Zadrazil: "Klare Trennung zwischen Topnationen und Rest gibt es nicht mehr"
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Zadrazil: "Klare Trennung zwischen Topnationen und Rest gibt es nicht mehr"

Österreichs Frauen-Nationalteam trifft am 25. und 29. Oktober in der ersten Runde des Playoffs zur Europameisterschaft 2025 auf Slowenien. 90minuten sprach mit Bayern-Star Sarah Zadrazil über diese Aufgabe und warum man überhaupt davor steht.

90minuten: Sarah, es geht jetzt für das österreichische Frauen-Nationalteam Ende Oktober zwei Mal gegen Slowenien und somit um die Europameisterschaft in der Schweiz 2025. Die waren zwar noch nie bei einem Großereignis dabei, aber haben alle ihre sechs Gruppenspiele gewonnen. Auf welche Gegnerinnen trifft man denn da?

Sarah Zadrazil: Ich glaube, dass das von diesem Topf doch mit einer der schwersten Gegner war, den wir kriegen können. Wir müssen aber natürlich die bessere Mannschaft sein, auch wenn sie tatsächlich einige gute Einzelspielerinnen haben, die wir auch aus der deutschen Bundesliga kennen – unterschätzen werden wir sie nicht.

Wir waren jetzt auch lange nicht als Team zusammen, das ist auch etwas ungewöhnlich, dass wir nach Saisonstart so lange beim Verein waren. Ich hatte mir ja noch dazu im Juli die Zehe gebrochen, darum war es für mich noch länger. Jetzt ist die Vorfreude groß, dass wir uns alle wieder sehen.

90minuten: Stichwort dieser Termin da im Juli. Der war ja nicht so ideal, weil viele davor auf Urlaub waren. Die Kolleginnen aus dem Nationalteam haben mir gesagt, dass das für die Spielerinnen schlecht ist.

Zadrazil: Normalerweise war recht früh nach Saisonstart die Nationalteamphase. Der Lehrgang war nicht optimal, weil er einfach nach der Sommerpause war, ohne jegliche Vorbereitung beim Verein – das ist aber für alle gleich. Sonst konnte man beim Verein in den Flow kommen. Dafür sind wir jetzt alle voll drinnen und im Spielfluss, das werden zwei gute Partien.

Die Gruppe mit Deutschland und Island war nicht leicht, aber ja, unser Ziel war es, den direkten Weg zu gehen – das war es aber auch für Island.

Sarah Zadrazil

90minuten: Wie hat denn die Teamchefin seitdem mit euch kommuniziert? Wie kann man sich das vorstellen, wenn man so lange nicht zusammen ist, kriegt man da Analyseszenen?

Zadrazil: Die Teamchefin verfolgt natürlich auch unsere Spiele, nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und ist da immer up to date. Und grundsätzlich sind wir schon im Austausch. Ich war zuletzt eine Woche nicht im Training, weil ich ein bisschen muskuläre Probleme hatte, da tauscht man sich natürlich aus und ist nicht einfach nicht im Kader. Also hat mich unser Athletiktrainer auch kontaktiert, wie der aktuelle Stand ist und ob es noch zusätzliches Trainingsprogramm benötigt.

90minuten: Gibt es da irgendwelche Bedenken bezüglich Fitness für die kommenden Spiele?

Zadrazil: Nein, alles ist ok.

90minuten: Wenn wir uns jetzt konkret diesen Lehrgang noch mal anschauen, beziehungsweise vielleicht beziehen wir es auf diese gesamte Quali: Die Erwartungshaltung war eher in die Richtung, dass man hinter Deutschland Zweiter wird.

Zadrazil: Zur Erinnerung: Mit Schweden ist beispielsweise auch eine große Nation im Playoff. Wir haben uns aber in der ersten Nations League eine super Ausgangsposition geschaffen, als wir hinter Frankreich Zweiter geworden sind. Die Gruppe mit Deutschland und Island war nicht leicht, aber ja, unser Ziel war es, den direkten Weg zu gehen – das war es aber auch für Island. In den Duellen konnten wir nicht das abrufen, was wir uns vorgestellt haben und müssen jetzt eben ins Playoff. Von dem her ist es ein schwierigerer Weg, aber auf jeden Fall ist es möglich.

