Warum lebt der FAK über seinen Verhältnissen, Herr Zagiczek?
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Warum lebt der FAK über seinen Verhältnissen, Herr Zagiczek?

Austrias Finanzvorstand erklärt, was besser laufen muss, woher das Geld für den Anteilsrückkauf kommt und wie er ein mögliches Ende von 50+1 sieht.

Harald Zagiczek hat in den vergangenen Monaten einige wichtige Deals eingefädelt, um die finanzielle Situation des FK Austria Wien zu verbessern.

Der Schuldenschnitt mit der Bank Austria ist gelungen, das Stadion wird in Kürze an die Stadt Wien verkauft. Und der Verein wird die Anteile von Jürgen Werners Investorengruppe zurückkaufen.

Doch wie funktioniert das alles? Ist die Austria dann wirklich gerettet? Und wie sollen die Zahlen künftig auch unabhängig von Einmal-Effekten positiv werden?

Im exklusiven Interview mit 90minuten klärt der Finanzvorstand der Veilchen auf.

90minuten: Schuldenschnitt, Stadionverkauf, Anteilsrückkauf – Sie werden in diversen Foren als Retter der Austria gefeiert.

Harald Zagiczek: Ich?! Das ist sehr schön, wenn meine Arbeit in unserer Community anerkannt wird. Die letzten Erfolge sind gut, aber bei Weitem nicht mein alleiniger Verdienst und vor allem nicht das Ende der Fahnenstange. Viele Menschen in unserem Umfeld leisten sehr viel für die Austria. Der Vorstand, der Präsident, die Investoren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allem auch unsere Verhandlungspartner.

90minuten: Kann man sagen, dass die Austria gerettet ist?

Zagiczek: Wenn man in alte Muster zurückfällt, zwei, drei schlechte Jahre hat, kann man wieder in den gleichen Pallawatsch reinkommen. Im Moment ist die Austria stabil, strukturiert und nicht emotional. Wir wissen, welche Investitionen wir tätigen, die sind immer mit kaufmännischer Vorsicht. Ich kann nicht mit 10.000 Euro ins Casino gehen und alles setzen.

90minuten: Ich glaube, noch nie hat jemand gesagt, dass die Austria nicht emotional ist.

Zagiczek: Bei den Investitions-Entscheidungen ist sie es doch!

90minuten: Es wurde ein positives Jahresergebnis von 11,24 Millionen Euro vermeldet. Das ist aber natürlich auf den Einmal-Effekt des Schuldenschnitts zurückzuführen.

Zagiczek: Das ist richtig.

90minuten: Warum lebt die Austria immer noch über ihren Verhältnissen?

Zagiczek: Wir haben unsere Kostenstruktur analysiert, da ist keine Position überbordend doppelt besetzt oder überbordend hoch bezahlt. Aber wir sind doch ein Verein mit einer entsprechenden Infrastruktur und einer Fan-Community mit Erwartungen in den Bereichen Sicherheit, Merchandising, Gastronomie. Da gibt es einen vorhandenen Fixkostenblock, den es zu überwinden gilt. Die wesentlichen Einnahmequellen sind der sportliche Erfolg, Transfererlöse und Sponsorenleistungen. Da konnte man in den letzten Jahren die Ziele nicht erfüllen, da müssen wir besser werden.

90minuten: Erlöse durch Transfers, Europacup-Teilnahmen, mehr Sponsoren, mehr Zuschauer, was kaum mehr möglich ist, – worin steckt am meisten Potenzial?

Zagiczek: Der größte Hebel ist natürlich der Sport. Wenn man zum Beispiel in die Steiermark schielt, wurden Erlöse durch Europacup-Teilnahmen und Transfers in einer Dimension gemacht, die durch Sponsoring nicht zu erlösen sind.

Unser Sportbudget ist in der aktuellen Situation massiv ausgereizt, die Saison ist aber noch nicht vorüber und wir arbeiten daran, das auszugleichen.

90minuten: Geht es eher durch Europacup-Teilnahmen als durch Transfers? Die Balance zu halten, ist ja nicht so einfach.

Zagiczek: Sowohl als auch. Die Austria hätte zwei, drei heiße Kandidaten für Transfererlöse. Aber wenn man als Europacup-Teilnehmer aus einer Position der Stärke heraus einen Spieler verkauft, ist der Preis wesentlich höher als aktuell. Ich sehe da Potenzial und Luft nach oben.

90minuten: Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Jürgen Werner und Ihnen?

Zagiczek: So wie es in einer guten Geschäftsführer-Kooperation ist. Jürgen erklärt mir die sportliche Vision, ich erkläre ihm das finanziell Machbare. Man streitet sich zusammen.

