. Im modernen Fußball ist das schon eine lange Zeit, wie eng ist der Kontakt noch?

Ziereis: Ich schaue natürlich das ein oder andere Spiel, wenn es sich zeitlich ausgeht. Leider gibt es nicht mehr so viele Jungs, mit denen ich Kontakt habe - Eric Smith ist eigentlich der Letzte. Im Fußball geht es schnell, wenn man zwei oder drei Jahre weg ist, ist die komplette Mannschaft ausgetauscht. Es freut mich natürlich, dass sie jetzt in der Bundesliga sind. Ich habe noch viele Freunde in Hamburg, in der nächsten Länderspielpause fliege ich wahrscheinlich wieder hin. 

90minuten: Der Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler ist inzwischen ja auch weg, ihn hast du noch erlebt. 

Ziereis: Natürlich. Wir gehören zum selben Jahrgang, früher haben wir ab und zu gegeneinander gespielt. Er war damals in der Bayern-Jugend aktiv und später bei St. Pauli in meinen letzten beiden Jahren Co-Trainer. Sein Weg in die Premier League zu Brighton ist schon außergewöhnlich. 

90minuten: Ist der Trainerjob einer, der dich auch einmal interessieren würde? 

Ziereis: Sicherlich macht man sich Gedanken, ich kann aber fast ausschließen, dass ich Trainer werde. Ich glaube nicht, dass ich mir das antun werde (lacht). Das ist nichts für mich.

Ich will ehrlich gesagt auch noch vier oder fünf Jahre spielen. Es macht mir Spaß, ich fühle mich fit.

Philipp Ziereis

90minuten: Das ist schon eine relativ klare Antwort, warum hast du das für dich so entschieden?

Ziereis: Wir kennen ja alle das Trainerbusiness. Jede Woche kann etwas passieren, man hat keine Planungssicherheit. Ich habe für mich entschieden, dass ich das so nicht will. Wenn man Trainer wird, sollte man das mit einer hundertprozentigen Überzeugung machen und als Beruf leben. Das spüre ich nicht. 

90minuten: Gibt es andere Jobs, die dich reizen würden? 

Ziereis: Ja, schon, das geht dann aber eher in Richtung Management oder Beratung. Solche Geschichten würden für mich schon eher infrage kommen. Ich will ehrlich gesagt auch noch vier oder fünf Jahre spielen. Es macht mir Spaß, ich fühle mich fit und würde gerne die Zeit, die ich mit Verletzungen verpasst habe, gerne hinten dran hängen.

Wir danken für das Gespräch!



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