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Marina Georgieva gehört mittlerweile zu den Leistungsträgerinnen, die die Routiniers ergänzen

Ich kann jetzt zwar nur für mich persönlich sprechen, aber ich denke, das sieht das ganze Team so: Wir wollen zur Europameisterschaft 2025 in die Schweiz. Der Fokus liegt jetzt voll auf diesen zwei Spielen. Und erst dann schauen wir, was auf uns zukommt. Wir haben schon oft bewiesen, was in uns steckt.

90minuten: Vielleicht noch ein Blick zurück, um zu lernen. Was ist gegen Island falsch gelaufen? Die Spiele waren mit 1:1 und 1:2 ja knapp.

Zadrazil: Mir fällt es bisschen schwer, das Spiel in Island richtig einzuordnen. Ich habe noch nie solche Bedingungen gehabt, mit dem Wind. Das hat man auch bei anderen Nationen gesehen, Deutschland hat sich ebenfalls extrem schwergetan. Island war abgezockt, hat das ausgenutzt und Deutschland geschlagen, was uns leider nicht gelungen ist. Das Spiel in Österreich war dann doch eine Enttäuschung, obwohl wir gut reingestartet sind. Insofern ärgert mich das, aber es ist für sie über zwei Spiele hinweg verdient.

90minuten: Das Team ist in einem Umbruch. Wie groß ist dieser Faktor?

Zadrazil: Für mich persönlich ist es eine andere Situation, das stimmt schon, weil einfach viele Spielerinnen weg sind, mit denen ich auch so persönlich extrem eng war. Aber wir wollen eigentlich immer alle dasselbe, wollen alle erfolgreich sein. Das Potenzial sehe ich mit dieser guten Mischung.

Ich glaube, diesen Respekt haben wir uns in den letzten Jahren erarbeitet und wir bekommen ihn auch von größeren Nationen.

Sarah Zadrazil

Es gibt mittlerweile eine andere Teamdynamik, das ist einfach so. Wenn ich jetzt an meine Generation denke, sind da viele gar nicht mehr mit dabei. Es kommen sehr viele Junge mit sehr viel Qualität nach, das muss man auf jeden Fall auch sagen. Wir haben einfach eine gute Kombination mit erfahrenen Spielerinnen und jungen Wilden. Die, die vorher jung waren, wie Barbara Dunst oder Marina Georgieva, übernehmen jetzt Verantwortung.

90minuten: Wie fühlt sich das am Feld an? Wenn du mit einigen zehn Jahre zusammenspielst, ist die Kommunikation ja quasi wortlos stimmig.

Zadrazil: Wenn man ins Nationalteam kommt und aus lauter verschiedenen Charakteren zusammengewürfelt wird, muss man das Beste herausholen. Irgendwann kennt man sich in- und auswendig, es ist dann wie bei einem Verein, wo die Spielerinnen eben viel Zeit haben, sich kennenzulernen, die Abläufe klar und gefestigt sind. Wir haben individuell extrem gute Mädels, die am Platz stehen und auch auf der Bank sitzen. Auch da sieht man, dass sich der Frauenfußball entwickelt.

90minuten: Inwiefern ist es da mittlerweile auch schwierig, Österreich zu sein. Bei der Bronzenen 2017 war man Außenseiter, da spielt man auch anders, als wenn der Gegner sagt, dass Österreich der Favorit ist?

Zadrazil: Ich glaube, diesen Respekt haben wir uns in den letzten Jahren erarbeitet und wir bekommen ihn auch von größeren Nationen. Es ist aber eine ständige Entwicklung, auch, weil sich der Frauenfußball ständig entwickelt und alles enger zusammenrückt. Die klare Trennung zwischen Topnationen und dem Rest gibt es nicht mehr so – was wir ja in der Nations League auch gesehen haben.

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Die Teamchefin Irene Fuhrmann coacht ihre Spielerinnen - hoffentlich zur Euro

Wir haben uns individuell aber auch weiterentwickelt und die Gegnerinnen wissen, was für eine Qualität da am Platz steht. Als Außenseiter war unser Fokus dann auch nicht so auf dem Spiel mit dem Ball, wir haben verteidigt und Pressing gut eingesetzt, sehr geradlinig nach vorne gespielt. Mittlerweile kicken wir auch echt gut und müssen nun die Balance finden.

90minuten: Einen tiefstehenden Gegner zu knacken, das ist für niemanden einfach.

Zadrazil: Schon, aber 2017 sind wir schon extrem tief gestanden oder haben aggressiv gepresst. Das hat uns aber ins Halbfinale gebracht. Das Fußballerische war nicht unsere Stärke. Rückblickend ist es beeindruckend, wie weit uns das gebracht hat.