90minuten: Wie oft sind Sie unterschiedlicher Meinung?

Zagiczek: Wir sind oft gleicher Meinung, oft unterschiedlicher. Aber wir gehen nie unverrichteter Dinge auseinander. Wir haben ein gutes und lösungsorientiertes Einvernehmen.

Der Stadion-Deal ist für die Austria "kein Geschenk", sagt Zagiczek
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Der Stadion-Deal ist für die Austria "kein Geschenk", sagt Zagiczek

90minuten: Müssen Sie oft den glühenden Austria-Fan in Ihnen hintanstellen und den Pragmatiker raushängen lassen?

Zagiczek:  Leider ja, das ist auch meine Rolle. Aber ich maße mir nicht an, sportliche Entscheidungen zu treffen, ob wir einen Stürmer, einen Verteidiger oder Mittelfeldspieler brauchen, wiewohl ich als glühender Austrianer ein großes Interesse und eine Meinung dazu habe. Wir tauschen uns hier viel aus,  die sportlichen Entscheidungen trifft letztendlich aber Jürgen.

90minuten: Es gibt zwei Meinungen. Eine besagt, Jürgen Werner habe das Sport-Budget von 5,1 Millionen auf 8 Millionen massiv überzogen. Werner wiederum sagt, so schlimm war es nicht. Niemand kennt die Zahlen besser als Sie.

Zagiczek: Ich will öffentlich nicht einzelne Budgetposten definieren. Sagen wir so, unser Sportbudget ist in der aktuellen Situation massiv ausgereizt, die Saison ist aber noch nicht vorüber und wir arbeiten daran, das auszugleichen, den Kader zu reduzieren. Marvin Martins und Cristiano sind von der Payroll, wir steuern hier entgegen.

90minuten: Zum Stadionverkauf: Es gibt eine Absichtserklärung der Stadt Wien. Wie weit sind die Verhandlungen?

Zagiczek: Nach dem Gutachten werden wir einen Preis ermittelt haben, auf Basis dessen wir eine marktübliche, beihilferechtskonforme Miete bezahlen werden. Bilanziell bringt der Deal für die Austria keinen Vorteil, das ist kein Geschenk, das ist ein Aktiv-Passiv-Tausch. Unsere Cash-Situation war schlecht und es sind Verbindlichkeiten da. Diese Cash-Zufuhr bringt die Möglichkeit, erheblich Verbindlichkeiten rückzuführen, wodurch wir deutlich weniger Zinsaufwand und keine Abschreibung haben und Reserven behalten. Der Gegenpol ist die zu zahlende Miete, unterm Strich ist das in der aktuellen Situation aber besser für die Austria. Bei dieser Maßnahme handelt es sich um ein klassisches Finanzierungsinstrument.

90minuten: Der Teufel des Stadiondeals steckt ja im Detail. Was ist der Wunsch der Austria?

Zagiczek: Wir wollen das tun, was wir gut können: Nämlich ein Stadion zu betreiben und allumfänglich zu bewirtschaften, also die Betriebsführung des Stadions behalten. Ich denke, die Stadt wird interessiert daran sein, einen guten und verlässlichen Ganzjahres-Bertreiber zu haben, der eine satte und rentable Miete bezahlt und sich auf die Rolle des Eigentümers konzentrieren zu können.

90minuten: Es gibt Menschen, die sie für einen schlauen Fuchs halten, weil Gespräche mit ausländischen Investoren der Stadt den letzten Schubs gegeben haben könnten, vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.

Zagiczek: Nein, das ist sicher nicht der Fall, damit kann ich mich nicht rühmen. Der Prozess, dass die Austria das Stadion verkauft, hat sehr viele internationale Investoren aufmerksam gemacht. Viele davon hatten aber ganz andere Vorstellungen, wie so ein Stadion zu bewirtschaften ist. Ich denke, Sie sprechen konkret die ungarische Investorengruppe an, die an uns herangetreten ist und einen Due-Diligence-Prozess gestartet hat. Das war dann ärgerlicherweise schnell öffentlich. Es liegt auf der Hand und ich finde es sinnvoll und klug, dass die Stadt Wien diese wunderbare Immobilie erwirbt, weil auch das Grundstück seit jeher im Eigentum der Stadt ist.

90minuten: Wie ist es Ihnen eigentlich gelungen, die Bank Austria vom Schuldenschnitt zu überzeugen?

Zagiczek: Wir haben vereinbart, über Finanzierungskonstruktionen nicht öffentlich zu sprechen und daran halte ich mich. Nur so viel: Es wurde für alle Beteiligten eine gute und sinnvolle Lösung gefunden und alle haben sich sehr fair verhalten.

90minuten: Bis Ende März, Anfang April kann die Austria die Anteile von Jürgen Werners Investorengruppe WTF rückkaufen.

Zagiczek: Man wird versuchen, das umzusetzen, es gibt eine grundsätzliche Einigung. Meine persönliche Meinung: Ich gehe davon aus, dass das vonstatten geht.

Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, dass 50+1 fällt.

90minuten: Woher kommt das Geld dafür? Aus dem Stadiondeal?

Zagiczek: Zu einem geringen Ausmaß. Das Geld hat kein Mascherl. Der Verein hat der AG in einer schwierigen Lage entsprechende Darlehen gewährt. Teile davon werden rückgeführt. Das Geld für die Geschäftsanteile soll aber mehrheitlich extern aufgestellt werden.

90minuten: Heißt das, dass jemand anderer mehr Anteile bekommt?

Zagiczek: Das ist Sache des Vereins, durchaus im Bereich des Möglichen.

90minuten: Es ist also denkbar, dass Teile dieser Anteile wieder veräußert werden?

Zagiczek: Auch das ist denkbar. Es gibt immer die Möglichkeit, Anteile zu kaufen oder zu verkaufen, wie in jedem Unternehmen. Das wird aber der Verein entscheiden.

90minuten: Sind Sie ein Fan von 50+1?

Zagiczek: Aus Sicht eines Vorstandes ist es sicher leichter, wenn Kapital von großen Investoren in die Klubs gepumpt wird. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, dass 50+1 fällt. Ich gehe davon aus, dass dann sehr viele österreichische Vereine mit Investoren kooperieren werden, wenn 50+1 fällt.

Der Niederösterreicher ist seit Oktober 2023 FAK-Vorstand
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Der Niederösterreicher ist seit Oktober 2023 FAK-Vorstand

90minuten: Glauben Sie, dass dann Traditionsvereine wie die Austria, Rapid und Sturm ein bisschen ins Hintertreffen geraten, weil sie vorsichtiger sind, sich mit Haut und Haar zu verkaufen als kleinere Klubs?

Zagiczek: Ich gehe davon aus, dass die genannten Traditionsvereine sehr zurückhaltend sein werden. Die Frage ist, wie weit sich Investoren mit Minderanteilen begnügen. Traditionsvereine werden immer Traditionsvereine bleiben. Andere werden vom finanziellen Gap vielleicht aufholen.

90minuten: Geht es am österreichischen Markt noch ohne internationale Investoren?

Zagiczek: Wie man sieht, geht es. Ein Wachstum wäre mit ausländischen Investoren aber ungleich leichter.

90minuten: Ist es das wert?

Zagiczek: Ich glaube, dass die Fans in großen europäischen Ligen nicht weniger Spaß und Freude an den Klubs haben.

Mein Fan-Herz sagt, dass ich es nicht will, über einen Konzern geführt zu werden.

90minuten: Die Frage ist, ob sie mehr haben.

Zagiczek: Wenn man Freude und Spaß durch sportlichen Erfolg generiert, werden sie sicherlich mehr davon haben. Ich bin auch ein Fan davon, Tradition, Ausrichtungen und Geschäftsmodelle in einem Klub als ganz wichtigen Faktor zu belassen. Mein Fan-Herz sagt, dass ich es nicht will, über einen Konzern geführt zu werden. Mein Finanz-Herz sagt, dann geht es leichter und man kann in höhere Sphären vordringen. Ob es das wert ist, wage ich nicht zu beurteilen.

90minuten: Bald wird der neue TV-Vertrag der österreichischen Bundesliga ausgeschrieben. Was erwarten Sie von diesem Prozess?

Zagiczek: Meine Hoffnung ist, dass der bestehende Vertrag noch verbessert werden kann.

90minuten: Und was erwarten Sie von der Austria sportlich im Frühjahr?

Zagiczek: Unsere Zielsetzung ist unverändert die Meistergruppe. Meine Hoffnung ist eine höhere. Wir hoffen, dass es so weitergeht, dass wir sehr stabil sind. Die Austria muss das Selbstvertrauen wieder gewinnen – und da sind wir auf einem guten Weg –, zu sagen, dass sie zurecht auf Platz zwei steht. Ich finde, wir stehen sehr gerecht da, wo wir stehen.

90minuten: Haben alle Austria-Spieler Meisterprämien im Vertrag?

Zagiczek: Das weiß ich aus der Hüfte nicht. Aber ich glaube nicht.

90minuten: Das ist nicht budgetiert, nehme ich an.

Zagiczek: Nein, ist es nicht.

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