90minuten: Jetzt muss man diese Gegner selber knacken. Wo ist man denn da so auf dem Weg und wie sehr ist das dann auch ein Rückschritt, wenn man sagt "OK, jetzt müssen wir in dieses Playoff"?

Zadrazil: Ich weiß gar nicht, ob das ein Rückschritt ist. Seit 2017 gab es immer solche Phasen, aber wir haben uns immer weiter entwickelt. Und wenn ich jetzt schau, welche Qualität wir in unserem Kader haben, dann bin ich ja positiv gestimmt, dass das Playoff für uns einfach nur eine weitere Hürde ist, die wir aber schaffen werden. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass wir sagen, wir spielen gegen Slowenien, fahren hin und gewinnen locker.

90minuten: Die Zeiten der alleinigen Abomeister und als Topnationen alles zerschossen haben, sind vorbei.

Zadrazil: Ich finde das einfach schön zu sehen, nicht nur auf Nationalteamebene. Auch in der Bundesliga ist es spannend, mittlerweile gewinnst du nicht mehr wie vor ein paar Jahren vielleicht 5:0 oder 6:0. Du musst überall kämpfen, damit du deine Punkte kriegst und das ist schön, finde ich.

90minuten: Vor eineinhalb Jahren hast du den Vertrag bis 2026 verlängert – ist die WM 2027 das große, letzte Ziel – da wärst du 34?

Zadrazil: Also die Qualifikation spiele ich, denke ich schon, aber ich habe mir mal kein so ein zeitliches Ende gesetzt. Ich spiele Fußball, solange es mir Spaß macht und ich auf dem Niveau gut mitspiele. Aktuell fühle ich mich topfit. Ich habe ja mit den Bayern extrem hohe Ziele, es läuft super für mich.

Was wir einfach nicht verlieren dürfen, ist dieses Nahbare im Frauenfußball und die Beziehung zu den Fans.

Sarah Zadrazil

90minuten: Sarah Puntigam meinte, in den USA ist man mit 34 keine alte Spielerin.

Zadrazil: Ich lasse mir das komplett offen und schau', wie es mir geht. Schauen wir mal, es gibt ja auch noch andere Themen wie die Familienplanung.

90minuten: Marko Arnautović bestätigt ja auch aktuell, dass Alter nur eine Zahl ist.

Zadrazil: Das ist auch im Frauenfußball so. Wir haben eine 37-Jährige, die noch immer auf Topniveau spielt. (Anm.: Abwehrspielerin Linda Sembrant)

90minuten: Was sind die gerade erwähnten Ziele mit dem Klub?

Zadrazil: Wir sind immer sehr ambitioniert. Wenn du bei Bayern spielst, ist klar, dass wir in der Champions League die Gruppenphase überstehen wollen. Das ist uns ja letztes Jahr nicht gelungen. Jetzt sind wir gut reingestartet. Es wäre schon echt mal cool für mich persönlich, wenn ich mal in einem Champions-League-Finale stehen könnte. Ich glaube, wir haben die Qualität in der Mannschaft. In der Liga wollen wir bestätigen, dass wir die Nummer eins in Deutschland sind, aber das ist schwierig.

90minuten: Apropos Königinnenklasse. Früher war Deutschland da präsenter, jetzt sind es die Französinnen und Spanierinnen. Warum?

Zadrazil: Ich denke, man muss schauen, was wo investiert wird und das ist einfach zu dem Zeitpunkt dann auch bei Lyon, jetzt Barcelona und in England passiert. Man sieht: Alles wird enger. Mit deutschen Mannschaften ist auf jeden Fall immer noch zu rechnen, keiner spielt gern gegen Bayern oder Wolfsburg.

90minuten: Kann man den Weg der Überkommerzialisierung, den es im Herrenfußball gibt, vielleicht noch vermeiden. Professionalisierung ist das eine, aber was bei den Herren geschieht, ist doch zu viel des Guten.

Zadrazil: Es gibt auch bei uns immer mehr Geld, bei weitem nicht wie bei den Männern, aber mittlerweile haben es reine Frauenvereine schwer, mitzuhalten. In Deutschland - bei vielen Vereinen, noch nicht bei allen – können die Spielerinnen vom Sport leben. In Österreich ist das noch nicht so, es wäre einfach cool, wenn die Bedingungen besser werden. Was wir einfach nicht verlieren dürfen, ist dieses Nahbare im Frauenfußball und die Beziehung zu den Fans.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!

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